Universität Hamburg strebt transparenteren Umgang mit Studiengebühren an

Holger Fischer im Gespräch mit Matthias Hanselmann · 04.02.2010
Es sei nicht immer gelungen, den Studierenden der Universität Hamburg sehr schnell und bis auf den letzten Euro aufzuzeigen, wofür die Studiengebühren verwendet wurden, räumt der für Studiengebühren zuständige Hochschullehrer Holger Fischer ein. Eine Umfrage hatte ergeben, dass sich 96 Prozent der Hamburger Studenten über die Verwendung der Gebühren nicht ausreichend informiert fühlen.
Matthias Hanselmann: Holger Fischer ist Vizepräsident für Forschung und Lehre an der Universität Hamburg und zuständig für Studiengebühren dort. Guten Tag, Herr Fischer!

Holger Fischer: Schönen guten Tag, Herr Hanselmann!

Hanselmann: Herr Fischer, Ihre Uni ist eine der größten der Republik mit rund 38.000 Studenten, da können Sie wahrscheinlich schlecht jedem Studenten, der klopft, die Tür aufmachen und ihn ganz persönlich über die Verwendung der Gebühren informieren, oder?

Fischer: Ach, Herr Hanselmann, ich versuche es zeitweise. Ich habe eine regelmäßige Sprechstunde in jeder Woche, und da kommen durchaus Studierende auch unangemeldet rein, und jeder Studierende erhält von mir auch eine Auskunft.

Hanselmann: Ihre Studenten sind in der Hohenheimer Studie gefragt worden, ob sie sich über die Verwendung von Studiengebühren ausreichend informiert fühlen. Demnach klopfen nicht allzu viele bei Ihnen an der Tür, denn satte 96 Prozent meinten nein. Wie erklären Sie sich diese Zahl?

Fischer: Diese Zahl ist in der Tat etwas beängstigend. Ich habe mir das natürlich sehr genau angeschaut, auch die Studie, die, sagen wir mal, in ihrer Aussagekraft schon etwas eingeschränkt zu verwerten ist, weil wenn man das genau nachschaut, sind gerade mal 100 oder 101 Studierende der Uni Hamburg befragt worden. Das ist natürlich nicht besonders repräsentativ. Aber dessen ungeachtet ist dies in der Tat ein Problem. Ich habe überlegt, woran es vielleicht liegen könnte. Konkret bei dieser Studie war sicherlich der Zeitpunkt sehr unglücklich, weil zu dem Zeitpunkt der Verwendungsbericht der Universität Hamburg für das entsprechende Semester beziehungsweise Studiengebührjahr noch nicht veröffentlicht war. Inzwischen steht er schon längst im Netz drin, und die Studierenden haben genau wie in Clausthal-Zellerfeld die Chance, unseren Bericht, der ungefähr 120 Seiten stark ist und auch fast jede Position einzeln auflistet, auch anzuschauen. Aber das war zum Zeitpunkt der Befragung leider noch nicht der Fall.

Hanselmann: Entschuldigung, über welches Jahr wird da berichtet?

Fischer: Das ist das Studiengebührenjahr 2008. Das war ja auch der Gegenstand der Erhebung von Hohenheim gewesen, die ja im vergangenen Jahr im Mai 2009 durchgeführt worden ist.

Hanselmann: Wir haben mit dem Studentenausschuss Ihrer Uni telefoniert, und dort sagte man uns, es sei extrem schlecht nachvollziehbar, welches Geld in welcher Höhe wofür ausgegeben wird. Erst einmal: Wofür verwenden Sie beziehungsweise die Fachbereiche die Studiengebühren? Geben Sie uns vielleicht ein paar Beispiele!

Fischer: Das mache ich sehr gern. Also wir haben unsere Gebühren, das sind ungefähr 22 Millionen pro Jahr, in drei große Töpfe eingeteilt. In einem ersten Topf, etwa 15 Prozent, finanzieren wir zentrale Maßnahmen, die im Prinzip allen Studierenden zugutekommen, also zum Beispiel ein besonderes Sprachangebot für alle Studierenden, ein Angebot in Fachsprachen, also für fortgeschrittene Studierende, ein Career Center finanzieren wir daraus. Wir haben unsere Studienberatung erweitert, personell erweitert. Wir haben also diesen Service für Studierende zum Beispiel erheblich verbessert. Das sind Beispiele für zentrale Aktivitäten. In einem zweiten Topf, ebenfalls 15 Prozent der 22 Millionen, daraus finanzieren wir größere investive Maßnahmen. Also wenn zum Beispiel in der Physik ein Praktikum für bestimmte Versuche neu ausgestattet werden muss, ist das eine Investition, die mal eben 100.000, 200- und auch 300.000 Euro kostet. Darüber entscheiden wir in jedem Jahr neu, welche solcher großen Maßnahmen finanziert werden. Und dann haben wir noch einen ganz großen Topf, das sind etwa 65 Prozent der Studiengebühren, die verteilen wir nach der Zahl der Studierenden auf unsere sechs Fakultäten. Und die Fakultäten entscheiden dann autonom, was sie mit dem Geld machen. Um ein Beispiel zu nennen: Allein jede Fakultät bei uns ist doppelt so groß wie Clausthal-Zellerfeld, also mit etwa 6000 Studierenden – das zeigt noch mal die Größenordnung. Und in den Fakultäten wird dann in eigenen Kommissionen oder im Fakultätsrat beraten, was man dann konkret mit dem Geld macht. Das läuft durchaus unterschiedlich ab, weil wir haben einerseits eine Fakultät wie die Juristische Fakultät, die ist sehr homogen, die hat sozusagen einen großen Studiengang, dort wird alles auf der Ebene der Fakultät entschieden. Und wir haben andere Fakultäten wie die Geisteswissenschaften, in der es fünf oder sechs einzelne Fachbereiche gibt, wie Sprachwissenschaften, Kulturwissenschaften, wo dann auf der Fachbereichsebene die Entscheidungen gefällt werden, und zwar immer unter Hinzuziehung der Studierenden. Also da ist ...

