Umweltminister Gabriel weist Kritik an Klimaschutz-Projekten zurück

18.08.2007
Umweltminister Sigmar Gabriel hat eine positive Bilanz der Grönlandreise mit Bundeskanzlerin Merkel gezogen. Es sei beeindruckend, in welcher Geschwindigkeit sich der von Menschen gemachte Klimawandel vollziehe, sagte der SPD-Politiker. Die Eindrücke bestärkten ihn, die Klimaschutzziele der Bundesregierung durchzusetzen.
Birgit Kolkmann: Sigmar Gabriel ist nun zurück aus Grönland. Mit ihm wollen wir jetzt sprechen. Schönen guten Morgen, Herr Gabriel.

Sigmar Gabriel: Guten Morgen, ich grüße Sie.

Kolkmann: Das sind tolle Bilder und gute Schlagzeilen. Was hat denn die Reise aber fürs Klima gebracht?

Gabriel: Also erst mal war es eine Einladung der dänischen Regierung, und ich würde vorschlagen, dass, wenn deutsche Politiker sich über eine Reise beklagen, Sie vielleicht eine Sekunde zur Kenntnis nehmen, was eigentlich die Gastgeber dazu sagen, ob das vernünftig war, da hinzukommen. Wir haben dort mit den Inuits - bei uns würde man sagen mit den Eskimos - geredet über deren Probleme zum Beispiel durch die Veränderung des Klimas, aber auch über Themen wie Fischfang, Walfang, Robbenfang. Und wir haben mit der dänischen Regierung über eine Einladung nach Washington zu einem Hearing des Kongresses über Klimaschutz und Klimawandel gesprochen, an der die dänische Kollegin und ich teilnehmen werden.

Und wir haben vor allen Dingen uns befasst in den Gesprächen mit den Forschern dort, ob eigentlich die Behauptung, die in Deutschland gelegentlich von der Wirtschaft, aber auch von Medienvertretern aufgestellt wird, es gebe diesen Klimawandel gar nicht, oder selbst in Grönland gebe es eigentlich mehr Eis und nicht weniger, ob da eigentlich was dran ist. Und uns ist noch mal eindrücklich nachgewiesen worden, dass es erstens natürlich diesen Klimawandel gibt, dass er zweitens von Menschen gemacht ist, und dass er drittens unglaublich an Geschwindigkeit zunimmt.

Kolkmann: Was hat Sie am meisten beeindruckt bei dieser Reise?

Gabriel: Die Geschwindigkeit. Ich meine, wenn man sich überlegt, dass in den ... Wir reden beim grönländischen Eis über 95 Prozent des arktischen Eises. Wenn Sie mal die Antarktis wegnehmen, dann würde, wenn der grönländische Eisblock schmelzen würde, sich der Meeresspiegel um sieben Meter heben. Wenn der Rest des Eises auf der Welt, die Antarktis weggenommen, schmilzt, also alle anderen Gletscher, die es gibt auf der Welt, dann wären es ganze 50 cm. Und dort schmilzt es mit einer solchen Dramatik, die ich mir auch so nicht habe vorstellen können. Und das hat natürlich schon enorme Konsequenzen. 40 Meter am Tag geht der Eis-Stream Richtung Meer, den wir dort sehen. Und wir sehen eben, dass wir kaum Zeit haben uns anzupassen. Anders als vor 150.000 Jahren, wo es auch schon mal wärmer war, gibt es heute Millionen Städte an den Küsten, an den Meeresküsten. Wir wüssten gar nicht, wie wir das bezahlen sollen, diese Städte zu verlagern.

Kolkmann: Hat Ihnen das Angst gemacht, das zu sehen, mit welcher Geschwindigkeit das voranschreitet?

Gabriel: Angst sicher nicht, aber es ist schon noch mal ...

Kolkmann: Sie klingen doch etwas resigniert, so wie Sie das sagen, wir können uns kaum da in Sicherheit bringen.

Gabriel: Der Punkt ist, dass man natürlich, wenn man sieht, wie langsam die internationalen Fortschritte gehen und wie schnell die Geschwindigkeit des Klimawandels sich vollzieht, dann ist man natürlich schon manchmal in einer Situation und sagt: Um Gottes Willen, können wir eigentlich Schritt halten? Trotzdem gibt es gar keine Alternative dazu, wir werden beides tun müssen. Wir werden den Klimawandel begrenzen müssen durch die Senkung von Treibhausgasen, aber wir werden uns auch anpassen müssen, weil ein Teil des Klimawandels nicht zurückzudrehen ist. Und je mehr wir schaffen bei der Verringerung der Treibhausgase, desto preiswerter wird die Anpassung. Je weniger wir schaffen, desto mehr werden unsere Kinder und Enkelkinder bezahlen müssen für Stürme, für höhere Fluten und für ziemlich große Gefahren.

