Und wie läuft's?

Sie wurde beschlossen und verkündet - die Föderalismusreform I. Und wie wird sie nun in den Bundesländern praktiziert? Arbeiten die Bundesländer nun eifrig an einheitlichen Bildungsstandards? Wie gehen die Länder mit der finanzpolitischen Eigenverantwortung um? Siegt im Konkurrenzkampf der Bundesländer nur das finanziell stärkere? Und (nicht zuletzt!): Sieht der Bürger denn nun klarer, wann Landes- oder Bundesrecht gilt?
Mecklenburg-Vorpommern
Von Almuth Knigge

Vom Bayern-München-Effekt war die Rede, als die erste Stufe der Föderalismusreform in Kraft getreten ist. Die "Bayern" kaufen bekanntlich finanzschwächeren Klubs hoffnungsvolle Spieler ab und bauen damit ihre Spitzenposition in der Bundesliga aus; die ärmeren Vereine tummeln sich dann am Tabellenende oder steigen ab. Was beim Fußball hingenommen werde, wird auf staatlicher Ebene weiter zu Lasten einheitlicher Lebensverhältnisse in Deutschland gehen – befürchtete man in Mecklenburg-Vorpommern und legte als einziges Bundesland sein Veto gegen die Föderalismusreform I ein. Bestimmt nun tatsächlich Konkurrenz statt Kooperation den politischen Alltag?

Geld schießt Tore – das musste Bundesligaaufsteiger Hansa Rostock schmerzlich erfahren, als die Hansakogge am Anfang der Saison erwartungsgemäß gegen Rekordmeister Bayern München auf dem grünen Rasen unterging. Ähnlich, so befürchteten Politik und Verbände, würde es öffentlichem Dienst und den Hochschulen gehen, wenn die Föderalismusreform 1 umgesetzt wird, so der Chef der Staatskanzlei in Schwerin, Reinhard Meyer.

"Für Mecklenburg-Vorpommern, finanzschwaches Land, natürlich die Gefahr, dass gute Leute möglicherweise abwandern, in andere Länder, was wir immer thematisiert haben, was wir negativ finden."

Die Länder haben seit einem Jahr die Regelungshoheit über die Angehörigen ihres Öffentlichen Dienstes bis hin zur Festsetzung der Besoldungshöhe und der Arbeitskonditionen für ihre Beamten. Der Abwerbung von Spitzenkräften aus Bildung, Wissenschaft und Verwaltung, so sieht es Dieter Knecht vom Deutschen Beamtenbund, sei dadurch Tür und Tor geöffnet.

"So ist es ist in der Tat so, dass wir ja von Anfang an die Art und Weise der Föderalismusreform versucht haben zu bekämpfen, weil wir diese Konkurrenzsituation vorausgesehen haben, die seitens der Politik ja immer negiert wurde."

Ein Jahr nach der Föderalismusreform I hat zwar noch kein Exodus von Beamten aus dem Nordosten in den Süden eingesetzt – aber für die Zukunft, sagt Knecht, sei das zu erwarten. Bereits in fünf Jahren könnte ein Engpass entstehen. Zu diesem Zeitpunkt gehen zum Beispiel fast 50 Prozent der Verwaltungsbeamten im Innenministerium in Pension. Und schon in diesem Jahr bezahlt Bayern seinen Beamten drei Prozent mehr Gehalt.

"Man muss sich vor Augen halten, die Wirtschaft steht ja vor der selben Situation. Und die Wirtschaft durch ihre Kraft, auch flexibel monetär sach ich mal, zu reagieren auf Personalengpässe, die wird enorm sein. Und da wird der öffentliche Dienst wird belächelt. In dem Moment, wo es hier um 2,9 Prozent vielleicht geht, da sagt die Wirtschaft: Pass auf, ich leg dir 15 Prozent drauf, kommst zu mir - wenn es gute Leute sind."

