Union beharrt auf Kündigungsschutz

Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralf Brauksiepe, hat kurz vor Beginn der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP soziale Einschnitte abgelehnt. "Unsere Position ist klar: Wir wollen keine Änderung am gesetzlichen Kündigungsschutz", so Brauksiepe.
Jörg Degenhardt: Dr. Ralf Brauksiepe ist Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Ihn habe ich gefragt, mit welcher Maxime seine Partei in die mit Sicherheit schwierigen Gespräche zum Thema Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik geht.

Ralf Brauksiepe: Wir haben da in der Tat eine ganze Menge zu besprechen und brauchen insbesondere, das hat das Verfassungsgericht angemahnt, eine Neuorganisation der ARGEn, also der Organisationen, die sich um die Betreuung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen kümmern. Das muss jetzt schnell angegangen werden. Wir wollen in dem Zusammenhang auch die Hinzuverdienstregelungen so umgestalten, dass es sich stärker lohnt als bisher, Arbeit, von der man leben kann, auch aufzunehmen. Wir wollen das Schonvermögen deutlich erhöhen, das diejenigen haben, die ihr Leben lang vorgesorgt haben für das Alter und die dann in das Arbeitslosengeld II fallen.

Da sind konkrete Verbesserungen von uns geplant, das wollen wir jetzt schnell auf den Weg bringen. Also es gibt eine ganze Menge zu tun auf dem Gebiet, und wir sollten das alles tun vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Regierung von Angela Merkel in den letzten vier Jahren arbeitsmarktpolitisch die Erfolgreichste war, die dieses Land je hatte. Niemand war so erfolgreich bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wie die Regierung Merkel, und das wird sicherlich auf dem Gebiet Arbeit/Soziales auch als eine wichtige Erfahrung die Gespräche prägen.

Degenhardt: Menschen, die arbeiten wollen, auch von ihren Löhnen leben können. Die FDP will aber auch noch da Nachbesserungen, sie will ran an die bestehenden Mindestlöhne für einzelne Branchen. Der als Arbeitsminister gehandelte CDU-Generalsekretär Pofalla hat eine Bestandsgarantie für die eingeführten branchenspezifischen Mindestlöhne abgegeben. Wird es dabei bleiben?

Brauksiepe: Ich kann mir nicht vorstellen, dass man gegen den Willen von Gewerkschaften und Arbeitgebern tarifliche Vereinbarungen, die dort getroffen worden sind, quasi wieder außer Kraft setzt. Es gibt aus meiner Sicht in dem Bereich überhaupt keinen Grund für Streit. Wir haben das Entsendegesetz erweitert in der Großen Koalition. Es sind akut keine Branchen da, um deren Aufnahme in das Entsendegesetz man jetzt für die Zukunft streiten müsste. Aber es ist doch völlig klar, dass wir von dem ausgehen, was Gesetzeslage ist. Das betrifft das Entsendegesetz wie auch das Mindestarbeitsbedingungengesetz. Da ist jetzt eine Kommission eingesetzt, an der Experten genauso wie Gewerkschafter und Arbeitgebervertreter dabei sind, und das ist jetzt alles in Gang gekommen, so wie das jetzt Gesetzeslage ist. Und ich denke, von dieser Gesetzeslage her sollte an ausgehen.

Degenhardt: Wann kommen denn die Mindestlöhne für die Zeitarbeitsbranche?

Brauksiepe: Wir haben in der großen Koalition eine Grundsatzvereinbarung dahingehend getroffen, dass wir bereit sind, zu einer Regelung beim Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zu kommen. Da war vom Entsendegesetz nicht die Rede. Man muss klar sehen, dass wir einen Rechtsrahmen haben in Europa, der sich ändern wird im Mai 2011, wenn dann die Freizügigkeit für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmer aus Mittel- und Osteuropa kommt. Das ist für alle Beteiligten ein wichtiges Datum, ob man das will oder nicht. Aber bis dahin müssen sich auch die Arbeitgeber und Gewerkschafter noch bewegen auf dem Feld, denn es ist völlig klar, in der jetzigen Situation bei der Tarifkonkurrenz, die dort herrscht, ist eine Aufnahme dieser Branche ins Entsendegesetz undenkbar. Deswegen haben wir sie in der großen Koalition nicht gemacht und deswegen steht das auch jetzt nicht auf der Tagesordung.

