Und der Goldene Löwe geht an ...

Von Marli Feldvoß · 06.08.2007
1932 starteten die weltweit ersten Filmfestspiele in Venedig mit 26 Filmen aus sieben Nationen. Das ursprünglich als faschistische Propagandaveranstaltung konzipierte Festival blieb bis 1946 einzig und führend. Dann traten die Festspiele von Cannes auf den Plan.
""Diese verdammte Schießerei. Seit drei Monaten hört man immer nur dieses Bumm, Bumm, Krach. Wer kommt denn heute schon wieder an, Herr Bürgermeister? Heute der König von Preußen. Morgen Alexander von Rußland. Dann sind alle Fürsten Europas in Wien versammelt. Himmlisch!""

Die deutsche Komödie "Der Kongreß tanzt" – ein Leichtgewicht auf dem weltweit ersten Filmfestival, das am 6. August 1932 in Venedig eröffnet wurde. Zwei weitere deutsche Beiträge, Leni Riefenstahls Regiedebüt "Das blaue Licht" und Leontine Sagans "Mädchen in Uniform", konnten sich neben dem Großaufgebot amerikanischer Prominenz behaupten. Frank Capra, Howard Hawks, Ernst Lubitsch, King Vidor. Als Eröffnungsfilm lief Rouben Mamoulians "Dr. Jekyll and Mr. Hyde". Frankreich war mit Klassikern von Rene Clair und Julien Duvivier vertreten. Im Freilichtkino auf der Terrasse des Hotels Excelsior am Lido flimmerten in 15 Filmnächten 26 Filme aus sieben Nationen über die Leinwand und zogen 25 000 Besucher an. Das neue Filmfestival unter der Leitung von Conte Guiseppe Volpi di Misurata, einem Sympathisanten des faschistischen Staats, war Teil der bereits bestehenden Kunstbiennale:

"Zum ersten Mal hat eine große Kunstausstellung ihre Tore fürs Kino geöffnet. Filme sind zwar schon früher auf Ausstellungen gezeigt worden, aber dieses Mal geschieht es unter dem Vorzeichen des Künstlerischen und mit dem Zweck, dem Kino den Platz unter den Künsten einzuräumen, der ihm gebührt."

Bereits bei seiner zweiten Ausgabe 1934 nahm das Festival heutige Formen an: Eingeführt wurden der Wettbewerb und die Preisvergabe des "Coppa Mussolini" für den besten ausländischen sowie italienischen Film –1949 ersetzt durch den Prestigepreis "Goldener Löwe". Neu waren die internationale Jury und der Palazzo del Cinema, der heute noch treue Dienste tut.

Das fortan jährliche Festival boomte in der zweiten Hälfte der Dreißiger Jahre, wenn die Dauergäste auch faschistische Uniformen trugen und die Preise den Propagandafilmen vorbehalten blieben. Während man 1938 zur ersten großen Retrospektive des französischen Kinos lud, nahm Leni Riefenstahl den ersten Preis für ihren "Olympia"-Film entgegen:

"Sie wundern sich wie spät. Alle Leute verstehen nicht, warum der ‚Olympia-Film’ so spät kommt. Wir haben 400 000 Meter Material gedreht und das macht eine ganz wahnsinnige Arbeit, dieses zu sortieren, einzuordnen und daraus einen Film zu machen."

1946 übernahm das neu gegründete Festival International de Film in Cannes die Führungsrolle in der Kinowelt. Die Mostra del cinema verstand sich als "Festival der Avantgarde", obwohl sich das linkslastige italienische Filmmilieu noch lange mit dem faschistischen Erbe herumplagte. Am Lido entdeckte man alle und alles, was in den letzten fünfzig Jahren Rang und Namen hatte. Resnais, Kurosawa, Godard, das italienische Kino von Rossellini bis Bertolucci, den neuen deutschen Film mit Wenders, Trotta, Fassbinder. Zum endgültigen Bruch mit der Vergangenheit kam es 1968, sogar die Löwenvergabe wurde bis 1980 eingestellt. Aber das Festival sammelte wieder neue Kräfte und – nach langer Durststrecke – war auch der deutsche Autorenfilm wieder da. 1995 erhielt Götz George den Schauspielerpreis für "Der Totmacher":

"Der Film hat ja eine ganz große Spannkraft. Das hat man gestern gesehen bei 500 geladenen Journalisten aus aller Herren Länder, wo ja nur 100 Italiener dabei waren, dass die nicht aufgestanden und rausgegangen sind. Das hätte ich ja vermutet, als ich gemerkt habe, dass der nur Italienisch untertitelt war. Nein mitnichten. Sie blieben alle und haben nicht mal gehustet."

Einen großen Popularitätssprung machte das Festival in den neunziger Jahren unter der Leitung von Gillo Pontecorvo. Er wagte den Spagat zwischen Autorenfilm, amerikanischem Blockbuster und Glamour und holte das junge Publikum zurück an den Lido. Ein Problem des Festivals blieb der Verschleiß an Direktoren. Seit 2004 hält Marco Müller die Fäden in der Hand, macht sich für das asiatische Kino stark und für ein neues Festivalpalais. Seitdem ist das aufgeblähte Festival auf Diät gesetzt, die Zahl der Langfilme für 2007 ist auf 60 Titel begrenzt.