In solch einem doppelten Wettbewerb muss der finanzschwache Nordosten zwangsläufig den Kürzeren ziehen. Um das zu verhindern, haben sich die fünf Küstenländer zusammengeschlossen, um ein einheitliches Dienstrecht und eine einheitliche Besoldung zu entwickeln. Statt zurzeit vier Laufbahnen wollen sie ein Dienstrecht mit zwei Laufbahnen entwickeln, in denen ein Aufstieg schneller und einfacher funktioniert. Der höheren Besoldung im Süden soll eine attraktivere Laufbahn im Norden entgegengesetzt werden. Auch Sachsen-Anhalt beobachtet die Entwicklung sehr interessiert.

"Ich hab das bei dem Ministerpräsidenten Böhmer gesehen, von Sachsen-Anhalt, dass der die Hand mit erhoben hat, der Böhmer, und sagt jetzt: Wir müssen große Gebilde schaffen, damit uns das nicht alles ausufert. Das ist Schizophrenie pur und das müsste eine Ohrfeige in jedes Gesicht der Matadore dieser Föderalismusreform sein."

Konkurrenz befürchtete Mecklenburg-Vorpommern auch im Bereich der Umweltpolitik. Logischerweise wird dort investiert, wo geringere Standortanforderungen geringere Investitions- und Produktionskosten zur Folge haben. Doch auch in diesem Bereich gab es vor kurzem einen Zusammenschluss – per Staatsvertrag wurde zum Beispiel ein einheitliches und abgestimmtes Handeln in Hochwassersituationen vereinbart. Viel Lärm um nichts also?

"Also bei der Föderalismusreform 1 kann man als kurzes Fazit eigentlich wirklich feststellen: Es gab viel Lärm, es gab lange Diskussionen, in der Substanz ist relativ wenig bei rausgekommen."

Erklärt der Chef der Staatskanzlei in Schwerin, Reinhard Meyer. Deshalb liegt jetzt bei der zweiten Runde auch wieder das Thema Steuerautonomie auf dem Tisch – das wäre so, als würde man einen Rekonvaleszenten gegen einen Hochleistungssportler antreten lassen, so Meyer. Um zum Beispiel 100 Euro Mehreinnahmen aus der Einkommenssteuer pro Einwohner zu erzielen, müsste Mecklenburg-Vorpommern einen Zuschlag von 10,5 Prozent auf die Einkommenssteuer erheben, Hamburg dagegen nur einen Zuschlag von 2,8 Prozent, also nur ein Viertel.

"Wir haben in der Föderalismusreform-1-Debatte ein klares Nein gesagt zu einem Steuerwettbewerb. Und das war auch die Mehrheit der Länder, die sich dagegen geäußert hat. Insofern ist es für uns schwer hinzunehmen, dass jetzt im zweiten Teil der Debatte die Steuerdiskussion wieder auf die Tagesordnung kommt, weil wir immer gesagt haben: Es ist schwierig das, was in ersten Teil keine Mehrheit gefunden hat, jetzt wieder zu diskutieren, weil das Ergebnis ist absehbar."


Saarland
Von Tonia Koch

Mehr Wettbewerb zwischen den Ländern, das ist eine der Zielsetzungen der ersten Stufe der Föderalismusreform. Sie soll die Handlungsfähigkeit der Länder stärken und den Ländern zu mehr Entscheidungskompetenz verhelfen. Dabei ging am 1. September 2006 auch das Besoldungs- und Versorgungsrecht für Beamte auf die Länder über. Die Entscheidung bleibt nicht ohne finanzielle Auswirkungen, denn in allen Ländern machen sich die Haushälter Sorgen um beständig steigende Peronalkosten. Aber was machen denn nun die Länder mit ihrer neuen Freiheit? Steht sie nur auf dem Papier oder wird sie auch praktisch genutzt? Zum Beispiel zur Sanierung der Länderhaushalte? Tonia Koch hat sich im Saarland umgesehen.

Es ist 12 Uhr 30. Zeit für Beamte und Angestellte aus den umliegenden Verwaltungen der weihnachtlich geschmückten Innenstadt von Saarbrücken einen kurzen Besuch abzustatten. Aber die Menschen halten sich zurück. Sie sind nicht wirklich in Kauflaune. Dafür gibt es einen guten Grund, sagt der stellvertretende Vorsitzende des saarländischen Beamtenbundes Ewald Linn.