Kolkmann: Jetzt sind wir schon wieder bei der konkreten Politik. Auch Politiker brauchen den Anschauungsunterricht, und mit diesem, was Sie nun in Grönland erfahren und gesehen haben, können Sie wieder in die nächste Woche gehen, in die Politik der kleinen Schritte, der Koalitionsarbeit nämlich. Die Klausur nächste Woche in Meseberg, da geht es um die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung. Das Paket ist ja noch nicht bei allen Koalitionären durch, da wird schon wieder um Klein-Klein geredet.

Gabriel: Ja, man staunt manchmal auch ein bisschen. Von daher ist, glaube ich, diese Reise gerade mit der Kanzlerin dorthin noch mal hilfreich auch für Meseberg. Was es ist, das Paket, das Klima- und Energiepaket der kommenden Woche ist das größte, das in der Bundesrepublik Deutschland jemals verabschiedet worden ist. Und es ist, wenn wir es hinkriegen, eine echte Trendwende, weil es nicht mehr nur Ziele beschreibt, wie in der Vergangenheit, das haben viele schon getan, sondern es listet richtig in acht großen Feldern die einzelnen Instrumente und Maßnahmen auf. Natürlich übrigens heißt das, dass Sie auch kleine Dinge beschreiben müssen. Das reicht nicht, wenn Sie große Überschriften machen, Sie müssen sich schon die Mühe geben zu sagen, wie wollen Sie denn nun Energie einsparen ...

Kolkmann: Dann gehen wir doch mal auf ein so ein Beispiel ein, wo die Opposition gerade wieder einhakt, nämlich sie sagt, Sie wollten zum Beispiel, dass Mieter auch ihre Heizkosten kürzen dürfen, wenn die Vermieter zu wenig in Wärmedämmung investierten. Da sagt die Opposition, das ist aber nur ein Beschäftigungsprogramm für Rechtsanwälte, da müssen wir den Gabriel mal bremsen.

Gabriel: Ich weiß ja nicht, über wen Sie da reden. Also ich vermute, es ist die FDP, so wie sich's anhört. Aber worum geht es dort konkret? Erstens, wir erheben ...

Kolkmann: Das war Laurenz Meyer, aber macht nichts.

Gabriel: Wer?

Kolkmann: Laurenz Meyer, der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU.

Gabriel: Dann haben Sie das falsch zitiert. Sie haben gesagt, die Opposition würde das kritisieren. Da müssen Sie bei Ihren Fragen präziser sein. In der Union ...

Kolkmann: Genau, wir sprachen da eben auch über die Politik der kleinen Schritte innerhalb der Koalition, da stimmt das, hätte ich noch mal genauer auseinanderdividieren sollen, aber okay, jedenfalls war es Laurenz Meyer.

Gabriel: Ich hab's verstanden. Also, es geht darum, dass wir erstens die Energieeinsparverordnung um 30 Prozent anheben werden, das heißt, wenn Sie ein neues Haus bauen, müssen Sie 30 Prozent mehr energieeffizient sein als früher. Das lohnt sich auch für jeden, der ein neues Haus baut, weil er dann an der Heizkostenrechnung spart. Dann sagen wir zweitens, wenn du das machst, musst du auch 15 Prozent erneuerbare Energien für den Wärmebereich einbauen, nicht nur wegen Klima, sondern auch, weil wir unabhängiger werden wollen vom russischen Erdgas. Wenn du das nicht machst, dann musst du nicht nur 30 Prozent effizienter werden, sondern sogar 45 Prozent.

