Unabhängige Verlage in der Pandemie

Angst um die literarische Vielfalt

07:55 Minuten
Ein Schild mit einem Hinweis auf die Abstandsregeln steht vor einer Buchhandlung in Hamburg.
In einigen Bundesländern haben die Buchhandlungen auch im Lockdown offen. © picture alliance / dpa / Daniel Reinhardt
Jörg Sundermeier im Gespräch mit Britta Bürger · 23.02.2021
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In den Ländern gelten unterschiedliche Corona-Einschränkungen für Buchläden. Dies treffe vor allem unabhängige Buchhandlungen und Verlage hart, sagt der Verleger Jörg Sundermeier. Er befürchtet, dass die literarische Vielfalt verloren geht.
Dass in einigen Bundesländern die Buchläden in der Coronakrise nicht öffnen dürfen, trifft vor allem die unabhängigen Buchhandlungen und Verlage, sagt der Verleger Jörg Sundermeier von der Kurt-Wolff-Stiftung.
Es müsse zwar Corona-Auflagen geben, problematisch sei aber, dass die Auflagen für den Buchhandel in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich sind:
"In Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt sind Buchhandlungen geöffnet und können auch – natürlich unter allen Vorsichtsmaßnahmen – betreten werden. In einigen Bundesländern, beispielsweise in Sachsen, konnte bis vor Kurzem nicht mal 'Click und Collect' gemacht werden. Das heißt, man konnte nicht mal bestellen und das dann in einer Buchhandlung abholen. Das finden wir sehr schwierig."

Online-Buchhandel profitiert von der Situation

Von der jetzigen Situation profitiere vor allem der Online-Buchhandel, so Sundermeier. Und auch Supermärkte würden immer häufiger Bücher anbieten. "Da glauben wir, wird eine deutliche Lücke gerissen", sagt Sundermeier.
Wenn vermehrt Discounter Bücher anbieten, werden vor allem Bücher von Bestseller-Listen verkauft, befürchtet Sundermeier. Oder solche, die von großen Verlagen mit entsprechender Werbung als neue Bestseller lanciert werden sollen.
"Da fallen viele Inhalte hinten runter", sagt Sundermeier. Diversität gehe verloren. "Es sind dann die immer gleichen Romane und die immer gleichen Kinderbücher, die dann gekauft werden."
Vielfalt in Büchern sei wichtig, so Sundermeier: "Ich glaube, dass es zu unserer gesellschaftlichen Selbstvergewisserung gehört, was in Büchern stattfindet".

Buchhandlungen müssen Angebot zeigen können

Aus Sorge um die Bibliodiversität, also die literarische Vielfalt, fordert deshalb die Kurt-Wolff-Stiftung in einem offenen Brief die Kultusminister der Länder und Kulturstaatsministerin Monika Grütters auf, die Corona-Maßnahmen für den Buchhandel zu überdenken. Die Leipziger Stiftung hat zum Ziel die Förderung der unabhängigen Verlage. Einer der drei Vorstände der Stiftung ist Sundermeier, der auch Gründer des Verbrecher Verlags ist.
Kulturstaatsministerin Grütters hat der Buchbranche weitere 50 Millionen Euro Unterstützung zugesagt. Die sollen Buchhandlungen und Verlagen zugutekommen. "Ich freue mich sehr darüber", sagt Sundermeier.
Allerdings könne das nicht die einzige Lösung sein. Der Buchhandel müsse auch sein Angebot sichtbar zeigen können. "Wenn das nicht geht, wird etwas verschwinden", so Sundermeier.
"Wir möchten, dass es möglich ist, im unabhängigen Buchhandel zu kaufen, natürlich unter Wahrung der Sicherheitsauflagen."
Viele ältere Buchhändlerinnen und Buchhändler überlegen gerade, ihre Läden aufzugeben und sich aufs Altenteil zurückzuziehen, berichtet Sundermeier.
"Ich glaube aber nicht, dass in dieser Krise sehr viele Jungbuchhändlerinnen und –händler da sind, die das übernehmen möchten. Leider."
(nho)
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