Frieden - ein unerreichbares Ziel?
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Die USA haben angekündigt, Frieden und Kooperation in den Mittelpunkt der UN-Generaldebatte zu stellen. Ob das nachhaltige Folgen haben wird, ist allerdings fraglich. Die Friedensforscherin Nicole Deitelhoff sieht bereits das nächste Debakel kommen.
Afghanistan, Klima, Covid-19, Spannungen mit China: In einem Umfeld schwerer Krisen beginnt die UN-Generaldebatte in New York. US-Präsident Joe Biden will seine erste Rede vor der UN-Vollversammlung für ein Bekenntnis zu intensiver Diplomatie statt militärischer Intervention nutzen. Das hat ein hochrangiger Vertreter der US-Regierung angekündigt: "Wir schließen das Kapitel von 20 Jahren Krieg und öffnen ein neues Kapitel intensiver Diplomatie, indem wir Verbündete und Partner und Institutionen zusammenbringen, um die großen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen."
Ob das gelingt, ist allerdings fraglich. Es mangelt nicht an Bekenntnissen zum Frieden, sondern am Frieden selbst. "Wir leben in aufgeregten, nervösen Zeiten", sagt Nicole Deitelhoff, geschäftsführende Direktorin des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK). Die internationalen Konflikte bewegten sich nach wie vor auf einem hohen Niveau, und die Zündschnur sei kurz, wie man am U-Boot-Streit zwischen Frankreich, den USA und Australien sehe.
Wo bleibt die Außenpolitik im deutschen Wahlkampf?
Deitelhoff hat deswegen kein Verständnis dafür, dass die Außenpolitik im aktuellen Wahlkampf in Deutschland nicht im Fokus steht. Die Politik weigere sich hierzulande, sich den Realitäten zu stellen, kritisiert sie. Die USA zögen sich international zurück, Deutschland müsse seine Rolle neu definieren.
"Wir sind keine Großmacht. Wir sind angewiesen auf stabile internationale Institutionen, auf Kooperation", betont die Konfliktforscherin. Vor diesem Hintergrund könne es sich das Land nicht leisten, nicht über die Zukunft der Außenpolitik zu sprechen. Doch diese spiele im Wahlkampf derzeit "überhaupt keine Rolle".
Der Westen steht derzeit noch unter dem Eindruck des überhasteten Abzugs aus Afghanistan – und Deitelhoff zufolge zeichnet sich bereits das nächste Debakel ab. Auch der Einsatz in Mali werde nicht seine Ziele erreichen, prognostiziert sie. Ihre Analyse: zu viele Ziele, die sich teils widersprechen, viele Partner, zu wenig Koordination. Die Sicherheitslage habe sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich verschlechtert, die Bundesregierung müsse sich fragen, wann der Zeitpunkt gekommen sei, die Bundeswehr abzuziehen und Mali zu verlassen.
Die internationale Zusammenarbeit stärken
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vertritt Deutschland bei der Generaldebatte in New York, er soll am Freitag sprechen. Neben ihm und Biden werden auch Chinas Präsident Xi Jinping, UN-Generalsekretär António Guterres und Irans Präsident Ebrahim Raisi Reden halten. Nachdem die Generaldebatte im vergangenen Jahr wegen der Coronapandemie hauptsächlich aus aufgezeichneten Video-Statements bestanden hatte, sind in diesem Jahr wieder mehr als hundert Staats- und Regierungschefs persönlich vertreten, wenn auch mit deutlich kleineren Delegationen. Der Rest der Vertreter der 193 Mitgliedsstaaten nimmt online teil.
Der Vorgänger von Joe Biden, Donald Trump, hatte die Bühne in New York Jahr für Jahr für Alleingänge und das Bewerben seiner "America First"-Politik genutzt. Biden dagegen war mit dem Versprechen angetreten, die internationale Zusammenarbeit wieder zu stärken. Doch wegen des schnellen und unkoordinierten Truppenabzugs aus Afghanistan musste sich das Weiße Haus zuletzt viel Kritik gefallen lassen.
Biden hatte seine Abzugspläne trotz Warnungen von Verbündeten und Experten rigoros durchgezogen und seine Entscheidung trotz chaotischer Umstände in den letzten Wochen des Abzugs vehement verteidigt. Und auch der U-Boot-Streit mit Frankreich zeigt, dass die USA im Zweifelsfall bereit sind, die eigenen Interessen durchzusetzen und dafür auch Konflikte mit Partnern riskieren.
(ahe/dpa)