"Unabhängigkeit der Institution wahren"
Moderation: Susanne Führer und Marie Sagenschneider · 18.03.2006
Die Vorsitzende des Nationalen Ethikrates, Kristiane Weber-Hassemer, hat Pläne von Bildungsministerin Annette Schavan begrüßt, dem Nationalen Ethikrat ein gesetzliches Fundament zu geben. Wenn Schavan meine, die Unabhängigkeit werde so am besten gewahrt, sei dies "sehr gut nachvollziehbar", sagte Weber-Hassemer.
Deutschlandradio Kultur: Frau Weber-Hassemer, fünf Jahre gibt es den nationalen Ethikrat, dessen Vorsitzende Sie seit einem knappen Jahr sind. Nach einem Start damals vor fünf Jahren, der recht umstritten war, will die neue Bildungs- und Forschungsministerin Annette Schavan dem Ethikrat sogar erweiterte Kompetenzen einräumen. Zeit und Grund genug, heute eine kleine Zwischenbilanz zu ziehen. Sie sind seit fünf Jahren im Ethikrat dabei. Hat es sich gelohnt?
Kristiane Weber-Hassemer: Unbedingt und ohne jede Einschränkung. Ganz abgesehen davon, dass ich sehr viel dabei gelernt habe, sind wir in den Diskussionen insgesamt sehr viel weiter gekommen.
Deutschlandradio Kultur: Der Ethikrat hat seit seiner Gründung acht Stellungnahmen abgegeben, unter anderem zur Stammzellforschung und zum Klonen. Würden Sie nach diesen fünf Jahren sagen, dass Sie auch politische Entscheidungen beeinflusst haben?
Weber-Hassemer: Das ist sehr schwer messbar, die Ethikräte überall in der Welt stellen sich diese Frage. Man kann den Einfluss nicht genau quantifizieren. Aber ich denke, wir haben dazu beigetragen, die politischen Gremien und Institutionen hellhörig zu machen - natürlich nur als eine Stimme unter anderen. Wir haben kein Beratungsmonopol gehabt.
Deutschlandradio Kultur: Aber Sie können jetzt nicht aufzeigen, wo Stellungnahmen von ihnen direkt in die Gesetzgebung eingegangen sind?
Weber-Hassemer: Doch, das hat es gegeben, bei der Biopatentrichtlinie sind unmittelbar im Parlament noch mal Änderungsvorschläge gemacht worden, entsprechend unseren Vorschlägen.
Deutschlandradio Kultur: Worum geht es bei der Biopatentrichtlinie?
Weber-Hassemer: Es geht um die Frage, inwieweit beim Menschen ein Patentschutz möglich ist, was beim Menschen patentierbar ist - so, wie es das bei Pflanzen und Tieren gibt. Insbesondere ging der Streit in Europa um das menschliche Genom.
Deutschlandradio Kultur: Der Ethikrat hat 25 Mitglieder, es sind ganz unterschiedliche Richtungen vertreten: Naturwissenschaftler, Theologen, Juristen - wie Sie -, Philosophen, auch ein Gewerkschafter. Was zeichnet denn diese Personen aus, warum sind ausgerechnet die im Ethikrat, was können sie mehr als andere?
Weber-Hassemer: Es zeichnet sie aus, dass sie in ihren Funktionen oder in ihrem Fachgebiet besonders gut sind, also eine herausgehobene Qualifikation haben. Wir haben schließlich auch die einzige deutsche Nobelpreisträgerin aus den letzten Jahren dabei.
Deutschlandradio Kultur: Christiane Nüsslein-Volhard.
Weber-Hassemer: So ist es. Es zeichnet die Mitglieder aus, dass sie Interesse haben an interdisziplinärem Denken und Arbeiten. Denn das Besondere eines Ethikrats ist das Interdisziplinäre, dass die Sicht aus den verschiedenen Professionen zusammengeführt wird. Und wir unterscheiden uns ja nicht nur in ethischen Grundeinstellungen, sondern auch in dem absolut professionell verschiedenen Zugang. Ein Theologe und ein Naturwissenschaftler haben einen anderen Sprachzugang, einen anderen Denkzugang, selbst dann, wenn sie ethisch unter Umständen nahe beieinander sind. Aber wenn das obendrein auch nicht der Fall ist, dann ist das ein in dieser Form selten anzutreffendes interdisziplinäres Arbeiten.
Deutschlandradio Kultur: Sie haben also einen hervorragenden Mediziner, einen hervorragenden Theologen, exzellente Juristen - wie Sie vielleicht -, trotzdem: Was befähigt Sie dazu, dass Sie jetzt die Person sind - Mitglied im Nationalen Ethikrat - der Nation ethischen Rat zu sein?
Weber-Hassemer: Der Nationale Ethikrat hat natürlich nichts, was ihn derart auszeichnet, dass er als Einziger raten darf. Einen Rat gibt es nicht nur in der Ethik, den gibt es ja bei tausend Dingen. Es befähigt ihn, denke ich, das Bemühen um die ethische Verarbeitung von ganz differenten und nur interdisziplinär zu bearbeitenden Gegenständen. Was den Einzelnen von uns anbelangt, kann natürlich keiner von uns sagen, dass er die besondere, alleinige Kompetenz hat zu raten. Mir hat mal ein Verfassungsrichter gesagt: 'Was können Sie denn schon mehr raten als andere? Ethik gehört jedem Einzelnen allein! Wieso maßen Sie sich an, dazu was zu sagen?' Aber das ist ein Missverständnis der Aufgaben des Ethikrates. Die Ethikräte haben international überall in der Welt praktisch die gleichen Aufgabe: Sie sollen einmal die Gesellschaft informieren, interessieren, die Öffentlichkeit dazu bringen, über bioethische Fragen nachzudenken. Sie sollen zum anderen den interdisziplinären Diskurs bündeln.
Deutschlandradio Kultur: Also zwischen Juristerei und Medizin, Theologie und Philosophie.
Weber-Hassemer: So ist es, weil die ethischen Probleme im Grunde in der Gesamtschau am deutlichsten werden. Und sie sollen drittens dann Empfehlungen aussprechen für politisches Handeln. Alle drei Aufgaben hat der Ethikrat, und Ethik ist nicht das Gleiche wie private Moral. Ethik ist der Versuch, sich zu verständigen über moralische Regeln und die konsensfähig für die Gesellschaft zu diskutieren.
Deutschlandradio Kultur: Trotzdem war die Frage des Herren, den Sie gerade zitiert haben, ja berechtigt, denn Ethik ist nicht etwas, was Expertenstatus genießen kann oder darf in einer Demokratie, wo wir ja alle für unser moralisches oder auch ethisches Handel verantwortlich sind.
Weber-Hassemer: Na ja, es gibt heutzutage Lehrstühle für Medizin und Ethik zum Beispiel, Sie sehen daran, Ethik ist nichts Privates mehr, Ethik ist etwas, was bereits die Wissenschaft von der Moral ist. Ethik ist nicht mehr nur das, was den Einzelnen angeht.
Deutschlandradio Kultur: Ethik war aber nie etwas, was nur den Einzelnen angeht.
Weber-Hassemer: Richtig. Auf der Metaebene versucht sie, verschiedene moralische Positionen aufzubereiten. Es gibt ja auch Lehrstühle für Ethik, daran können Sie sehen, dass Ethik eben nicht nur etwas für das Private ist.
