„… und eine geruhsame Nacht“

Von Jürgen Stratmann |
Seit 1991 ist er Mister Tagesthemen. Am Donnerstag moderiert er zum letzten Mal die Sendung. Nachfolger wird Tom Buhrow, zuletzt Korrespondent des Senders in Washington.
„Gong – hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit den Tagesthemen...“

Anne Will: „Willkommen zu den Tagesthemen, an einem dieser Tage, die bedrückende Nachrichten bringen...“

... es ist soweit, der Anchormann zieht den Anker ein, Ulrich Wickert geht ...

" ... ein bisschen spät, meinen Kritiker ...“

... die paar, die es gibt: laut Forsa-Umfrage bedauern die meisten den Weggang dieses „Felsens im Sandsturm der Aktualitäten“, wie Ex-Heute-Journal-Chef Wolf von Lojewski den Konkurrenten vergangener Tage titulierte. Und gestern sickerte durch, dass der Cyrano unter Deutschlands Großjournalisten in seinem Büro sogar kistenweise Liebesbriefe horte –
Herr Wickert, was soll jetzt aus den Absenderinnen werden?

Wickert: „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs ...“

was den Umgarnten nicht weiter aus der Ruhe bringt, ...

" ... .lässige Routine nach 15 Jahren bei den Tagesthemen ...“

15 Jahre – die erste Sendung war am 1. Juli 1991. Seine Vita: abenteuerlich! Geboren in Tokio, lernt er als Diplomatensohn früh die Welt kennen, geht später als ARD-Korrespondent nach Washington, dann nach Paris – wohl mit besonderem Vergnügen: Im letzten Jahr wurde er für seine Verdienste um die deutsch-französischen Beziehungen zum Offizier der Ehrenlegion befördert!

Überhaupt verfügt Ulrich Wickert über eine Fülle von Titeln, wie man sie sonst nur im europäischen Hochadel vorfindet: Mr. Tagesthemen ist der gängigste, und neben seinem Rang als „Officier de la Legion d´honneur“ wurde ihm beispielsweise im letzten Jahr zum „Krawattenmann 2005“ erkoren – dank Stilsicherheit auch im Auftritt. Nach eigenem Bekunden hat sich auch Nachfolger Tom Buhrow bezüglich Tagesthemen-adäquater Garderobe an den Vorgänger gewandt:

Zitat „Richter aus Paris“ (Wickert): „... er fühlte sich unwohl, fremd, schon allein, weil sein grauer Anzug viel zu elegant war ...“

... was sich allerdings nicht auf eventuelle Styling-Probleme des Kollegen bezieht, sondern ein Zitat aus Wickerts Krimi-Bestseller „Ein Richter aus Paris“ ist – als Literat bleibt er dem TV-Publikum übrigens mit dem Magazin „Wickerts Bücher“ erhalten!

Aber davon ab: die ernste Lässigkeit und der knorrige Humor Ulrich Wickerts haben anderthalb Dekaden lang die Sendung geprägt – jetzt kommt der Neue ...

Wickert: „... und – jawoll meine Damen und Herren, Sie haben es geahnt – dann wird auch etwas passieren...“

Was wird sich also ändern? Sicher jene rätselhafte Schlussformel, bei der man nie wusste: Ist das jetzt ein versöhnlich Fernseh-onkeliger Sandmännchentrost? Oder klingt da nicht doch ein Hauch Zynismus eines Mannes durch, der seinen Zuschauern kurz vorm Schlafengehen noch einmal alles Elend dieser Welt auseinanderdividiert? Morgen hören wir sie zum letzten Mal:

„Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Abend und eine geruuhsame Nacht, bis dahin ...“