"Das Weihnachtsgeld wurde ja seit 2003 jetzt schon zum zweiten Mal gekürzt. Und für die Beamten bedeutet dies einen Einkommensverlust bei den Sonderzahlungen von 83 Prozent auf zirka 30 Prozent."

Die saarländischen Beamten sind nicht allein. Auch in den anderen Bundesländern wurde von den neuen Möglichkeiten, die Besoldung der Beamtinnen und Beamten in eigener Regie zu regeln, Gebrauch gemacht. Im Vorgriff auf die erste Stufe der Föderalismusreform war bereits eine sogenannte Öffnungsklausel vereinbart worden. Diese erlaubte es den Ländern zunächst an der Stellschraube Sonderzahlungen zu drehen. Und sie taten es. In den meisten Fällen wurde das Weihnachtsgeld anteilig gekürzt. Alles in Abhängigkeit der Haushaltslage der Länder. Und die Notlage ist im Saarland besonders ausgeprägt. Deshalb fürchteten die Beamten hierzulande auch, dass auf ihrem Rücken weiter gespart werde. Doch nach zwei Nullrunden gibt es nun für die saarländischen Beamten Entwarnung

"Wir sind natürlich froh, dass die Landesregierung ihre landespolitischen Möglichkeiten genutzt hat, nämlich den Beamten eine lineare Erhöhung von 2,9 Prozent 2008 zu geben. Wenn auch nicht zum 1. Januar, so doch zum 1. April."

2,9 Prozent kosten den saarländischen Finanzminister 2,25 Millionen Euro im Monat Er spart also rund sieben Millionen, wenn er die Bezüge seiner Landesbediensteten erst zum Frühjahr erhöht. Angesichts einer Gesamtschuldenlast des Landes von bald zehn Milliarden Euro stellen die sieben Millionen kein bahnbrechendes Einsparpotenzial dar. Es ist jedoch nicht so sehr die Summe, sondern der Faktor Zeit, der eine Rolle spielt. Denn das Saarland klagt vor dem Bundesverfassungsgericht auf zusätzliche Hilfen zur Behebung seiner finanziellen Schieflage. Eine Erhöhung der Beamtenbezüge passt daher nicht ins Bild, auch wenn die meisten Bundesländer ähnlich verfahren und lediglich der Berliner Finanzsenator erklärt hat, dass er bis 2010 keine Spielräume für Einkommenssteigerungen sieht. Peter Jacoby, der saarländische Finanzminister, verteidigte in der Haushaltsdebatte vergangene Woche sein Vorgehen. Das Saarland müsse, was die Ausgabendisziplin anlange, den Vergleich nicht scheuen.

"Wir sind für ein Benchmarking öffentlich eingetreten: Wer leistet sich was wofür? Wir stellen uns jedem Vergleich im Blick auf die Länder und natürlich auch den Bund."

Die Opposition - wie sollte es anders sein - zeigte sich nicht davon überzeugt, dass der Finanzminister diesem Vergleich auch standhalten könne. Die Ministerialbürokratie sei von der mit absoluter Mehrheit regierenden CDU in den vergangen Jahren aufgebläht worden. Was den einzelnen Beamten beträfe, da habe der Finanzminister jedoch richtig gehandelt. Christoph Hartmann, Fraktionschef der FDP im saarländischen Landtag, und Ulrich Commercon, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD:

"Natürlich müssen wir schauen, dass unsere Beamten noch motiviert sind, dass wir gute Leute hier halten, dass sie nicht abwandern."

Commercon: "Wir haben al saarländische Sozialdemokraten genau aus diesem Grund diesen Punkt in der Föderalismusreform I abgelehnt, weil wir gesagt haben, es darf keinen Wettbewerb zwischen den Ländern um die Beamten geben darf, dass Beamte in dem einen Bundesland schlechter bezahlt werden als in dem anderen."