Deutschlandradio Kultur: Ja, Ethik als Moralphilosophie. - Aber bleiben wir noch beim nationalen Ethikrat. Sie befassen sich mit Biomedizin, Bioethik, Naturwissenschaften, aber mit anderen Fragen - die ja auch ethische Aspekte umfassen und eine breite Öffentlichkeit beschäftigen, wie zum Beispiel die Debatte um Folterverbot - befasst sich der Ethikrat nicht.
Weber-Hassemer: Wir hätten uns ganz gerne damit befasst, aber das fällt nicht in unseren Einrichtungserlass, wir sind nur zuständig für die so genannten Lebenswissenschaften. Das ist ausdrücklich bei uns festgeschrieben. Wir sind nicht für den Tierschutz zuständig und auch nicht für Pflanzen, sondern für die Wissenschaften, Biowissenschaften rund um den Menschen. Und dazu gehört das Hineinkommen in das Leben und das Hinauskommen aus dem Leben, Bedingungen der Gesundheitsversorgung, aber auch Biopatentrichtlinien. Das heißt, es geht immer in irgendeiner Weise um die Wissenschaften über die naturalen Bedingungen des Menschen.
Deutschlandradio Kultur: Und Sie haben gesagt, diese Fragen - das sei Ihre Aufgabe im Ethikrat - sollen für die Öffentlichkeit aufbereitet, aufgearbeitet werden.
Weber-Hassemer: Das ist eine unserer Aufgaben.
Deutschlandradio Kultur: Genau, eine Ihrer Aufgaben. Das ist ja aber angesichts dieser sehr komplexen Themen - Lebenswissenschaften hört sich so nett an - sehr schwierig; denn wer kann schon aus dem Stegreif erklären, was eine Stammzelle ist oder worum es bei der Polkörperdiagnostik geht, damit haben Sie sich auch befasst. Wie meistern Sie diese Schwierigkeit, diese komplexen Themen öffentlichkeitsverdaulich aufzubereiten?
Weber-Hassemer: Das ist tatsächlich schwierig und ich habe dabei auch sehr viel lernen müssen, jeder von uns hat dabei lernen müssen. Wir meistern es in der Weise, dass wir im Plenum diskutieren, worüber wollen wir reden, als nächstes bilden wir Arbeitsgruppen, und in diesen Arbeitsgruppen wird dann das Thema interdisziplinär besprochen, das heißt der Mediziner, der Naturwissenschaftler, der Ethiker, der Theologe äußern sich dazu und machen Vorschläge. Und gerade wegen der Schwierigkeit dauern ja unsere Veröffentlichungen auch so lange. Manche fragen uns: 'Was macht ihr eigentlich die ganze Zeit? Warum braucht ihr für ein Papier ein Jahr?' Deshalb. Weil es eben so schwierig ist diese Dinge von allen Seiten zu beleuchten. Manchmal holen wir uns noch externen Sachverstand. Wir haben vor kurzem Arbeitsrecht gemacht, da geht es um die Frage der prädiktiven genetischen Diagnostik, die unter Umständen ein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer verlangt, der ein Arbeitsverhältnis eingehen will, und in dem Zusammenhang haben wir Arbeitsmediziner gehört.
Deutschlandradio Kultur: Da geht es darum, ob der Arbeitgeber zum Beispiel erfahren darf, dass ich in fünf Jahren Multiple Sklerose bekomme.
Weber-Hassemer: Ja, genau solche Fragen.
Deutschlandradio Kultur: Sie haben gesagt, das ist ein Prozess, aber ist nicht gerade ein so langer Prozess frustrierend, weil man immerzu das Gefühl hat - nehmen wir das Beispiel Klonen - dass die ethische Debatte immer der Wissenschaft hinterherhinkt?
Weber-Hassemer: Sie sprechen da für meine Begriffe ein Kardinalproblem an, aber ich kann’s auch anders wenden: Gerade weil das so ist, braucht man Ethikräte. Die Deutschen sind ja Nachzügler; in praktisch ganz Europa gab es schon Ethikräte, bevor die deutschsprachigen Länder dann nachzogen. Die Wissenschaft läuft immer schneller und praktisch kommt die Gesellschaft kaum hinterher. Eine Wissenschaft ohne Gesellschaft gibt es nicht. Die Wissenschaft ist auf die Gesellschaft angewiesen und die Gesellschaft auf die Wissenschaft. Beides ist kein freier Raum für sich. Ich denke, wir werden die Lücke nie schließen können. Es ist frustrierend, da haben Sie Recht, dass die Wissenschaft schneller läuft und man mit der Ethik praktisch kaum hinterher kommt. Aber wir müssen wenigsten versuchen, diese Kluft nicht immer größer werden zu lassen, sondern versuchen, dass die Gesellschaft, die Politik und wir selbst uns dieser Entwicklung bewusst werden.
Deutschlandradio Kultur: Wir sind Nachzügler, haben Sie gesagt. Von einer anderen Perspektive her könnte man sagen, dass Sie manchmal auch zu schnell sind. Man kann auch den Eindruck gewinnen, dass Sie bisweilen nicht für die Öffentlichkeit, sondern anstelle der Öffentlichkeit über ethische Implikationen diskutieren. Bevor die Diskussion überhaupt in Gang gekommen ist – Beispiel Polkörperdiagnostik -, haben Sie schon Ihre Stellungnahme abgegeben.
Weber-Hassemer: Nachzügler bezog sich auf die Gründung von Ethikräten …
Deutschlandradio Kultur: Ja, und auf den Abstand zu Forschung und Wissenschaft.
Weber-Hassemer: Die Wissenschaft ist ja auch bei der Polkörperdiagnostik schon weiter gewesen, das ist ja das Problem. Und wir sehen, dass das in anderen Ländern gemacht wird, und in irgendeiner Weise müssen wir uns in Deutschland positionieren. Ich glaube nicht, dass wir vorpreschen, sondern wir haben unter anderen die Aufgabe, in der Öffentlichkeit Bewusstsein zu wecken für bestimmte neue Verfahren, für bestimmte neue Erkenntnisse - aus denen sich dann ethische Probleme ergeben können - und die Gesellschaft instand zu setzen, diese ethischen Probleme zu identifizieren. Wir machen es nicht anstatt, sondern wir versuchen für die Gesellschaft die Probleme aufzubereiten. Deswegen unsere Stellungnahmen. Und wir versuchen für die Politik Empfehlungen auszusprechen. Aber es ist niemals so gewesen, dass wir uns ein Thema aneignen, was überhaupt noch nicht in der Wissenschaft und in anderen Ländern diskutiert wird.
Deutschlandradio Kultur: Sie haben gesagt, Frau Weber-Hassemer, man muss sich als Gesellschaft positionieren. Aber wenn man das Thema Stammzellen nimmt, sieht man, wie unterschiedlich das in Europa gehandhabt wird. Welchen Wert hat es dann, wenn Deutschland sagt: Wir sind nicht so richtig dafür oder wenn, dann nur unter bestimmten Bedingungen?
