Ungeschönte Landschaften

Von Günter Kaindlstorfer |
Von seinen Künstler-Kollegen wurde er als "Tollhäusler" beschimpft, beim Wiener Bürgertum war er ein Star: der Biedermeier-Maler Ferdinand Georg Waldmüller. In der Österreichischen Galerie werden nun bislang unbekannte Werke des Künstlers gezeigt - einige von ihnen weniger idyllisch als sonst.
Pausbäckige Bauernkinder beim Blumenpflücken im Wienerwald, der Dachstein, von Ischl aus gesehen, Wallfahrer bei der Rast: Man verharmlost Ferdinand Georg Waldmüller gern zum naturschwärmerischen Vormärz-Idylliker - eine Einschätzung, der Sabine Grabner, Kuratorin der Wiener Schau, nur bedingt etwas abgewinnen kann.

"Ob Waldmüller ein Idylliker ist? Da würde ich 'jein' sagen. Natürlich sieht man in dem einen oder anderen Bild geschönte Situationen aus dem bäuerlichen Leben, aber andererseits war er einer der ersten Realisten in der österreichischen Malerei, der sehr wohl die Schrecknisse seiner Zeit gesehen hat und sie dann auch im Bild festgehalten hat."

Von einigen seiner Zeitgenossen ist Waldmüller als "Naturalist" abgetan worden, aus heutiger Sicht mehr Ehrentitel denn Injurie. Waldmüllers Genrebilder aus dem ländlichen Leben zeigen die bittere Not der bäuerlichen Bevölkerung des 19. Jahrhunderts, auch wenn der Maler sich in der Regel bemüht hat, eher die heiteren Szenen familiären Zusammenlebens darzustellen. Waldmüller hat aber auch Pfändungs- und Delogierungsszenen gemalt, immer wieder wird auch Kinderarbeit thematisiert in seinen Bildern. In dem Gemälde "Reisigsammler im Wienerwald" etwa sieht man eine alte Frau und eine Gruppe von Kindern, die Rinden und Zapfen sammeln, um ihre ärmliche Heimstatt heizen zu können.

120 Hauptwerke Waldmüllers sind in der eindrucksvollen Schau im Wiener Belvedere zu sehen: Exquisite Stilleben, brillante, farbkräftige Porträts, realistische Genreszenen und vor allem kraftvolle, akkurat gearbeitete Landschaftsbilder aus den österreichischen Alpen, die Waldmüller berühmt gemacht haben. Zeitgleich mit Corot und den Künstlern der "Schule von Barbizon" in Frankreich hat auch der Österreicher Waldmüller die Vorzüge der Freiluftmalerei entdeckt. Ein damals revolutionärer Schritt, wie Sabine Grabner betont.

"Die Natur war für Waldmüller sehr wichtig. Er war einer der Ersten, der dafür eingestanden ist, dass unbedingt vor der Natur gemalt werden muss. Er hat Studien vor der Natur betrieben, und er hat ganze Bilder vor der Natur gemalt. Und er hat versucht, die Natur so wiederzugeben, "wie sie ist". Sein höchstes Ziel war, das Gesehene im Bild zu verwirklichen."

Die Wiener Schau kann auch mit einer echten Sensation aufwarten: Zum ersten Mal werden mehrere bisher unbekannte Hauptwerke Waldmüllers öffentlich gezeigt, Bilder, die bisher verschollen oder unentdeckt waren.

"Zum Beispiel 'Der Hufschmied', eines der bedeutendsten Waldmüller-Bilder, meiner Meinung nach. In diesem Bild zeigt er einen Schmied bei der Arbeit, ganz unmittelbar, das hat nichts mehr mit Idylle zu tun, das hat nichts mit Schönfärberei oder eine erzählten Geschichte zu tun, da geht’s wirklich um die Arbeitswelt dieser Zeit. So etwas hat es damals in Österreich nicht gegeben, aber auch international stellt dieses Bild eine Besonderheit dar."

"Die Heimkehr des Soldaten" oder "Die Kranzeljungfer" sind weitere, plötzlich in Privatbesitz aufgetauchte Waldmüller-Bilder, von deren Existenz man bisher nichts wusste. Dabei war Waldmüller - der sich mit seinen Malerkollegen an der Wiener Akademie zerkrachte - alles andere als ein angenehmer Zeitgenosse.

"Er war sehr resolut, er war von seinen Gedanken und Ideen sehr, sehr eingenommen. Dabei war er nie eigennützig, es ging ihm immer um das Beste für die Kunst. Das hat er verfochten, da war er auch nicht kompromissbereit."

Das hat ihn nicht jedem sympathisch gemacht. Von seiner Kollegenschaft wurde der leidenschaftliche Freiluft-Aficionado Waldmüller verachtet und als "Tollhäusler" beschimpft, in den Kreisen des Wiener Bürgertums allerdings, seiner treuesten Kundschaft, war der kompromisslose Künstler spätestens seit den 1830er Jahren ein Star.

Nach seinem Tod 1865 wurde es stiller um Waldmüller, ehe die Secessionisten und andere Kunst-Heroen des Fin de Siecle ihn als Vorläufer wiederentdeckten. Hermann Bahr zum Beispiel: "Welche Kraft, welches Leben, welche Sonne!", schwärmte der Chef-Theoretiker der Wiener Moderne 1898 über die Gemälde Waldmüllers. Und weiter schrieb Bahr: "Der hat ja schon vor einem halben Jahrhundert gewusst, was Licht ist, was Luft ist!" Wie wahr. Auch in der aktuellen Wiener Ausstellung glänzen und funkeln die Bilder Waldmüllers frisch wie am ersten Tag.