Die Aufwendungen für die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes belaufen sich im saarländischen Haushalt bereits jetzt auf 38 Prozent. Und sie werden weiter steigen, weil die Zahl derer, die in absehbarer Zeit ein ruhestandfähiges Alter erreichen, noch nie so hoch war wie jetzt. Das heißt, ob im Saarland oder anderswo, die Ruhestandsbezüge werden sich zu einen enormen Problem auswachsen. Chronisch klamme Länder wie das Saarland können nicht mehr reagieren. Es hilft ihnen deshalb auch nicht, dass die Beamtenbesoldung seit September des vergangen Jahre reine Ländersache ist. Denn die Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten bleibt bestehen – leere Taschen hin oder her. Um den saarländischen Haushalt zu sanieren, muss das Land von alten Schulden befreit werden. Das kann nur die zweite Stufe der Föderalismus-Reform. Aus eigener Kraft schafft das Saarland es nicht.


Die Bildung
Anke Petermann

Kurz vor Weihnachten 2004 scheiterte der erste Versuch einer Einigung bei der Föderalismusreform I – am Einspruch des hessischen Ministerpräsidenten in einer eher untergeordneten Bildungsfrage. Am 30. Juni 2006, nach sieben Jahren Verhandlungen, kam sie dann zustanden, die Föderalismusreform I. Die Bildungspolitik ist nun weitgehend ausschließlich Ländersache. Die große Einigkeit ist damit aber noch nicht in die Länder eingezogen, der Streit um das Zentralabitur hält an. Beispiel Hessen. Dort ist man für ein Zentralabitur im eigenen Land, nicht aber auf Bundesebene. Und von einheitlichen Rahmenlehrplänen will Hessen auch nichts wissen. Hessen, die Länder und die Bildung.

Die eine gehört im Westen zur politischen Prominenz, die andere ist im Osten ein No Name. Hessens Bildungsministerin Karin Wolff, CDU, und Sofie, Abiturientin in der Sachsen-Hauptstadt Dresden sind sich einig: Oberstufe und Abiturprüfung fallen im föderalen Deutschland sehr unterschiedlich aus.

"Es gibt Länder, die haben Grundkurse Deutsch oder Mathematik mit drei Stunden, andere haben vier Stunden. Die Leistungskurse schwanken zwischen vier und sechs Stunden."

Sofie: ""In manchen Ländern gibt es drei Leistungskurse, bei uns gibt es zwei. Bei uns kann man nur bestimmte Leistungskurse als Kombination wählen, in anderen Ländern kann man Kochen und Sport als Leistungskurse wählen und das ist ja einfach nicht vergleichbar."

Und deshalb nicht gerecht, meint Sofie. Denn bei zulassungsbeschränkten Studiengängen mit Numerus Clausus und bei Bewerbungen in der Wirtschaft seien Sachsen mit ihrem schwierigeren Abitur benachteiligt. Das erkennt auch der sächsische Bildungsminister Steffen Flath von der CDU als Problem. Deshalb will er seinen Schülern per Zentralabitur gerechtere Startchancen in Studium und Beruf verschaffen. Doch bislang scheiterte er mit seinem Vorstoß – sowohl in der Kultusministerkonferenz als auch beim Bundesparteitag der CDU. Und das obwohl er mit Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Günther Oettinger, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesbildungsministerin Annette Schavan einflussreiche Parteifreunde auf seiner Seite hat.

In der Tat: In Lehrpläne, Schulbücher und das Abitur will sich Hessens christdemokratischer Ministerpräsident nicht reinreden lassen. Das gefährde die Kulturhoheit. Bildungsföderalismus ist Wettbewerb um mehr Qualität, und der sei zu begrüßen - da ist sich Roland Koch mit seiner Schulministerin Karin Wolff einig. Nicht notwendig und nicht umsetzbar finden auch die unionsregierten Länder Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ein Zentralabitur, Bayern schwenkte auch auf diese Position ein. Die regierenden Sozialdemokraten in Bremen und Rheinland-Pfalz sind ebenfalls gegen die einheitliche Abschlussprüfung, eine "Nivellierung" fürchtet die Mainzer Bildungsministerin Doris Ahnen. Doch immerhin verständigten sich die Länderminister vor zwei Monaten darauf, vom Schuljahr 2010/2011 an verbindliche Bildungsstandards für die Oberstufe einzuführen, wie zuvor schon in den Hauptfächern für die Klassenstufen 4, 9 und 10. Damit sei ein "gleichwertiges Abitur für alle Schüler zwischen Kiel und Konstanz" gesichert, konstatiert Karin Wolff, stolz auf den Erfolg des hessischen Vorstoßes bei der Bonner Kultusministerkonferenz.

