Undercover im Bordell
Seit Donnerstag läuft der österreichische Film „Revanche“ in den deutschen Kinos, am Sonntag geht er für Österreich ins Rennen um den begehrten „Auslands-Oscar“. Für die Schauspielerin Irina Potapenko gab es schon vorab eine Belohnung: Sie wurde Ende Januar für ihre Darstellung mit dem renommierten Max-Ophüls-Preis als beste Nachwuchsdarstellerin ausgezeichnet.
„Wir werden dann am 22. in Wien sein und die Daumen drücken und mitfiebern. Na ja, man wird ja nicht jeden Tag für einen Oscar nominiert. Das ist ja auch ein Moment, wo man stolz auf die Arbeit ist und eine schöne Bestätigung.“
Dabei hat die 22-jährige ukrainische Schauspielerin, die seit 14 Jahren in Berlin lebt, lange überlegt, ob sie die Rolle in dem österreichischen Oscar-Beitrag überhaupt annehmen soll. In „Revanche“, ihrem erst zweiten Kinofilm, spielt Irina Potapenko die ukrainische Prostituierte Tamara und ist fast in der Hälfte der Szenen nackt oder nur sehr leicht bekleidet zu sehen.
Tamara hat ein heimliches Verhältnis mit Alex, dem Handlanger ihres Zuhälters. Die beiden wollen durchbrennen, das nötige Geld für ein neues Leben möchte Alex bei einem Banküberfall besorgen.
Ausschnitt aus „Revanche“:
„Alex: „Es kann wirklich nichts passieren, du brauchst echt keine Angst haben.“
Tamara: „Will ich nicht warten hier.“
Alex: „Dauert doch nicht lange, nur ein paar Stunden.“
Tamara: „Komm ich mit.“
Alex: „Tamara, das ist ein Blödsinn, du kannst mir doch nicht helfen dabei.“
Tamara: „Bleib ich draußen.“
Alex: „Tamara, wozu. Das ist ein Blödsinn.“
Die Sache geht schief. Tamara wird auf der Flucht von einem Polizisten erschossen. Ihr Tod ist der Auslöser für die „Revanche“, denn Alex möchte von nun an nur noch Rache an dem Polizisten nehmen, der ihm das Liebste genommen hat.
Die Jury des renommierten Max-Ophüls-Preises lobte in ihrer Begründung für die Auszeichnung als beste Nachwuchsdarstellerin, wie natürlich, präzise und glaubwürdig die Schauspielerin mit den braunen, schulterlangen Haaren sowohl Ausweglosigkeit als auch Hoffnung in Tamaras Gesicht zeigt. Irina Potapenkos Gesicht ist blass, die mandelförmigen dunkelbraunen Augen betont das um so mehr. Und diese Augen strahlen, als sie über die Auszeichnung spricht.
„Es war ziemlich wichtig, nach Tamara, nach ‚Revanche‘, so eine kleine Belohnung zu kriegen. Das ist wie eine kleine Bestätigung, ja jetzt hat man es doch gut gemacht.“
Ein besonderes Lob der Jury gab es für ihre Bereitschaft, bei der Vorbereitung auf die Rolle an ihre Grenzen zu gehen. Um die Prostituierte möglichst glaubhaft darzustellen, hat Irina Potapenko eine Woche in einem Wiener Bordell verbracht – in High Heels und einem kurzen Kleid, das ihr die Kostümbildnerin besorgt hat.
„Und ich durfte dann undercover unter den ganzen Mädels sitzen und es einfach nur kennenlernen, die Frauen kennenlernen, ihre Geschichten kennenlernen, was sie dazu geführt hat, mit welcher Selbstverständlichkeit man einfach die Arbeit ausführt und wie trist es auch da drinnen ist.“
Diese Art der Recherche sei unglaublich wichtig gewesen, sagt die Schauspielerin, so etwas könne man in keinem Buch nachlesen.
„Mit einigen Männern habe ich gesprochen, andere, die mich dann mit auf ihr Zimmer nehmen wollten, zu denen habe ich gesagt, das gehört nicht in mein Konzept, und damit ging es auch. Dann ist er zum nächsten Mädchen gegangen und hat sie sich unter den Nagel gerissen.“
Ihr Freund, ein Kölner Grafikdesigner, mit dem sie eine Wochenendbeziehung führt, hat sich natürlich Sorgen gemacht, die Recherche aber schließlich akzeptiert. Ihre Mutter und ihr Stiefvater, bei denen sie immer noch in Prenzlauer Berg wohnt, hätten anfangs zwar etwas Schwierigkeiten mit den Nacktszenen im Film gehabt, waren dann aber doch sehr stolz auf sie.
Irina Potapenko ist auf der Halbinsel Krim, in der Kleinstadt Kerch, am Schwarzen Meer aufgewachsen. Ihr Vater hat eine Baufirma, die Mutter zusammen mit ihrer Tante ein Restaurant. Es ist eine unbeschwerte Kindheit am Meer.