Weber-Hassemer: Das Parlament hat ja seinerzeit bei der Stammzellenforschung in einer ziemlich beeindruckenden Weise einen Weg für sich gefunden. Das war ein mühsamer Kompromiss, den die damals gefunden haben. Es ist zwar richtig, dass wir in einer internationalen und globalisierten Welt diese Probleme nicht auf ein Land begrenzen können. Es ist aber genauso richtig, denke ich, dass ein Land einen eigenen Weg gehen kann, weil es sich kulturell und ethisch oder auch verfassungsrechtlich bestimmten Regeln verpflichtet fühlt, und das kann es nicht einfach übergehen. Es wird das Problem der ganzen nächsten Jahrzehnte sein, dass man einerseits die kulturelle und moralische Identität bei den einzelnen Ländern lässt, und auf der anderen Seite Standards findet, die einigermaßen verträglich miteinander sind, dass jedenfalls zentrale Standards, wie die Achtung der Menschenrechte, weltweit zu beachten sind. Ich erinnere an die brandneue Unesco-Deklaration zu den Menschenrechten und der Bioethik, die genau das thematisiert.
Deutschlandradio Kultur: Beim Klonverbot tut man sich allerdings immer noch schwer.
Weber-Hassemer: Ja, natürlich, das ist klar, das kann sich auch nicht ändern. In einem ganz mühsamen Prozess wird man irgendwann mal zu Standards kommen, die für alle gelten.
Deutschlandradio Kultur: Ein Paradebeispiel für die kulturellen Unterschiede in Europa ist ja auch die Sterbebegleitung, also die Frage der aktiven und passiven Sterbehilfe. Der nationale Ethikrat wird in diesem Frühjahr seine Stellungnahme zur Sterbebegleitung veröffentlichen, Sie haben im vergangenen Jahr die Patientenverfügung schon mal ausgekoppelt und vorgezogen. Was können wir von dieser umfassenderen Stellungnahme zur Sterbebegleitung eigentlich erwarten?
Weber-Hassemer: Sie ist ja noch nicht verabschiedet, wir sind noch bei der Arbeit. Wir befassen uns mit Fragen wie: unter welchen Bedingungen sollte Sterben möglich sein, unter welchen Bedingungen ist es gesellschaftlich akzeptabel, was ist zu respektieren, was ist von der Selbstbestimmung zu halten, was ist von Fürsorge und Solidarität zu halten, wie kann so etwas in Beziehung gesetzt werden? Wir werden sowohl versuchen, uns um die empirischen Vorraussetzungen zu kümmern und um die ethischen. Wir behandeln den Zusammenhang - der ja in einer Gesellschaft sehr schwierig ist - zwischen einerseits Selbstbestimmung und andererseits so etwas wie gesellschaftlicher Solidarität oder gesellschaftlicher Zusammenhalt. Das ist ein ganz schwieriges Thema in unseren Gesellschaften, es wird immer schwieriger, und in diesem Zusammenhang ist es von besonderer Tragweite am Lebensende.
Deutschlandradio Kultur: Das heißt, es soll über die Debatte, die in der Öffentlichkeit über aktive und passive Sterbehilfe geführt wird hinausgehen. Denn ansonsten würde man Sie fragen, wozu braucht man so eine Stellungnahme, da ist die rechtliche Lage ja geklärt.
Weber-Hassemer: Auch das ist nicht ganz richtig. Wir haben zwei entscheidende große Urteile, die betrafen aber Einzelfälle, und standen in einem ganz bestimmten Kontext. Und so geklärt ist die Rechtslage nicht, wäre sie so geklärt, würden die Mediziner nicht um eine rechtliche Präzisierung bitten. Die sehen sich durchaus Risiken ausgesetzt.
Deutschlandradio Kultur: Nun ist es aber so, dass Sie kein Gesetz formulieren. Wenn man sagt, Sie bereiten komplexe naturwissenschaftlich-ethische Fragestellung für die Öffentlichkeit auf, es andererseits aber gerade über Sterbehilfe und Sterbebegleitung in den vergangenen Jahren eine sehr lebhafte und auch sehr sachkundige Diskussion in Deutschland gegeben hat, kann man sich schon fragen, ob es notwendig ist, dass sich der Ethikrat dieses Themas auch noch einmal annimmt?
Weber-Hassemer: Sie haben vollkommen Recht, erstens gab es eine sehr fundierte Debatte und es gibt sie immer noch und viele bemühen sich auch noch darum. Wir meinen, dass wir noch Dinge dazu sagen können, die bisher so nicht gesagt worden sind. Sie dürfen ja nicht vergessen, nahezu alle anderen Stellungnahmen waren nicht voll interdisziplinär. Wir meinen, dass wir da durchaus noch Dinge hinein bringen können, die bisher so noch nicht beachtet worden sind.
Deutschlandradio Kultur: Dem Ethikrat stehen demnächst einige Änderungen bevor, die Bundesministerin für Bildung und Forschung Annette Schavan will den Ethikrat reformieren, das heißt sie will ihn erhalten, was ja bis vor Kurzem nicht unbedingt klar war, weil die Union immer gesagt hat, der Ethikrat war damals Ex-Kanzler Schröders Baby, den braucht kein Mensch. Im Grunde müsste Sie das doch ziemlich erleichtern.
Weber-Hassemer: Wir freuen uns sehr darüber, über die Einzelheiten kann ich im Augenblick allerdings nichts sagen, sie sind mir nicht bekannt. Aber dass der Ethikrat weiter bestehen soll nach der jetzigen Planung, das freut uns sehr und wir meinen, er soll zu Recht weiter bestehen.
Deutschlandradio Kultur: Heiß umstritten ist ja zur Zeit die Frage, ob auch Bundestagsabgeordnete in diesem Ethikrat sitzen werden dürfen oder nicht. Kurz der Hintergrund: Es gab eine Enquetekommission des Parlaments, die wird nicht wieder eingesetzt, in der haben Abgeordnete Sitz und Stimme gehabt. Nun sagt Frau Schavan, dass Abgeordnete in dem Ethikrat keinen Sitz, keine Stimme haben sollen, denn der Ethikrat soll in Zukunft auch das Parlament beraten und was sollte es nützen, wenn jemand drin sitzt, der sich selbst beraten soll. Finden Sie diese Argumentation von Frau Schavan nachvollziehbar?
Weber-Hassemer: Diese Argumentation finde ich sehr nachvollziehbar. Man muss einfach wissen, was man will, man muss wissen, welche Art von Gremium man will. Der Ethikrat ist dem internationalen Standard nachgebildet und der sieht die absolute Trennung von Politik und ethischer Beratung vor. Und die UNESCO-Erklärung, von der ich vorhin sprach, sagt ausdrücklich in ihren Empfehlungen, Ethikkommissionen müssen unabhängig arbeiten. Nun muss man wissen, ob man das als unabhängig ansieht, wenn politische Mandatsträger mit in einem solchen Rat sind. Das muss die Politik entscheiden, ob sie das als unabhängig ansieht. Jedenfalls ist es sehr gut nachvollziehbar, was Frau Schavan sagt, dass die Unabhängigkeit am Besten dadurch gewahrt ist, dass man trennt.
Deutschlandradio Kultur: Aber man fragt sich ja, ob Mitglieder einer Kommission - in dem Fall eben dieser Enquetekommission des Bundestages - sich nicht intensiver mit einer Problematik auseinandersetzen, weil sie einer solchen Kommission angehören. Nun kommt der Ethikrat und sagt: 'Wir haben eine neue Debatte und eine neue Stellungnahme, jetzt hört Ihr Euch das mal brav an.' Die Frage ist, ob diese Diskussion innerhalb eines Gremiums, einer Kommission nicht doch das Thema intensiver für die Politiker erschließt.