"Wir beginnen sicherlich optional erst mal mit Deutsch, Mathematik und den Fremdsprachen, das wird die Basis dessen sein, so wie wir das bei den bisherigen auch gemacht haben. Wir werden in den Arbeitsgruppen schnellst möglich solche Kompetenz-Standards beschreiben, die dann länderübergreifend gültig sind und - das ist der zweite Schritt dessen, was wir wollen – im Ländervergleich, in Vergleichsarbeiten abgeprüft werden können. Denn nur dann, wenn tatsächlich bei solchen Vergleichsarbeiten das bewiesen wird, halten sich Länder an diese."

Das Neue an den Standards definiert Hessens Bildungsministerin so:

"Wir haben in Lehrplänen oft beschrieben, was durchgenommen werden soll. Wir wollen in Kompetenzstandards beschreiben, was junge Leute beherrschen können am Ende."

Wenn die Bildungsstandards nach 2010 auch für die Oberstufe greifen, dann sei die Gleichwertigkeit des Abiturs erreicht, meinen Hessen und Nordrhein-Westfalen. Sachsen und Sachsen-Anhaltiner sehen das anders:

"Was wir dann mit der Vergleichbarkeit machen, ist der nächste Schritt. Man kann daraus gemeinsame Prüfungsaufgaben entwickeln, man kann aber auch einen Pool gemeinsamer Aufgaben, also einen Katalog, den man gemeinsam akkreditiert, aus dem die Länder dann unterschiedlich schöpfen, aber in ein und demselben Anspruchsrahmen. Da bin ich offen für weitere Debatten, die Weichenstellung ist wichtig."

Und die, so hofft der Magdeburger Schulminister Olbertz gemeinsam mit seinem Dresdner Amtskollegen Flath und Bundesbildungsministerin Schavan, zielt dann doch auf ein Zentralabitur. Oder wie der parteilose Ressortchef aus Sachsen-Anhalt es lieber formuliert: ein "ländergemeinsames Abitur", das durch Wettbewerb und Übereinkünfte der Länder entsteht, aber ohne zentrale Vorgaben durch den Bund. Berliner und Brandenburger sind schon mal losmarschiert auf diesem Weg. Der Stadtstaat und das Flächenland haben sich auf ein gemeinsames Zentralabitur mit denselben Prüfungsaufgaben von 2010 an geeinigt.


Die Bürger
Von Jens Rosbach

Die Föderalismusreform I – sie ist die umfangreichste Grundgesetzänderung in der Geschichte der Bundesrepublik. Es ging um eine Neuordnung staatlicher Hoheit - speziell um eine Neuregelung des Verhältnisses von Bund und Ländern. Und dennoch: Nur die Wenigsten wissen etwas darüber. Die Materie ist kompliziert und auch noch in Juristendeutsch verpackt, dass selbst viele Politiker so ihre Schwierigkeiten mit der Föderalismusreform I und der Debatte um die Föderalismusreform II haben.

"Ich mache eine Umfrage zum Thema Föderalismusreform. Können Sie mir dazu was sagen?"

"Ahh, äh äah, nicht wirklich. Also ich würde stammeln müssen."

"Wieso?"

"Weil ich mir nichts darunter … hinter ver … vorstellen kann."

Uwe Ullrich runzelt die Stirn, presst die Lippen zusammen und stiert angestrengt ins Leere. Föderalismusreform? Der 46-jährige Passant grübelt auf dem Potsdamer Platz: Ist das ein neuer Zusammenschluss? Ähhhhm: Sind die Bundesländer jetzt vielleicht alle in einem Boot?

"Wahrscheinlich irgendwie auf der gleichen Linie mit Globalisierung oder so."

Nein, eigentlich geht eher um Kleinstaaterei. Um Landesfürsten, die sich mit Bundespolitikern streiten. Uwe Ullrich, von Beruf Finanzbuchhalter, findet das Thema gar nicht "sexy" - genauso wie viele andere, die hier in Berlin-Mitte shoppen gehen.