Hanselmann: Das wollte ich gerade fragen. Wenn Sie sagen, unter Hinzuziehung der Studierenden, gibt es da eine echte studentische Mitbestimmung wie in Clausthal?

Fischer: Es gibt eine studentische Mitbestimmung, allerdings gibt es kein studentisches Vetorecht zum Beispiel. Und die letztendliche Entscheidung, das ist im Hamburger Hochschulgesetz so vorgesehen für Haushaltssachen, hat immer das Präsidium oder das Dekanat einer Fakultät.

Hanselmann: Kann man denn als Student im Vorfeld erfahren, welcher Professor, welche Fakultät, welche Abteilung der Universität Gelder für welche Zwecke beantragt?

Fischer: Die Beantragung der Maßnahmen geschieht aus diesen Fachbereichen heraus oder aus einzelnen Instituten, und antragsberechtigt ist im Prinzip jeder. Es kann ein einzelner Professor sein, das kann das Institut insgesamt sein, das können aber auch studentische Gruppen sein, die Gelder beantragen für Maßnahmen, die den Fakultäten zur Verfügung gestellt werden. Also da gibt es sozusagen kein normiertes Verfahren, sondern im Prinzip ist jeder antragsberechtigt.

Hanselmann: Jetzt wundere ich mich bei allem, was Sie mir bisher geschildert haben, warum trotzdem eine vergleichsweise große Unzufriedenheit bei Ihren Studenten herrscht, was die Transparenz dieses Vorgehens anbetrifft.

Fischer: Das glaube ich erklären zu können dadurch, dass wenn dann die Entscheidungen gefallen sind und die Gelder sozusagen ausgegeben werden im Laufe von zwei Semestern – wir haben immer zwei Semester zusammen –, dass es dann bisher in der Vergangenheit nicht immer gelungen ist, die Studierenden sozusagen sehr schnell und sozusagen auch komplett bis auf den letzten Euro sozusagen genau noch aufzuzeigen, wofür die Gelder verwendet worden sind. Dort sind einige Fakultäten sehr vorbildlich – also ich denke zum Beispiel an die Medizinische Fakultät, dort ist das jederzeit einsehbar, was gemacht wird –, andere Fakultäten sind in der Tat nicht ganz so transparent.

Hanselmann: Ergreifen Sie jetzt Sofortmaßnahmen in Sachen Transparenz bei diesen Fakultäten oder lassen Sie es laufen?

Fischer: Nein, dieses Problem haben wir sehr eingehend erörtert mit den Dekanaten der Fakultäten. Wir haben jetzt ganz klare Regelungen erlassen oder gemeinsam besprochen – sage ich es mal lieber so – mit den Dekanen, dass wir sie eigentlich dazu bringen und "zwingen", in Anführungsstrichen, dass die Studierenden bei der Entscheidungsfindung über die Verwendung der Studiengebühren noch intensiver als bisher und in einem quasi normierten, kontrollierten Verfahren mitwirken können und dass auch dann über die Verwendung der Mittel sehr viel zeitnaher und transparenter und öffentlicher berichtet wird. Also wir möchten schon, dass eigentlich in dem Moment, wo man eine Maßnahme beschlossen hat, muss es eigentlich am Schwarzen Brett stehen oder in einem anderen geeigneten Medium natürlich, das ist völlig klar.

Hanselmann: Das Internet bietet sich ja auch an.

Fischer: Das Internet bietet sich an. Also unser Jahresbericht steht drin im Netz, gleich auf der ersten Seite ist ein Link, und wir werden jetzt zum Beispiel, gerade auch aufgrund dieser Anregung, noch mal alle unsere Studierenden anschreiben über unser Kommunikationssystem, dass der Bericht jetzt auf der Homepage unter folgender Adresse zu finden ist, sodass auch jeder von sich aus da noch mal genau nachblättern kann, was tatsächlich mit seinem Geld passiert ist.

Hanselmann: Welchen Zwängen sind Sie eigentlich sonst ausgesetzt, also welche Vorgaben bekommen Sie vom Land Hamburg, von der Regierung zur Verwendung der Studiengebühren?

Fischer: Die Vorgabe ist, dass alle Ausgaben der Verbesserung von Studium und Lehre zugutekommen müssen. Das heißt, wir dürfen nichts ausgeben – das tun wir auch nicht so – für generelle Bauunterhaltung zum Beispiel oder für Renovierung sozusagen, die normalerweise sowieso ansteht, von Gebäuden und solche Dinge, sondern es muss wirklich dezidiert der Verbesserung von Studium und Lehre, der Verbesserung der allgemeinen Studienrahmenbedingungen dienen.

Hanselmann: Die Universität Hamburg nach Aussage Ihres für Studiengebühren verantwortlichen Professors Holger Fischer auf dem Wege zu mehr Transparenz über die Verteilung und Verwendung von Studiengebühren. Vielen Dank, Herr Fischer, nach Hamburg!

Fischer: Ja, ich bedanke mich auch, Wiederschauen!