Weber-Hassemer: Das will ich nicht ausschließen, deswegen man muss wissen, was man will, ob man das Parlament selbst stärken will oder ob man eine unabhängige Beratung von außen haben will. Ich möchte da in diese politische Debatte, die im Augenblick läuft, nicht eingreifen, das steht mir nicht zu. Das müssen die politischen Institutionen selbst ausmachen, was für eine Art von Ethikrat sie haben wollen. Es hängt auch damit zusammen, ob ein Ethikrat - wie es europaweit zu sehen ist - mehrere Aufgaben hat, das heißt auch die Öffentlichkeit informieren soll und die Öffentlichkeit, wenn Sie so wollen, politikfähig machen soll - oder ob man den Ethikrat als ein Organ ansieht, der Erfüllungsgehilfe für eine Regierung oder ein Parlament ist. Bisher ist der Ethikrat eben ausgegliedert gewesen.
Deutschlandradio Kultur: Frau Weber-Hassemer, als Sie im vergangenen Jahr zur neuen Vorsitzenden des Ethikrats gewählt worden sind, da haben Sie dafür plädiert, dass dieses Gremium sich mehr mit auf die Zukunft gerichteten Themen auseinander setzt. Was hat man sich denn darunter vorzustellen?
Weber-Hassemer: Das Hauptthema bilden bei uns die Neurowissenschaften. Da sind die Entwicklungen sehr im Gange und die Auswirkungen auf die Menschen ganz erheblich. Wir haben vor kurzem eine Veranstaltung gemacht zu Neuroimplantaten; die ganze Frage der Manipulierbarkeit im negativen Sinne, aber auch der Restrukturierbarkeit von Menschen, die wegen Parkinson keine Bewegungsmöglichkeiten hatten, fällt in diesen Riesenbereich. Es geht bis hin in die Fragen der Beeinflussung des Denkens und Fühlens durch Neuroimplantate.
Deutschlandradio Kultur: Machen wir mal einen kurzen Schritt zurück, wir sollten vielleicht erklären, dass Neurowissenschaften sich im weitesten Sinne mit dem Gehirn befassen, also Gehirnforschung ist: Wie denkt der Mensch, wie fühlt der Mensch, wie bewegt er sich, wie kommt der Mensch dazu, dass er sich als Mensch sieht? Neuroimplantate sind kleine Chips, die man in das Gehirn einpflanzt, so dass im Idealfall ein gelähmter Parkinson-Patient wieder gehen kann.
Weber-Hassemer: Ja, das ist der positive Fall, es gibt aber auch Phantasien über die Beeinflussbarkeit des Menschen - zum Beispiel sein Kaufverhalten - durch bildgebende Verfahren, die bestimmte Reize auslösen und der Mensch hoppelt dann praktisch wie ein Pawlowscher Hund hinterher. Das ist ein riesiges Forschungsgebiet, und je mehr man weiß, wie das Hirn funktioniert, je mehr man weiß, was für Hirnströme laufen, desto mehr interessiert man sich dafür - von der Medikation über die Operation bis zur Manipulation. Das ist ein neues Feld.
Deutschlandradio Kultur: Sie sagen, die Neurowissenschaften bildeten das große Zukunftsthema und haben jetzt gerade diese Anhörung zu den Implantaten veranstaltet. Ich finde es nur verwunderlich, dass Sie sich auf so einen - von mir als Laiin so gesehen - technizistischen Aspekt konzentriert haben, wo doch gerade in den Neurowissenschaften die große Debatte darüber tobt, ob der Mensch überhaupt einen freien Willen hat.
Weber-Hassemer: Das haben wir bewusst gemacht. Wenn wir ein Papier dazu machen, müssen natürlich die Fragen, die Sie eben angeschnitten haben, den Hauptaspekt bilden, das ist doch ganz klar. Die Veranstaltung war eine Abendveranstaltung, die gleichzeitig die Bevölkerung interessieren kann, uns aber auch interessiert, weil wir zu einem ganz bestimmten Gebiet auch etwas erfahren wollen. Deswegen brauchen wir für eine Abendveranstaltung ein so klein geschnittenes Thema. Es ist völlig unmöglich, in zwei Stunden das Problem Wer ist der Mensch und was ist sein Gehirn? zu behandeln. Und die reine Debatte: Steuern die neuronalen Reflexe Sie oder steuern Sie umgekehrt die neuronalen Reflexe? - das ist nun ein Thema, was relativ intensiv in der Fachöffentlichkeit diskutiert worden ist. Entweder greift man das Thema viel größer auf, das schwebt uns zurzeit vor, oder man versucht ein ganz bestimmtes Teilgebiet zu behandeln, sozusagen eine Vorarbeit.
Deutschlandradio Kultur: Wie lange wird diese Debatte in Anspruch nehmen? Bekommen wir die Stellungnahme erst dann, wenn wir alle schon fleißig beeinflusst werden, irgendein Zeug zu kaufen, was wir gar nicht brauchen?
Weber-Hassemer: Als Prophet habe ich mich bisher noch nicht hervorgetan, ich weiß es nicht. Wir arbeiten ja im Moment noch an einer anderen Stellungnahme. Das hängt auch davon ab, was die Zukunft mit uns machen wird. Ich kann im Augenblick keine Prognose abgeben über uns.
Deutschlandradio Kultur: Der Ethikrat braucht dringend eine Glaskugel! Frau Weber-Hassemer, fünf Jahre nationaler Ethikrat, Sie haben sich ja mit vielen schwierigen Themen befasst in dieser Zeit. Bei den meisten, nehme ich an, hatten Sie, wie die meisten Menschen auch, zumindest irgendeine diffus vorgefasste Meinung. Ist es eigentlich vorgekommen, dass sich diese Meinung durch die Diskussion im Ethikrat radikal geändert hat?
Weber-Hassemer: Sie fragen im Grunde nach dem hermeneutischen Vorverständnis. Das ist tatsächlich schwierig zu beantworten. Radikal geändert - nein. Aber durch die Diskussion mit den Naturwissenschaftlern und den Ethikern gewannen die Diskussionen eine größere Tiefenschärfe. Weil ich eben sehr viel von anderen Fachgebieten gelernt habe, habe ich doch bei manchem für mich selbst eine Umorientierung festgestellt und bei manchen eine Verstärkung meiner Argumente. Ganz umgekrempelt worden, nein. Aber doch stark beeinflusst.
Deutschlandradio Kultur: Vielen Dank für das Gespräch.
Kristiane Weber-Hassemer, geboren 1939, Studium der Rechtswissenschaften, der politischen Wissenschaften und Soziologie an den Universitäten Tübingen und Hamburg. Erstes juristisches Staatsexamen 1964 in Hamburg, zweites juristisches Staatsexamen 1969 in Hamburg. 1969-1976 Rechtsanwältin in Hamburg, ab 1976 Richterin in Frankfurt am Main. Von 1990 bis 2002 Mitglied im Frankfurter Arbeitskreis für Strafrecht, 1990-1995 Mitglied der Ethikkommission der Landesärztekammer, 1994 Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Von 1995 bis 1999 Staatssekretärin im Hessischen Ministerium der Justiz und für Europa-Angelegenheiten. Nach Wechsel in der Regierungsverantwortung wieder Vorsitzende Richterin eines Strafsenates am Oberlandesgericht Frankfurt am Main (1999-2004). 1999 Vorsitzende des Arbeitsstabes Justizreform des Deutschen Juristinnenbundes 2001 Berufung zum Mitglied des Nationalen Ethikrates durch Beschluss des Bundeskabinetts, 2005 Wiederberufung zum Mitglied des Nationalen Ethikrates durch Beschluss des Bundeskabinetts und Wahl zur Vorsitzenden.