"Nö, kann ich nischt dazu sagen. Nö!"
"Gar nicht?"
"Nö!, Weeß nicht, wat Sie damit meinen. Puhhhh. Nö. Nee!"

Fragen wir mal jene, die sich mit der Föderalismusreform auskennen sollten: die Politiker, genauer: die Landespolitiker im Berliner Abgeordnetenhaus.

"Da kenne ich mich nun gar nicht aus."

Burgunde Grosse ist Parlamentarierin der SPD. Das Mitglied des rot-roten Regierungslagers gesteht ganz offen: Föderalismusreform, Föderalismuskommission, Bundeskompetenz und "konkurrierende Gesetzgebung mit Abweichungsrecht der Länder" sind nicht ihre Lieblingsthemen.

"Ich sag mal, nicht mal die Parlem ... Parlamentarier wissen alle genau Bescheid. Ich denke, da gibt es ein paar Experten, die sich da sehr gut auskennen und der Rest würde ich mal sagen, der hat auch damit Probleme."

Benedikt Lux ist so ein Experte. Der grüne Oppositions-Politiker studiert nämlich Rechtswissenschaft. So bezeichnet der 25-Jährige die Föderalismuskommissionen lässig als Födkom I und Födkom II.

"Ja, Födkomm ist nicht ein besonders großes Thema meiner Wahrnehmung nach, weil es sau kompliziert ist, dass es sich nicht besonders lohnt damit zu beschäftigen, sagt man. Aber es ist politisch unglaublich wichtig, weil da ne Menge Musike drin ist."

Eine Menge Musike - der Abgeordnete klärt auf: Die Gesetzesreformen bringen den Bundesländern mehr Einfluss, mehr Gestaltungsspielraum.

"Ich muss in meinem Bereich, in der Innen- und Rechtspolitik, damit umgehen. Es trifft vor allem auf das Strafvollzugsgesetz zu, auf das Jugendstrafvollzugsgesetz. Und hier kann man versuchen, politisch dann eigene Inhalte zu setzen und zu sagen: Wollen wir mal nicht den Strafvollzug ein bisschen menschlicher gestalten, wollen wir mal nicht ein bisschen mehr Rechtsschutz im Knast haben und das können wir dadurch machen."

Viel Unwissen über die "Födkomm" herrscht auch auf Bundesebene. Das zumindest beklagen Spezialisten wie Staatsrechtler Hans Meyer. Meyer ist emeritierter Professor der Humboldt-Universität und wurde im Bundestag als Föderalismus-Experte angehört. Eingeladen von einer Fraktion, die seine kritischen Positionen gut fand - und ignoriert von den anderen Fraktionen.

"Die Papiere, die wir gemacht haben, werden nicht von allen gelesen. Was schade ist, denn da stehen wertvolle Dinge drin. Der zweite Punkt ist, die Anhörungen sind keine Diskussionen, das wird ja immer wieder betont. Das heißt, die Fraktion, die mich vorgeschlagen hat, fragt mich. Die Fraktion, die ein anderer vorgeschlagen hat, fragt den. Damit der sagt, was der schon längst geschrieben hat. Wenn wir das als Wissenschaftler betrachten, sagen wir, das ist eine überflüssige Demonstration. Das hättet ihr alles lesen können! Und danach hätten wir darüber debattieren können. Und nicht das wiederkäuen, was man schon geschrieben hat."

Die Föderalismusreform - die Bürger winken ab, die Politiker kommen ins Grübeln, die Experten sind sauer. Manch einer, wie Uwe Döring, hat auch einen Schuldigen für die Misere gefunden. Der Abgeordnete der Berliner Linksfraktion schiebt den Medien alles in die Schuhe.

"Also es gibt kaum Informationen, gucken Sie ins Fernsehen - gibt's kaum Berichte, gucken Sie in die Zeitung - gibt's kaum Berichte, auch im Radio nicht. Es ist wahrscheinlich eher ne Insiderdiskussion und so wird's auch behandelt."