Degenhardt: Auf der Tagesordnung steht aber noch eine Großbaustelle, über die wir noch nicht gesprochen haben. Sie ahnen wahrscheinlich, worauf ich hinaus will, nämlich auf den Kündigungsschutz. Da will ja die FDP ran und will diesen aufweichen, und Sie halten weiterhin tapfer dagegen.

Brauksiepe: Ja, unsere Position als Union ist da glasklar. Ich sag’s noch mal: Wir haben es geschafft, vor der Wirtschafts- und Finanzkrise die Zahl der Arbeitslosen in unserem Land von über fünf Millionen auf unter drei Millionen zu reduzieren. Und selbst in der Krise sind wir sehr viel erfolgreicher, als viele vergleichbare Länder und als viele Experten uns vorausgesagt haben. Also die Regierung Merkel war erfolgreicher bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit als jede andere, und das mit den bestehenden geltenden Kündigungsschutzregelungen.

Degenhardt: Aber Entschuldigung, Herr Brauksiepe, was ist denn schlecht am Vorschlag der FDP, ein Wahlrecht einzuführen für neue Arbeitsverträge, zwischen Kündigungsschutz auf der einen Seite und Abfindung auf der anderen?

Brauksiepe: Sehen Sie, die Arbeitsmarkt ist hoch flexibel, selbst in der Krise ist es uns gelungen in der Regierung Merkel, die Arbeitslosigkeit bei den Langzeitarbeitslosen heute auf einen niedrigeren Stand zu bringen, als das vor einem Jahr war. Das heißt, viele Menschen kommen auch aus der Langzeitarbeitslosigkeit heute wieder in Beschäftigung. Die Arbeitslosen, die wir heute haben, sind nicht dieselben wie im letzten Jahr und im nächsten Jahr. Der Arbeitsmarkt ist hoch flexibel. Und wenn Sie selbst dann sagen, Sie ändern nur was für diejenigen, die aus der Arbeitslosigkeit herauskommen, sind in kurzer Zeit sehr viele Millionen Menschen betroffen. Ob es dann tatsächlich in dieser Arbeitsmarktsituation bei der hohen Arbeitslosigkeit ein echtes Wahlrecht gibt für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, da muss man doch ein Fragezeichen hinter machen. Von daher sage ich, unsere Position ist glasklar. Wir reden natürlich über alles, was auch seitens eines Koalitionspartners besprochen sein soll, aber unsere Position ist klar, wir wollen keine Änderungen am gesetzlichen Kündigungsschutz.

Degenhardt: Können Sie denn garantieren, dass der jetzt noch auszuhandelnde Koalitionsvertrag am Ende nicht zulasten der Arbeitnehmer geht?

Brauksiepe: Ich bin ganz sicher, dass sich in einer Koalitionsvereinbarung von Union und FDP natürlich auch die Größe der jeweiligen Koalitionspartner wiederfinden wird. Bei allem Respekt vor dem Wahlergebnis der FDP sind wir doch nicht in einer Position wie bei der Großen Koalition, wo beide Partner annähernd gleich groß sind. Also ich denke, dass sich da auch in fairer Weise die wichtigen Positionen beider Partner wiederfinden müssen. Und da sage ich noch mal: Uns ist das wichtig, dass es keinen Abbau von Arbeitnehmerrechten gibt, dass es keinen Abbau des sozialen Schutzes in unserem Lande gibt.

Wir wollen stärker, als das im Moment der Fall ist, noch die Weichen auf mehr Wachstum stellen in unserem Land, das ist das Beste zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit: Wachstumspolitik mit wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen. Das ist das, was wir mit der FDP besser machen können als mit der SPD nach unserer Überzeugung. Und wenn das gelingt, dann ist das ein ganz großer Erfolg auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Hohe Beschäftigung ist der beste Schutz gegen niedrige Löhne. Und ich sag’s noch mal: Wir sind Volkspartei, CDU und CSU sind auch mit einem Programm angetreten, das ganz klar die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schützt, und so soll es auch nach dem Abschluss eines Koalitionsvertrages bleiben.