Unbekannte Köstlichkeiten

Rezensiert von Susanne Nessler |
Jedes Land hat seine Spezialitäten. Doch nicht jedes Land pflegt seine kulinarischen Schätze. In Deutschland sollen Flusskrebse, Rübchen und Moorschnucken regionale Spezialitäten sein. Nur weiß das hierzulande kaum jemand. Die Journalistin Sabine Herr hat jetzt ein Buch über die unbekannten Köstlichkeiten aus deutschen Landen geschrieben, das diese vergessenen Lebensmittel wieder in das Bewusstsein der Verbraucher bringen will.
Im Supermarkt wird man sie nicht finden - die Lebensmittel, um die es in diesem Buch geht: Moorschnucken aus Niedersachsen, Flusskrebse aus der Eifel oder Mohrenköple, Schwäbisch-Haller Urschweine leben zwar in unserer direkten Umgebung, den Weg in den Lebensmittelhandel und damit auf den Esstisch des Verbrauchers schaffen sie aber kaum.

Regionale Produkte – früher die Basis der Ernährung – sind heute nur noch bei ausgemachten Feinschmeckern zu finden. Welche Gründe hinter dieser Entwicklung stehen, zeigt die Autorin Sabine Herre. Die Normierung der Agrarlandschaften durch gesetzliche Vorschriften ist ein entscheidender Faktor für das Verschwinden regionaler Produkte. Ein zweiter nicht minder wichtiger, das Verhalten der Verbraucher.

Die Autorin ist Journalistin und so liegt der Schwerpunkt ihres Buches nicht nur im Wiederentdecken kulinarischer Traditionen, sondern vor allem in der Erklärung der Zusammenhänge, die für das Verschwinden dieser verantwortlich sind.

Das Buch ist eine Mischung aus Sach- und Kochbuch, das wie ein Band Kurgeschichten erzählt ist. Anregend, informativ und durchaus köstlich. Die kurzen Kapitel widmen sich nach Regionen geordnet immer einem Nahrungsmittel. Erklärt werden Herstellung, Historie und Aspekte aus der Ernährungswissenschaft.

Es sind liebevoll geschriebene Geschichten mit einem Schuss Humor und vielen kleinen Details aus der Heide, von der Alm und der See und den Menschen, die sich auch heute noch mit der Herstellung regionaler Produkte beschäftigen. Das Buch gibt einen umfassenden Blick, vom Bayerischen Klosterbier bis zum Teltower Rübchen.

Eine kulinarische Entdeckungsreise durch Deutschland, spannend erzählt, auf der der Leser immer wieder auch auf Kurioses trifft. Ach, das kann man essen, wundert man sich zuweilen, zum Beispiel, wenn es um die Würze von Heu geht. Dabei geht es nicht nur um Bioprodukte und ökologischen Anbau, sondern auch um die Frage: Was zeichnet eine nachhaltige Ernährungskultur aus?

Der Küchentisch der Deutschen ist zu mehr 80 Prozent mit Nahrungsmitteln aus Massenzucht und Massenanbau gedeckt. Regionales erreicht heute kaum ein fünftel der Bevölkerung. Globalisierung, Preiskämpfe und Bürokratie verhindern, dass das, was vor der Haustür wächst, von mehr als nur ein paar Liebhabern wahrgenommen wird. Der Großzahl der Konsumenten fehlt hier das Problembewusstsein, klagt die Autorin. Dieses zu schärfen, ist ihr Anliegen.

Doch am Ende der Lektüre dürften nicht nur Kenner der guten Küche, das Buch mit schlechten Gewissen zuschlagen. Viele der regionalen Nahrungsmittel bekommt man auf dem Markt nicht zu sehen, wie sie schmecken bleibt ein Geheimnis. Die kulinarischen Kurzgeschichten, serviert wie Appetithäppchen, genießt man deshalb am besten, in dem man die Realität ausblendet. Oder aber sich auf den Weg direkt zum Hersteller macht. Ein ausführliches Adressverzeichnis und zahlreiche Rezepte finden sich dazu im Anhang.

Sabine Herre: Flusskrebse, Rübchen und Moorschnucken
Deutschland regionale Spezialitäten neu entdeckt

Klett Cotta
Seiten 267, 19 Euro