Kristiane Weber-Hassemer: Unbedingt und ohne jede Einschränkung. Ganz abgesehen davon, dass ich sehr viel dabei gelernt habe, sind wir in den Diskussionen insgesamt sehr viel weiter gekommen.
Deutschlandradio Kultur: Der Ethikrat hat seit seiner Gründung acht Stellungnahmen abgegeben, unter anderem zur Stammzellforschung und zum Klonen. Würden Sie nach diesen fünf Jahren sagen, dass Sie auch politische Entscheidungen beeinflusst haben?
Weber-Hassemer: Das ist sehr schwer messbar, die Ethikräte überall in der Welt stellen sich diese Frage. Man kann den Einfluss nicht genau quantifizieren. Aber ich denke, wir haben dazu beigetragen, die politischen Gremien und Institutionen hellhörig zu machen - natürlich nur als eine Stimme unter anderen. Wir haben kein Beratungsmonopol gehabt.
Deutschlandradio Kultur: Aber Sie können jetzt nicht aufzeigen, wo Stellungnahmen von ihnen direkt in die Gesetzgebung eingegangen sind?
Weber-Hassemer: Doch, das hat es gegeben, bei der Biopatentrichtlinie sind unmittelbar im Parlament noch mal Änderungsvorschläge gemacht worden, entsprechend unseren Vorschlägen.
Deutschlandradio Kultur: Worum geht es bei der Biopatentrichtlinie?
Weber-Hassemer: Es geht um die Frage, inwieweit beim Menschen ein Patentschutz möglich ist, was beim Menschen patentierbar ist - so, wie es das bei Pflanzen und Tieren gibt. Insbesondere ging der Streit in Europa um das menschliche Genom.
Deutschlandradio Kultur: Der Ethikrat hat 25 Mitglieder, es sind ganz unterschiedliche Richtungen vertreten: Naturwissenschaftler, Theologen, Juristen - wie Sie -, Philosophen, auch ein Gewerkschafter. Was zeichnet denn diese Personen aus, warum sind ausgerechnet die im Ethikrat, was können sie mehr als andere?
Weber-Hassemer: Es zeichnet sie aus, dass sie in ihren Funktionen oder in ihrem Fachgebiet besonders gut sind, also eine herausgehobene Qualifikation haben. Wir haben schließlich auch die einzige deutsche Nobelpreisträgerin aus den letzten Jahren dabei.
Deutschlandradio Kultur: Christiane Nüsslein-Volhard.
Weber-Hassemer: So ist es. Es zeichnet die Mitglieder aus, dass sie Interesse haben an interdisziplinärem Denken und Arbeiten. Denn das Besondere eines Ethikrats ist das Interdisziplinäre, dass die Sicht aus den verschiedenen Professionen zusammengeführt wird. Und wir unterscheiden uns ja nicht nur in ethischen Grundeinstellungen, sondern auch in dem absolut professionell verschiedenen Zugang. Ein Theologe und ein Naturwissenschaftler haben einen anderen Sprachzugang, einen anderen Denkzugang, selbst dann, wenn sie ethisch unter Umständen nahe beieinander sind. Aber wenn das obendrein auch nicht der Fall ist, dann ist das ein in dieser Form selten anzutreffendes interdisziplinäres Arbeiten.
Deutschlandradio Kultur: Sie haben also einen hervorragenden Mediziner, einen hervorragenden Theologen, exzellente Juristen - wie Sie vielleicht -, trotzdem: Was befähigt Sie dazu, dass Sie jetzt die Person sind - Mitglied im Nationalen Ethikrat - der Nation ethischen Rat zu sein?
Weber-Hassemer: Der Nationale Ethikrat hat natürlich nichts, was ihn derart auszeichnet, dass er als Einziger raten darf. Einen Rat gibt es nicht nur in der Ethik, den gibt es ja bei tausend Dingen. Es befähigt ihn, denke ich, das Bemühen um die ethische Verarbeitung von ganz differenten und nur interdisziplinär zu bearbeitenden Gegenständen. Was den Einzelnen von uns anbelangt, kann natürlich keiner von uns sagen, dass er die besondere, alleinige Kompetenz hat zu raten. Mir hat mal ein Verfassungsrichter gesagt: 'Was können Sie denn schon mehr raten als andere? Ethik gehört jedem Einzelnen allein! Wieso maßen Sie sich an, dazu was zu sagen?' Aber das ist ein Missverständnis der Aufgaben des Ethikrates. Die Ethikräte haben international überall in der Welt praktisch die gleichen Aufgabe: Sie sollen einmal die Gesellschaft informieren, interessieren, die Öffentlichkeit dazu bringen, über bioethische Fragen nachzudenken. Sie sollen zum anderen den interdisziplinären Diskurs bündeln.
Deutschlandradio Kultur: Also zwischen Juristerei und Medizin, Theologie und Philosophie.
Weber-Hassemer: So ist es, weil die ethischen Probleme im Grunde in der Gesamtschau am deutlichsten werden. Und sie sollen drittens dann Empfehlungen aussprechen für politisches Handeln. Alle drei Aufgaben hat der Ethikrat, und Ethik ist nicht das Gleiche wie private Moral. Ethik ist der Versuch, sich zu verständigen über moralische Regeln und die konsensfähig für die Gesellschaft zu diskutieren.
Deutschlandradio Kultur: Trotzdem war die Frage des Herren, den Sie gerade zitiert haben, ja berechtigt, denn Ethik ist nicht etwas, was Expertenstatus genießen kann oder darf in einer Demokratie, wo wir ja alle für unser moralisches oder auch ethisches Handel verantwortlich sind.
Weber-Hassemer: Na ja, es gibt heutzutage Lehrstühle für Medizin und Ethik zum Beispiel, Sie sehen daran, Ethik ist nichts Privates mehr, Ethik ist etwas, was bereits die Wissenschaft von der Moral ist. Ethik ist nicht mehr nur das, was den Einzelnen angeht.
Deutschlandradio Kultur: Ethik war aber nie etwas, was nur den Einzelnen angeht.
Weber-Hassemer: Richtig. Auf der Metaebene versucht sie, verschiedene moralische Positionen aufzubereiten. Es gibt ja auch Lehrstühle für Ethik, daran können Sie sehen, dass Ethik eben nicht nur etwas für das Private ist.
Deutschlandradio Kultur: Ja, Ethik als Moralphilosophie. - Aber bleiben wir noch beim nationalen Ethikrat. Sie befassen sich mit Biomedizin, Bioethik, Naturwissenschaften, aber mit anderen Fragen - die ja auch ethische Aspekte umfassen und eine breite Öffentlichkeit beschäftigen, wie zum Beispiel die Debatte um Folterverbot - befasst sich der Ethikrat nicht.