Irina Potapenko erzählt sehnsüchtig von den unglaublich heißen Sommern, in denen die Kinder jeden Tag schwimmen gegangen sind und von alten Leuten, die vor ihren Häusern sitzen.
„Wir haben dann irgendwann mal angefangen, uns kleine Shows für die Omas und Opas auszudenken, haben Lieder, Leute, Komödianten nachgemacht aus dem Fernsehen, und sie saßen dann vorne auf ihren Bänken und haben Sonnenblumenkerne gekaut und uns zugeschaut. Es war schön, die Aufmerksamkeit zu haben, und als Kind dachte ich mir, na dann werde ich das machen.“
Als sie acht Jahre alt ist, trennen sich die Eltern. Ihre Mutter verkauft das Restaurant und geht mit ihr nach Berlin, um ihr eine bessere Zukunft zu bieten.
Mit zwölf spielt Irina Potapenko an einem kleinen russischen Kammertheater. Dort wird Frank Castorf auf sie aufmerksam, der für Dostojewskis „Erniedrigte und Beleidigte“ an der Volksbühne gerade ein russisches Mädchen sucht. Sechs Jahre bleibt sie an der Volksbühne, genießt die familiäre Stimmung am Theater.
„Mit 14 bin ich an die Volksbühne gekommen, aber ich hatte sehr verständnisvolle Lehrer und eine sehr gute Direktorin, die mir immer frei gegeben hat. Um elf wurde ich von der Schule befreit, bin dann zu den Proben gefahren, dann nach Hause, Schulaufgaben gemacht. Das hat schon ein bisschen Energie und Kraft gekostet, aber es hat Spaß gemacht, und deswegen konnte man das machen die ganzen Jahre.“
Irina Potapenko hat in den letzten beiden Jahren viel gegrübelt, ob ihre große Leidenschaft auch als Beruf das Richtige ist, denn leben kann sie davon noch nicht. Zum Interview kommt sie erst um 22 Uhr nach ihrer Schicht in einem Restaurant. Aber seit sie sich entschieden hat, dass sie nichts anderes machen möchte, geht es ihr viel besser. Und andere Berufe könne sie ja schließlich als Schauspielerin ausprobieren.
„Außerdem ist es unglaublich spannend, sich ständig in andere Charaktere zu versetzen und mit seinem eigenen Wesen zu spielen. Man lernt auch unglaublich viel bei dem Beruf. Man macht Erfahrungen, die man sonst nirgendwo macht, zum Beispiel diese Bordellgeschichte. Es muss ja nicht unbedingt Prostituierte sein, es hätte ja auch ein Archäologe sein können. Man hat einfach die Möglichkeit, das Leben aus vielen Perspektiven zu sehen.“
Dabei hat die 22-jährige ukrainische Schauspielerin, die seit 14 Jahren in Berlin lebt, lange überlegt, ob sie die Rolle in dem österreichischen Oscar-Beitrag überhaupt annehmen soll. In „Revanche“, ihrem erst zweiten Kinofilm, spielt Irina Potapenko die ukrainische Prostituierte Tamara und ist fast in der Hälfte der Szenen nackt oder nur sehr leicht bekleidet zu sehen.
Tamara hat ein heimliches Verhältnis mit Alex, dem Handlanger ihres Zuhälters. Die beiden wollen durchbrennen, das nötige Geld für ein neues Leben möchte Alex bei einem Banküberfall besorgen.
Ausschnitt aus „Revanche“:
„Alex: „Es kann wirklich nichts passieren, du brauchst echt keine Angst haben.“
Tamara: „Will ich nicht warten hier.“
Alex: „Dauert doch nicht lange, nur ein paar Stunden.“
Tamara: „Komm ich mit.“
Alex: „Tamara, das ist ein Blödsinn, du kannst mir doch nicht helfen dabei.“
Tamara: „Bleib ich draußen.“
Alex: „Tamara, wozu. Das ist ein Blödsinn.“
Die Sache geht schief. Tamara wird auf der Flucht von einem Polizisten erschossen. Ihr Tod ist der Auslöser für die „Revanche“, denn Alex möchte von nun an nur noch Rache an dem Polizisten nehmen, der ihm das Liebste genommen hat.
Die Jury des renommierten Max-Ophüls-Preises lobte in ihrer Begründung für die Auszeichnung als beste Nachwuchsdarstellerin, wie natürlich, präzise und glaubwürdig die Schauspielerin mit den braunen, schulterlangen Haaren sowohl Ausweglosigkeit als auch Hoffnung in Tamaras Gesicht zeigt. Irina Potapenkos Gesicht ist blass, die mandelförmigen dunkelbraunen Augen betont das um so mehr. Und diese Augen strahlen, als sie über die Auszeichnung spricht.