Und dann sagen wir, wer das alles nicht macht und wer sich in einem bestimmten Zeitraum, weil er Vermieter ist und nichts von der Energieeinsparung hat - es gibt welche, die sagen, na ja, wenn ich jetzt hier investiere in mein vermietetes Gebäude, dann hilft das zwar den Mietern bei der Miete, dass die zweite Miete, die Nebenkosten preiswerter werden, aber mir hilft es eigentlich nichts, ich verdiene deswegen nicht mehr. Da sagen wir, wer das nicht macht, bei dem wollen wir erstens Bußgelder möglich machen. Und zweitens, wir reden über die Frage, ob dann der Mieter nach einem bestimmten Zeitraum, weil der ja die Kosten zu tragen hat, irgendwann auch die Möglichkeit hat, sich durch Mietabschläge zu wehren. Das muss man allerdings juristisch prüfen, ob das geht, weil es natürlich ein Eigentumseingriff ist. Das ist weniger sozusagen eine ideologische Auseinandersetzung zwischen CDU und SPD, sondern eine richtig rechtliche Frage, ob das geht oder nicht. Aber wir können ja nicht Folgendes machen: Wir können ja nicht sagen, derjenige, der Vermieter ist und dem letztlich die Nebenkosten egal sein können, weil die alle der Mieter trägt, den lassen wir außen vor beim Klimaschutz. Das geht nicht.

Kolkmann: Nun sind das ja alles Einsparungen, die in der Summe viel bringen, im Einzelnen natürlich klein sind. Andere Streitfragen sind natürlich die Kohlekraftwerke, die werden weitergebaut, da fragt man sich als Laie schon, warum denn eigentlich. Denn da kommen doch Schadstoffe raus, egal wie modern die Technologie ist, und zwar in einem Maße, auf die wir doch lieber verzichten sollten, oder?

Gabriel: Also sachte, weil Sie eben sagen, kleine Maßnahmen. Im Gebäudebereich liegt das größte...

Kolkmann: In der Summe ist das viel, das hatte ich ja gesagt, in der Summe ist das schon viel.

Gabriel: Im Gebäudebereich ist der größte Brocken in der Einsparung. Beim Thema Kraftwerke. Erstens, das zentrale Thema ist der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung. Da in der Tat gibt es noch einen Streit mit dem Wirtschaftsminister. Wir glauben, dass wir damit auch mehr Wettbewerb erreichen, weil es gerade die Stadtwerke sind, die solche hoch effizienten Kraftwerke bauen, die sowohl Strom wie Wärme produzieren, und dass wir damit den vier großen Monopolisten auch was entgegenzusetzen haben. Da ist der Wirtschaftsminister, müssen wir noch sozusagen Überzeugungsarbeit leisten, dass er da mitmacht. Der zweite Punkt ist ...

Kolkmann: Wird's Ihnen gelingen, was glauben Sie?

Gabriel: Ich denke ja, ich denke ja. Das ist so offensichtlich ...

Kolkmann: Bekommen Sie Hilfe von Frau Merkel, hat sie Ihnen das auf Grönland vielleicht versprochen?

Gabriel: Was die Bundeskanzlerin machen wird, das wird sie der Öffentlichkeit selber mitteilen, glaube ich. Jedenfalls ist doch klar, dass Frau Merkel, die das Thema aus dem Effeff kennt, weil sie selber mal Umweltministerin war und Kyoto beispielsweise verhandelt hat, dass sie natürlich viel Verständnis für das Thema mitbringt. Aber Sie haben jetzt gefragt zu den Kohlekraftwerken. Wir werden bis 2012 noch ganz neun neue Kohlekraftwerke bauen, die sollen alte Kohlekraftwerke ersetzen. Und wir sparen damit bis zu 42 Millionen Tonnen CO2. Wir haben einfach den ältesten Kraftwerkspark in Europa, und wenn wir es schaffen, bis 2020 round about 30 Prozent erneuerbare Energien im Strommarkt zu haben - da sind wir übrigens sehr gut, wenn wir das hinkriegen, das schaffen viele andere nicht -, dann bleiben ja 70 Prozent über. Wenn wir gleichzeitig aus der Kernenergie aussteigen wollen, dann können Sie den Leuten auch nicht erzählen, Sie würden es auch noch schaffen, komplett aus der Kohle auszusteigen, sondern was Sie da schaffen müssen, ist, dass Sie die alten Kohlekraftwerke, die unglaublich viel CO2 emittieren, dass sie die ersetzen durch moderne. Und das sind genau neun Stück und nicht, wie manchmal die Grünen behaupten, 30 oder 40, das ist totaler Unsinn.

Kolkmann: Und da sind wir dann mal wirklich wieder bei der Opposition. Ich bedanke mich bei Bundesumweltminister Sigmar Gabriel von der SPD nach der Grönlandreise zur Klimapolitik der Bundesregierung.