Weber-Hassemer: Wir hätten uns ganz gerne damit befasst, aber das fällt nicht in unseren Einrichtungserlass, wir sind nur zuständig für die so genannten Lebenswissenschaften. Das ist ausdrücklich bei uns festgeschrieben. Wir sind nicht für den Tierschutz zuständig und auch nicht für Pflanzen, sondern für die Wissenschaften, Biowissenschaften rund um den Menschen. Und dazu gehört das Hineinkommen in das Leben und das Hinauskommen aus dem Leben, Bedingungen der Gesundheitsversorgung, aber auch Biopatentrichtlinien. Das heißt, es geht immer in irgendeiner Weise um die Wissenschaften über die naturalen Bedingungen des Menschen.
Deutschlandradio Kultur: Und Sie haben gesagt, diese Fragen - das sei Ihre Aufgabe im Ethikrat - sollen für die Öffentlichkeit aufbereitet, aufgearbeitet werden.
Weber-Hassemer: Das ist eine unserer Aufgaben.
Deutschlandradio Kultur: Genau, eine Ihrer Aufgaben. Das ist ja aber angesichts dieser sehr komplexen Themen - Lebenswissenschaften hört sich so nett an - sehr schwierig; denn wer kann schon aus dem Stegreif erklären, was eine Stammzelle ist oder worum es bei der Polkörperdiagnostik geht, damit haben Sie sich auch befasst. Wie meistern Sie diese Schwierigkeit, diese komplexen Themen öffentlichkeitsverdaulich aufzubereiten?
Weber-Hassemer: Das ist tatsächlich schwierig und ich habe dabei auch sehr viel lernen müssen, jeder von uns hat dabei lernen müssen. Wir meistern es in der Weise, dass wir im Plenum diskutieren, worüber wollen wir reden, als nächstes bilden wir Arbeitsgruppen, und in diesen Arbeitsgruppen wird dann das Thema interdisziplinär besprochen, das heißt der Mediziner, der Naturwissenschaftler, der Ethiker, der Theologe äußern sich dazu und machen Vorschläge. Und gerade wegen der Schwierigkeit dauern ja unsere Veröffentlichungen auch so lange. Manche fragen uns: 'Was macht ihr eigentlich die ganze Zeit? Warum braucht ihr für ein Papier ein Jahr?' Deshalb. Weil es eben so schwierig ist diese Dinge von allen Seiten zu beleuchten. Manchmal holen wir uns noch externen Sachverstand. Wir haben vor kurzem Arbeitsrecht gemacht, da geht es um die Frage der prädiktiven genetischen Diagnostik, die unter Umständen ein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer verlangt, der ein Arbeitsverhältnis eingehen will, und in dem Zusammenhang haben wir Arbeitsmediziner gehört.
Deutschlandradio Kultur: Da geht es darum, ob der Arbeitgeber zum Beispiel erfahren darf, dass ich in fünf Jahren Multiple Sklerose bekomme.
Weber-Hassemer: Ja, genau solche Fragen.
Deutschlandradio Kultur: Sie haben gesagt, das ist ein Prozess, aber ist nicht gerade ein so langer Prozess frustrierend, weil man immerzu das Gefühl hat - nehmen wir das Beispiel Klonen - dass die ethische Debatte immer der Wissenschaft hinterherhinkt?
Weber-Hassemer: Sie sprechen da für meine Begriffe ein Kardinalproblem an, aber ich kann’s auch anders wenden: Gerade weil das so ist, braucht man Ethikräte. Die Deutschen sind ja Nachzügler; in praktisch ganz Europa gab es schon Ethikräte, bevor die deutschsprachigen Länder dann nachzogen. Die Wissenschaft läuft immer schneller und praktisch kommt die Gesellschaft kaum hinterher. Eine Wissenschaft ohne Gesellschaft gibt es nicht. Die Wissenschaft ist auf die Gesellschaft angewiesen und die Gesellschaft auf die Wissenschaft. Beides ist kein freier Raum für sich. Ich denke, wir werden die Lücke nie schließen können. Es ist frustrierend, da haben Sie Recht, dass die Wissenschaft schneller läuft und man mit der Ethik praktisch kaum hinterher kommt. Aber wir müssen wenigsten versuchen, diese Kluft nicht immer größer werden zu lassen, sondern versuchen, dass die Gesellschaft, die Politik und wir selbst uns dieser Entwicklung bewusst werden.
Deutschlandradio Kultur: Wir sind Nachzügler, haben Sie gesagt. Von einer anderen Perspektive her könnte man sagen, dass Sie manchmal auch zu schnell sind. Man kann auch den Eindruck gewinnen, dass Sie bisweilen nicht für die Öffentlichkeit, sondern anstelle der Öffentlichkeit über ethische Implikationen diskutieren. Bevor die Diskussion überhaupt in Gang gekommen ist – Beispiel Polkörperdiagnostik -, haben Sie schon Ihre Stellungnahme abgegeben.
Weber-Hassemer: Nachzügler bezog sich auf die Gründung von Ethikräten …
Deutschlandradio Kultur: Ja, und auf den Abstand zu Forschung und Wissenschaft.
Weber-Hassemer: Die Wissenschaft ist ja auch bei der Polkörperdiagnostik schon weiter gewesen, das ist ja das Problem. Und wir sehen, dass das in anderen Ländern gemacht wird, und in irgendeiner Weise müssen wir uns in Deutschland positionieren. Ich glaube nicht, dass wir vorpreschen, sondern wir haben unter anderen die Aufgabe, in der Öffentlichkeit Bewusstsein zu wecken für bestimmte neue Verfahren, für bestimmte neue Erkenntnisse - aus denen sich dann ethische Probleme ergeben können - und die Gesellschaft instand zu setzen, diese ethischen Probleme zu identifizieren. Wir machen es nicht anstatt, sondern wir versuchen für die Gesellschaft die Probleme aufzubereiten. Deswegen unsere Stellungnahmen. Und wir versuchen für die Politik Empfehlungen auszusprechen. Aber es ist niemals so gewesen, dass wir uns ein Thema aneignen, was überhaupt noch nicht in der Wissenschaft und in anderen Ländern diskutiert wird.
Deutschlandradio Kultur: Sie haben gesagt, Frau Weber-Hassemer, man muss sich als Gesellschaft positionieren. Aber wenn man das Thema Stammzellen nimmt, sieht man, wie unterschiedlich das in Europa gehandhabt wird. Welchen Wert hat es dann, wenn Deutschland sagt: Wir sind nicht so richtig dafür oder wenn, dann nur unter bestimmten Bedingungen?
Weber-Hassemer: Das Parlament hat ja seinerzeit bei der Stammzellenforschung in einer ziemlich beeindruckenden Weise einen Weg für sich gefunden. Das war ein mühsamer Kompromiss, den die damals gefunden haben. Es ist zwar richtig, dass wir in einer internationalen und globalisierten Welt diese Probleme nicht auf ein Land begrenzen können. Es ist aber genauso richtig, denke ich, dass ein Land einen eigenen Weg gehen kann, weil es sich kulturell und ethisch oder auch verfassungsrechtlich bestimmten Regeln verpflichtet fühlt, und das kann es nicht einfach übergehen. Es wird das Problem der ganzen nächsten Jahrzehnte sein, dass man einerseits die kulturelle und moralische Identität bei den einzelnen Ländern lässt, und auf der anderen Seite Standards findet, die einigermaßen verträglich miteinander sind, dass jedenfalls zentrale Standards, wie die Achtung der Menschenrechte, weltweit zu beachten sind. Ich erinnere an die brandneue Unesco-Deklaration zu den Menschenrechten und der Bioethik, die genau das thematisiert.
