Ungehinderter Blick ins Weltall

Von Kerstin Zilm · 19.06.2011
SOFIA - das ist die Abkürzung für "Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie", eine fliegende Sternwarte, die von der NASA und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt betrieben wird und die neue Erkenntnisse über die Entstehung des Weltalls liefern soll.
Auf den ersten Blick sieht die Boeing 747 aus wie ein normales Passagierflugzeug. Doch dann geschieht etwas Ungewöhnliches: Auf der linken Seite des Fliegers, zwischen linker Tragfläche und hinterer Einstiegstür öffnet sich langsam wie ein Garagentor eine scheunengroße Luke. Sonnenlicht fällt auf riesige Spiegel dahinter - das Teleskop. Was hier auf dem Boden gezeigt wird, passiert normalerweise in fünftausend Metern Höhe.

Wer schon mitgeflogen ist, erzählt: das Flugzeug bleibt dabei ganz ruhig. Würde der Pilot keine Durchsage machen, wüsste niemand, ob die Luke offen oder geschlossen ist. Durch eine dicke Wand vom Teleskop und der offenen Luke getrennt ist im Rumpf des Flugzeugs ein Labor mit modernster Computertechnologie untergebracht. Astronomen aus den USA und Deutschland analysieren hier noch während des Fluges hereinkommende Daten.

An diesem Morgen kommt Terry Herter, leitender Wissenschaftler der US-SOFIA-Projekte von einem zehnstündigen Nachtflug zurück. Enthusiastisch zeigt er die jüngsten Infrarot-Aufnahmen aus dem Zentrum unserer Galaxie, der Milchstraße: helle Streifen, Punkte, dazwischen gelbe und grüne Lichtblitze.

Im Zentrum der Galaxie ist ein schwarzes Loch! Seine Masse ist drei Millionen Mal so groß wie die unserer Sonne. Es gibt nur ja nur ein Zentrum der Milchstrasse! Das ist ein tolles Objekt für die Forschung! Einmalig! Und ist ziemlich spannend herauszufinden, was da passiert! Sterne entstehen. Sterne sterben. Es gibt ausgedehnte Magnetfelder. Alle möglichen interessanten Sachen.

Wenn die US-Forschungsgruppe ihre Instrumente vom Teleskop abgebaut hat, sind wieder Wissenschaftler aus Deutschland dran. Ein Team vom Max Planck Institut in Bonn unter Leitung von Rolf Güsten hat bereits im April mit dem von ihm entwickelten Spektrometer GREAT erfolgreich Daten gesammelt. Noch bessere Technologie soll bei zehn Flügen im Juli zum Einsatz kommen. Insbesondere sind Messungen bei sehr hohen Frequenzen geplant, die neue Erkenntnisse über die Entstehung von Sternen und Planeten geben sollen.

"Messbar bei 2,7 Terraherz, das ist absolutes Neuland. Bei den Frequenzen hat noch nie jemand Spektroskopie betrieben. Das Reizvolle ist, dass man über die Messungen und Beobachtungen in der Lage sein wird eine chemische Uhr über die integrierte Geschichte des Universums abzuleiten. Das ist, was uns 15 Jahre treibt, diesen Kanal in Betrieb zu nehmen."

Dass modernste Technologie direkt an ein Teleskop angekoppelt und alle Geräte regelmäßig gewartet werden können sind Vorteile von SOFIA gegenüber Weltraumteleskopen. Der Vorteil gegenüber Observatorien auf der Erde ist die Flughöhe. Alois Himmes, SOFIA-Programmchef des DLR:

"Die Infrarotstrahlung erreicht leider nicht den Erdboden, weil sie durch den Wasserdampf in der Atmosphäre absorbiert und geblockt wird. Deshalb können bodengebundene Teleskope diesen Bereich nicht abdecken. Mit Sofia oberhalb der sogenannten Tropopause in Höhen von 12 bis 14 Kilometern liegt man zu 99 Prozent oberhalb dieses Wasserdampfes, so dass man die Infrarotstrahlung aus dem Weltall nahezu ungehindert beobachten kann."

Ziel des Projektes ist es aber auch, Nachwuchs für die Forschung im Weltall zu begeistern. Lehrer aus den USA und Deutschland sollen regelmäßig bei Nachtflügen dabei sein, ihre Beobachtungen und Erkenntnisse an Schüler weitergeben. Kathleen Ferdette, Mathematik- und Physiklehrerin einer kalifornischen Highschool gehörte zur ersten Gruppe, die mitgeflogen ist:

"Es war eine überwältigende Erfahrung. Ich hatte nicht erwartet, wie viel ich mich mit den Leuten an Bord austauschen konnte, vom Piloten bis zu den Wissenschaftlern. Die Schüler hatten mir ihre Fragen mitgegeben und ich war auf Erkundungsmission."

Einige ihrer Schüler haben durch die Erzählungen der Lehrerin Interesse an der Raumfahrt bekommen. Zum Beispiel Stephanie:

"Wir reden nicht viel über NASA und so was in der Schule. Also haben wir recherchiert und es ist wirklich beeindruckend! Das Infrarot-Teleskop ist verrückt! Und dass sie das Tor mitten im Flug öffnen können, ohne dass es einen Unfall gibt, das ist wirklich toll!"

Im nächsten Jahr beginnt der regelmäßige Betrieb von SOFIA mit zwei bis drei Flügen pro Woche. Rund 100.000 Dollar kostet jeder Flug allein an Sprit. NASA und DLR sind dennoch überzeugt, dass sich die Kosten lohnen und die fliegende Sternwarte einzigartige Informationen über die Entstehung unserer Galaxie und des Planeten, auf dem wir leben, erbringen wird.