„Es war ziemlich wichtig, nach Tamara, nach ‚Revanche‘, so eine kleine Belohnung zu kriegen. Das ist wie eine kleine Bestätigung, ja jetzt hat man es doch gut gemacht.“
Ein besonderes Lob der Jury gab es für ihre Bereitschaft, bei der Vorbereitung auf die Rolle an ihre Grenzen zu gehen. Um die Prostituierte möglichst glaubhaft darzustellen, hat Irina Potapenko eine Woche in einem Wiener Bordell verbracht – in High Heels und einem kurzen Kleid, das ihr die Kostümbildnerin besorgt hat.
„Und ich durfte dann undercover unter den ganzen Mädels sitzen und es einfach nur kennenlernen, die Frauen kennenlernen, ihre Geschichten kennenlernen, was sie dazu geführt hat, mit welcher Selbstverständlichkeit man einfach die Arbeit ausführt und wie trist es auch da drinnen ist.“
Diese Art der Recherche sei unglaublich wichtig gewesen, sagt die Schauspielerin, so etwas könne man in keinem Buch nachlesen.
„Mit einigen Männern habe ich gesprochen, andere, die mich dann mit auf ihr Zimmer nehmen wollten, zu denen habe ich gesagt, das gehört nicht in mein Konzept, und damit ging es auch. Dann ist er zum nächsten Mädchen gegangen und hat sie sich unter den Nagel gerissen.“
Ihr Freund, ein Kölner Grafikdesigner, mit dem sie eine Wochenendbeziehung führt, hat sich natürlich Sorgen gemacht, die Recherche aber schließlich akzeptiert. Ihre Mutter und ihr Stiefvater, bei denen sie immer noch in Prenzlauer Berg wohnt, hätten anfangs zwar etwas Schwierigkeiten mit den Nacktszenen im Film gehabt, waren dann aber doch sehr stolz auf sie.
Irina Potapenko ist auf der Halbinsel Krim, in der Kleinstadt Kerch, am Schwarzen Meer aufgewachsen. Ihr Vater hat eine Baufirma, die Mutter zusammen mit ihrer Tante ein Restaurant. Es ist eine unbeschwerte Kindheit am Meer.
Irina Potapenko erzählt sehnsüchtig von den unglaublich heißen Sommern, in denen die Kinder jeden Tag schwimmen gegangen sind und von alten Leuten, die vor ihren Häusern sitzen.
„Wir haben dann irgendwann mal angefangen, uns kleine Shows für die Omas und Opas auszudenken, haben Lieder, Leute, Komödianten nachgemacht aus dem Fernsehen, und sie saßen dann vorne auf ihren Bänken und haben Sonnenblumenkerne gekaut und uns zugeschaut. Es war schön, die Aufmerksamkeit zu haben, und als Kind dachte ich mir, na dann werde ich das machen.“
Als sie acht Jahre alt ist, trennen sich die Eltern. Ihre Mutter verkauft das Restaurant und geht mit ihr nach Berlin, um ihr eine bessere Zukunft zu bieten.
Mit zwölf spielt Irina Potapenko an einem kleinen russischen Kammertheater. Dort wird Frank Castorf auf sie aufmerksam, der für Dostojewskis „Erniedrigte und Beleidigte“ an der Volksbühne gerade ein russisches Mädchen sucht. Sechs Jahre bleibt sie an der Volksbühne, genießt die familiäre Stimmung am Theater.
„Mit 14 bin ich an die Volksbühne gekommen, aber ich hatte sehr verständnisvolle Lehrer und eine sehr gute Direktorin, die mir immer frei gegeben hat. Um elf wurde ich von der Schule befreit, bin dann zu den Proben gefahren, dann nach Hause, Schulaufgaben gemacht. Das hat schon ein bisschen Energie und Kraft gekostet, aber es hat Spaß gemacht, und deswegen konnte man das machen die ganzen Jahre.“
Irina Potapenko hat in den letzten beiden Jahren viel gegrübelt, ob ihre große Leidenschaft auch als Beruf das Richtige ist, denn leben kann sie davon noch nicht. Zum Interview kommt sie erst um 22 Uhr nach ihrer Schicht in einem Restaurant. Aber seit sie sich entschieden hat, dass sie nichts anderes machen möchte, geht es ihr viel besser. Und andere Berufe könne sie ja schließlich als Schauspielerin ausprobieren.
„Außerdem ist es unglaublich spannend, sich ständig in andere Charaktere zu versetzen und mit seinem eigenen Wesen zu spielen. Man lernt auch unglaublich viel bei dem Beruf. Man macht Erfahrungen, die man sonst nirgendwo macht, zum Beispiel diese Bordellgeschichte. Es muss ja nicht unbedingt Prostituierte sein, es hätte ja auch ein Archäologe sein können. Man hat einfach die Möglichkeit, das Leben aus vielen Perspektiven zu sehen.“