Deutschlandradio Kultur: Beim Klonverbot tut man sich allerdings immer noch schwer.
Weber-Hassemer: Ja, natürlich, das ist klar, das kann sich auch nicht ändern. In einem ganz mühsamen Prozess wird man irgendwann mal zu Standards kommen, die für alle gelten.
Deutschlandradio Kultur: Ein Paradebeispiel für die kulturellen Unterschiede in Europa ist ja auch die Sterbebegleitung, also die Frage der aktiven und passiven Sterbehilfe. Der nationale Ethikrat wird in diesem Frühjahr seine Stellungnahme zur Sterbebegleitung veröffentlichen, Sie haben im vergangenen Jahr die Patientenverfügung schon mal ausgekoppelt und vorgezogen. Was können wir von dieser umfassenderen Stellungnahme zur Sterbebegleitung eigentlich erwarten?
Weber-Hassemer: Sie ist ja noch nicht verabschiedet, wir sind noch bei der Arbeit. Wir befassen uns mit Fragen wie: unter welchen Bedingungen sollte Sterben möglich sein, unter welchen Bedingungen ist es gesellschaftlich akzeptabel, was ist zu respektieren, was ist von der Selbstbestimmung zu halten, was ist von Fürsorge und Solidarität zu halten, wie kann so etwas in Beziehung gesetzt werden? Wir werden sowohl versuchen, uns um die empirischen Vorraussetzungen zu kümmern und um die ethischen. Wir behandeln den Zusammenhang - der ja in einer Gesellschaft sehr schwierig ist - zwischen einerseits Selbstbestimmung und andererseits so etwas wie gesellschaftlicher Solidarität oder gesellschaftlicher Zusammenhalt. Das ist ein ganz schwieriges Thema in unseren Gesellschaften, es wird immer schwieriger, und in diesem Zusammenhang ist es von besonderer Tragweite am Lebensende.
Deutschlandradio Kultur: Das heißt, es soll über die Debatte, die in der Öffentlichkeit über aktive und passive Sterbehilfe geführt wird hinausgehen. Denn ansonsten würde man Sie fragen, wozu braucht man so eine Stellungnahme, da ist die rechtliche Lage ja geklärt.
Weber-Hassemer: Auch das ist nicht ganz richtig. Wir haben zwei entscheidende große Urteile, die betrafen aber Einzelfälle, und standen in einem ganz bestimmten Kontext. Und so geklärt ist die Rechtslage nicht, wäre sie so geklärt, würden die Mediziner nicht um eine rechtliche Präzisierung bitten. Die sehen sich durchaus Risiken ausgesetzt.
Deutschlandradio Kultur: Nun ist es aber so, dass Sie kein Gesetz formulieren. Wenn man sagt, Sie bereiten komplexe naturwissenschaftlich-ethische Fragestellung für die Öffentlichkeit auf, es andererseits aber gerade über Sterbehilfe und Sterbebegleitung in den vergangenen Jahren eine sehr lebhafte und auch sehr sachkundige Diskussion in Deutschland gegeben hat, kann man sich schon fragen, ob es notwendig ist, dass sich der Ethikrat dieses Themas auch noch einmal annimmt?
Weber-Hassemer: Sie haben vollkommen Recht, erstens gab es eine sehr fundierte Debatte und es gibt sie immer noch und viele bemühen sich auch noch darum. Wir meinen, dass wir noch Dinge dazu sagen können, die bisher so nicht gesagt worden sind. Sie dürfen ja nicht vergessen, nahezu alle anderen Stellungnahmen waren nicht voll interdisziplinär. Wir meinen, dass wir da durchaus noch Dinge hinein bringen können, die bisher so noch nicht beachtet worden sind.
Deutschlandradio Kultur: Dem Ethikrat stehen demnächst einige Änderungen bevor, die Bundesministerin für Bildung und Forschung Annette Schavan will den Ethikrat reformieren, das heißt sie will ihn erhalten, was ja bis vor Kurzem nicht unbedingt klar war, weil die Union immer gesagt hat, der Ethikrat war damals Ex-Kanzler Schröders Baby, den braucht kein Mensch. Im Grunde müsste Sie das doch ziemlich erleichtern.
Weber-Hassemer: Wir freuen uns sehr darüber, über die Einzelheiten kann ich im Augenblick allerdings nichts sagen, sie sind mir nicht bekannt. Aber dass der Ethikrat weiter bestehen soll nach der jetzigen Planung, das freut uns sehr und wir meinen, er soll zu Recht weiter bestehen.
Deutschlandradio Kultur: Heiß umstritten ist ja zur Zeit die Frage, ob auch Bundestagsabgeordnete in diesem Ethikrat sitzen werden dürfen oder nicht. Kurz der Hintergrund: Es gab eine Enquetekommission des Parlaments, die wird nicht wieder eingesetzt, in der haben Abgeordnete Sitz und Stimme gehabt. Nun sagt Frau Schavan, dass Abgeordnete in dem Ethikrat keinen Sitz, keine Stimme haben sollen, denn der Ethikrat soll in Zukunft auch das Parlament beraten und was sollte es nützen, wenn jemand drin sitzt, der sich selbst beraten soll. Finden Sie diese Argumentation von Frau Schavan nachvollziehbar?
Weber-Hassemer: Diese Argumentation finde ich sehr nachvollziehbar. Man muss einfach wissen, was man will, man muss wissen, welche Art von Gremium man will. Der Ethikrat ist dem internationalen Standard nachgebildet und der sieht die absolute Trennung von Politik und ethischer Beratung vor. Und die UNESCO-Erklärung, von der ich vorhin sprach, sagt ausdrücklich in ihren Empfehlungen, Ethikkommissionen müssen unabhängig arbeiten. Nun muss man wissen, ob man das als unabhängig ansieht, wenn politische Mandatsträger mit in einem solchen Rat sind. Das muss die Politik entscheiden, ob sie das als unabhängig ansieht. Jedenfalls ist es sehr gut nachvollziehbar, was Frau Schavan sagt, dass die Unabhängigkeit am Besten dadurch gewahrt ist, dass man trennt.
Deutschlandradio Kultur: Aber man fragt sich ja, ob Mitglieder einer Kommission - in dem Fall eben dieser Enquetekommission des Bundestages - sich nicht intensiver mit einer Problematik auseinandersetzen, weil sie einer solchen Kommission angehören. Nun kommt der Ethikrat und sagt: 'Wir haben eine neue Debatte und eine neue Stellungnahme, jetzt hört Ihr Euch das mal brav an.' Die Frage ist, ob diese Diskussion innerhalb eines Gremiums, einer Kommission nicht doch das Thema intensiver für die Politiker erschließt.
