Unendliche Weiten

Vorgestellt von Harro Zimmer |
Wenn in der edition suhrkamp ein Buch über die Raumfahrt erscheint, dazu noch geschrieben von einem Soziologen, könnte man eine nicht gerade leicht verdauliche Kost, sondern eher eine negativ-kritische Betrachtung erwarten. Weit gefehlt: Heimat Weltall - Wohin soll die Raumfahrt führen? ist vielmehr ein Plädoyer für diese Technologie, deren Auswirkungen nicht nur in unserem Alltag allgegenwärtig sind, sondern längst auch in weite Bereiche der Natur- aber auch der Geisteswissenschaften ihren Einzug gehalten haben.
Der Autor, Hans-Arthur Marsiske, ist als geschätzter Fachjournalist für fast alle Themenbereiche der Weltraumforschung bekannt geworden. In seinem Buch geht der Blick weit über das Tagesgeschehen hinaus. Kann das, so seine Frage, was wir heute unter Raumfahrt verstehen, wirklich alles sein? Ihre primäre Ausrichtung auf die praktische Nutzanwendung, die noch immer starke Betonung der militärischen Komponente? Natürlich weiß auch Marsiske, dass die reine Forschung, der "Griff nach den Sternen", keineswegs auf dem Altar der Zweckmäßigkeit geopfert wurde. Die Ereignisse der jüngsten Zeit, Rover auf dem Mars, die Landung auf dem geheimnisumwitterten Mond Titan, um nur einige Beispiele zu nennen, zeigen das Gegenteil.

Doch das ist nur ein Bruchteil des Möglichen! Auf 192 Seiten blättert der Autor auf, womit sich seriöse Forschung und Technik heute in Planungsstudien beschäftigen: Eine bemannte Marsmission, Nutzung der Weltraumressourcen, Siedlungen im All bis hin zum interstellaren Flug, zum Aufbruch zu anderen Sternen. Man mag über die Qualität und Aktualität einzelner Studien streiten: Sie zeigen ein faszinierendes Spektrum an Möglichkeiten, deren Umsetzung nur eine Aufgabe von Generationen sein kann. Allerdings. so Marsiske, kann Raumfahrt und Weltraumforschung auf Dauer nicht ausschließlich nur der Technik und den Naturwissenschaften vorbehalten bleiben. Kulturelle und philosophische Aspekte müssen zunehmend in die Diskussion einbezogen werden, wobei er die beiden Begriffe weit verstanden wissen will.

Dass diese Forderung den "Machern" nicht fremd ist, zeigt eine jüngst getroffene Entscheidung der europäischen Raumfahrtorganisation ESA: Sie ist "der Überzeugung, dass in der Zukunft der Exploration des Weltraums auch die Kultur ein Wort mitzureden hat, weswegen wir die Internationale Raumstation einer neuen Gruppe künstlerischer und kultureller Nutzer zugänglich machen wollen". Ein erster Ansatz also.

Heimat Weltall - Wohin soll die Raumfahrt führen?: Hans-Arthur Marsiskes Credo - und hier hat wieder der Soziologe das Wort: "Im Weltraum bietet sich die einzigartige Chance, andere, neue, womöglich bessere Welten zu entdecken - und zu erschaffen. Welten, die die Beschränkungen der Erde hinter sich lassen und den Weg frei machen für neue Gesellschaften jenseits von Diktatur, Kapitalismus, Armut und Krieg. Was derzeit noch fehlt, sind die Politiker und Entscheider, die den Mut und die Kraft haben, diese Herausforderung anzunehmen."