Weber-Hassemer: Das will ich nicht ausschließen, deswegen man muss wissen, was man will, ob man das Parlament selbst stärken will oder ob man eine unabhängige Beratung von außen haben will. Ich möchte da in diese politische Debatte, die im Augenblick läuft, nicht eingreifen, das steht mir nicht zu. Das müssen die politischen Institutionen selbst ausmachen, was für eine Art von Ethikrat sie haben wollen. Es hängt auch damit zusammen, ob ein Ethikrat - wie es europaweit zu sehen ist - mehrere Aufgaben hat, das heißt auch die Öffentlichkeit informieren soll und die Öffentlichkeit, wenn Sie so wollen, politikfähig machen soll - oder ob man den Ethikrat als ein Organ ansieht, der Erfüllungsgehilfe für eine Regierung oder ein Parlament ist. Bisher ist der Ethikrat eben ausgegliedert gewesen.
Deutschlandradio Kultur: Frau Weber-Hassemer, als Sie im vergangenen Jahr zur neuen Vorsitzenden des Ethikrats gewählt worden sind, da haben Sie dafür plädiert, dass dieses Gremium sich mehr mit auf die Zukunft gerichteten Themen auseinander setzt. Was hat man sich denn darunter vorzustellen?
Weber-Hassemer: Das Hauptthema bilden bei uns die Neurowissenschaften. Da sind die Entwicklungen sehr im Gange und die Auswirkungen auf die Menschen ganz erheblich. Wir haben vor kurzem eine Veranstaltung gemacht zu Neuroimplantaten; die ganze Frage der Manipulierbarkeit im negativen Sinne, aber auch der Restrukturierbarkeit von Menschen, die wegen Parkinson keine Bewegungsmöglichkeiten hatten, fällt in diesen Riesenbereich. Es geht bis hin in die Fragen der Beeinflussung des Denkens und Fühlens durch Neuroimplantate.
Deutschlandradio Kultur: Machen wir mal einen kurzen Schritt zurück, wir sollten vielleicht erklären, dass Neurowissenschaften sich im weitesten Sinne mit dem Gehirn befassen, also Gehirnforschung ist: Wie denkt der Mensch, wie fühlt der Mensch, wie bewegt er sich, wie kommt der Mensch dazu, dass er sich als Mensch sieht? Neuroimplantate sind kleine Chips, die man in das Gehirn einpflanzt, so dass im Idealfall ein gelähmter Parkinson-Patient wieder gehen kann.
Weber-Hassemer: Ja, das ist der positive Fall, es gibt aber auch Phantasien über die Beeinflussbarkeit des Menschen - zum Beispiel sein Kaufverhalten - durch bildgebende Verfahren, die bestimmte Reize auslösen und der Mensch hoppelt dann praktisch wie ein Pawlowscher Hund hinterher. Das ist ein riesiges Forschungsgebiet, und je mehr man weiß, wie das Hirn funktioniert, je mehr man weiß, was für Hirnströme laufen, desto mehr interessiert man sich dafür - von der Medikation über die Operation bis zur Manipulation. Das ist ein neues Feld.
Deutschlandradio Kultur: Sie sagen, die Neurowissenschaften bildeten das große Zukunftsthema und haben jetzt gerade diese Anhörung zu den Implantaten veranstaltet. Ich finde es nur verwunderlich, dass Sie sich auf so einen - von mir als Laiin so gesehen - technizistischen Aspekt konzentriert haben, wo doch gerade in den Neurowissenschaften die große Debatte darüber tobt, ob der Mensch überhaupt einen freien Willen hat.
Weber-Hassemer: Das haben wir bewusst gemacht. Wenn wir ein Papier dazu machen, müssen natürlich die Fragen, die Sie eben angeschnitten haben, den Hauptaspekt bilden, das ist doch ganz klar. Die Veranstaltung war eine Abendveranstaltung, die gleichzeitig die Bevölkerung interessieren kann, uns aber auch interessiert, weil wir zu einem ganz bestimmten Gebiet auch etwas erfahren wollen. Deswegen brauchen wir für eine Abendveranstaltung ein so klein geschnittenes Thema. Es ist völlig unmöglich, in zwei Stunden das Problem Wer ist der Mensch und was ist sein Gehirn? zu behandeln. Und die reine Debatte: Steuern die neuronalen Reflexe Sie oder steuern Sie umgekehrt die neuronalen Reflexe? - das ist nun ein Thema, was relativ intensiv in der Fachöffentlichkeit diskutiert worden ist. Entweder greift man das Thema viel größer auf, das schwebt uns zurzeit vor, oder man versucht ein ganz bestimmtes Teilgebiet zu behandeln, sozusagen eine Vorarbeit.
Deutschlandradio Kultur: Wie lange wird diese Debatte in Anspruch nehmen? Bekommen wir die Stellungnahme erst dann, wenn wir alle schon fleißig beeinflusst werden, irgendein Zeug zu kaufen, was wir gar nicht brauchen?
Weber-Hassemer: Als Prophet habe ich mich bisher noch nicht hervorgetan, ich weiß es nicht. Wir arbeiten ja im Moment noch an einer anderen Stellungnahme. Das hängt auch davon ab, was die Zukunft mit uns machen wird. Ich kann im Augenblick keine Prognose abgeben über uns.
Deutschlandradio Kultur: Der Ethikrat braucht dringend eine Glaskugel! Frau Weber-Hassemer, fünf Jahre nationaler Ethikrat, Sie haben sich ja mit vielen schwierigen Themen befasst in dieser Zeit. Bei den meisten, nehme ich an, hatten Sie, wie die meisten Menschen auch, zumindest irgendeine diffus vorgefasste Meinung. Ist es eigentlich vorgekommen, dass sich diese Meinung durch die Diskussion im Ethikrat radikal geändert hat?
Weber-Hassemer: Sie fragen im Grunde nach dem hermeneutischen Vorverständnis. Das ist tatsächlich schwierig zu beantworten. Radikal geändert - nein. Aber durch die Diskussion mit den Naturwissenschaftlern und den Ethikern gewannen die Diskussionen eine größere Tiefenschärfe. Weil ich eben sehr viel von anderen Fachgebieten gelernt habe, habe ich doch bei manchem für mich selbst eine Umorientierung festgestellt und bei manchen eine Verstärkung meiner Argumente. Ganz umgekrempelt worden, nein. Aber doch stark beeinflusst.
Deutschlandradio Kultur: Vielen Dank für das Gespräch.
Kristiane Weber-Hassemer, geboren 1939, Studium der Rechtswissenschaften, der politischen Wissenschaften und Soziologie an den Universitäten Tübingen und Hamburg. Erstes juristisches Staatsexamen 1964 in Hamburg, zweites juristisches Staatsexamen 1969 in Hamburg. 1969-1976 Rechtsanwältin in Hamburg, ab 1976 Richterin in Frankfurt am Main. Von 1990 bis 2002 Mitglied im Frankfurter Arbeitskreis für Strafrecht, 1990-1995 Mitglied der Ethikkommission der Landesärztekammer, 1994 Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Von 1995 bis 1999 Staatssekretärin im Hessischen Ministerium der Justiz und für Europa-Angelegenheiten. Nach Wechsel in der Regierungsverantwortung wieder Vorsitzende Richterin eines Strafsenates am Oberlandesgericht Frankfurt am Main (1999-2004). 1999 Vorsitzende des Arbeitsstabes Justizreform des Deutschen Juristinnenbundes 2001 Berufung zum Mitglied des Nationalen Ethikrates durch Beschluss des Bundeskabinetts, 2005 Wiederberufung zum Mitglied des Nationalen Ethikrates durch Beschluss des Bundeskabinetts und Wahl zur Vorsitzenden.