Umstrittener „Terror“-Fragebogen in NRW
Die Rektorin der Universität Münster, Ursula Nelles, hat das Innenministerium in Nordrhein-Westfalen dazu aufgefordert, die Rechtsquellen für eine Sicherheitsbefragung von Studierenden aus zumeist islamischen Ländern offenzulegen. Der Senat der Universität legte eine Protestnote gegen die Sicherheitsbefragung ein.
Liane von Billerbeck: Kennen Sie sich mit Sprengstoff aus? Waren Sie schon mal in Afghanistan? Haben Sie eine Flugausbildung gemacht? Sind Sie geschult im Gebrauch von Chemikalien? So etwa lauten die Fragen eines als geheim eingestuften Fragebogens, der Ausländern aus 26 vorwiegend islamischen Staaten vorgelegt wird, wenn sie ihren Aufenthalt in Nordrhein-Westfalen verlängern wollen. Ein marokkanischer Student, in der Studierendenvertretung der Uni Münster aktiv, musst ihn auch ausfüllen und informierte danach den Ausländerbeirat der Stadt Münster und die Rektorin seiner Universität. Ausländer unter Generalverdacht? Darüber wollen wir jetzt mit Professorin Ursula Nelles sprechen, der Rektorin der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Frau Nelles, ich grüße Sie!
Ursula Nelles: Guten Tag, Frau Billerbeck!
von Billerbeck: Ein geheimer Fragebogen, mit dem sich einer Ihrer Studenten konfrontiert sah, erregt die Gemüter in Nordrhein-Westfalen. Wie haben Sie reagiert, als Sie davon hörten?
Nelles: Ich habe mich zunächst informieren lassen und habe dann hier intern einen unserer Juristen beauftragt, die Rechtsquellen ausfindig zu machen. Er ist bis an die Schranken des Fragebogens vorgedrungen, hat mich darüber informiert, dass nach dem Asylbewerbergesetz eine entsprechende Ermächtigung ausgesprochen ist für die Bundesländer, solche Fragebögen oder Befragungen, Sicherheitsbefragungen heißen sie ja, durchzuführen, und dass das Land Nordrhein-Westfalen davon auch Gebrauch gemacht habe, der Fragebogen selbst aber, nicht wie Sie sagen, geheim, sondern, im Bürokratendeutsch, nur für den Dienstgebrauch gedacht sei. Und dann haben wir angefragt zunächst bei der Stadt Münster, was es damit auf sich habe. Auch dort wurden wir über die Rechtslage informiert und darüber, dass wir den Fragebogen nicht einsehen dürfen, weil er ausdrücklich nur für den Dienstgebrauch bestehe, dass man aber seitens der Stadt, der Ausländerbehörde, keine andere Möglichkeit habe, als die geltenden Gesetze zu befolgen.
von Billerbeck: Haben Sie den Bogen denn inzwischen mal irgendwie zu Gesicht bekommen?
Nellers: Unsere Studierenden sind findig, fragen Sie mich nicht nach den Quellen, ich habe ihn inzwischen auch einmal gesehen.
von Billerbeck: Und wie fanden Sie die Fragen darauf?
Nelles: Ja, es sind die üblichen Fragen, von denen wer auch immer glaubt, dass eine Abwehr von terroristischen Anschlägen damit erreicht werden könne. Ich persönlich halte nicht sehr viel davon. Was mich irritiert, ist, dass die ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, es betrifft ja nicht nur Studierende, diesen Fragebogen dann, wenn sie eine Aufenthaltsgenehmigung wünschen, ausfüllen müssen, keinen Beistand, keinen anwaltlichen Beistand dazuholen dürfen, den Fragebogen nicht mitnehmen dürfen, sondern an Ort und Stelle ausfüllen müssen und dann wird der abgegeben. Und was damit geschieht, was gespeichert wird, wo und wie, das entzieht sich dann alles unserer Kenntnis.
von Billerbeck: Sie haben beim Innenminister protestiert. Wie haben Sie Ihren Protest begründet?
Nellers: Ich habe als Rektorin zunächst nicht protestiert, sondern lediglich darum gebeten, dass man die Rechtsquellen und diesen Fragebogen aufdecke, weil wir der Auffassung seien, dass im Zuge der Internationalisierung der Hochschulen, die ja nicht nur uns, sondern auch der Politik insgesamt ein Anliegen ist, Hemmschwellen und Hindernisse für ausländische Studierende, die hier studieren möchten, möglichst niedrig halten sollte, und deswegen wollte ich mir zunächst selbst ein Bild verschaffen. Ich bin dann aber auch darauf verwiesen worden, dass die Unterlagen nur für den Dienstgebrauch seien und mir deswegen nicht zustünden. Und das habe ich im Senat berichtet, der Senat hat dann eine Protestnote verabschiedet, auf die wir aber noch keine Reaktion haben bisher.
von Billerbeck: Es hat ja auch im Düsseldorfer Landtag Anfragen von den Grünen und der SPD gegeben. Die sprachen auch von einem Gesinnungstest. Was meinen Sie? Wird dieser Fragebogen zurückgenommen werden?
Nelles: Ich denke, dass das nicht der Fall sein wird. Nordrhein-Westfalen ist nicht das einzige Bundesland, das von dieser bundesgesetzlichen Ermächtigung Gebrauch gemacht hat. Hamburg, meines Wissens, führt diese Befragung auch durch und Bayern, wenn ich recht informiert bin. Die Rücknahme halte ich für weitgehend ausgeschlossen angesichts der Gläubigkeit an solche Instrumentarien zur Bekämpfung des Terrorismus.
von Billerbeck: Können Sie eigentlich den Argumenten folgen, wenn Sicherheitsbehörden sagen: Ja, wenn etwas passiert, dann werdet ihr die Ersten sein, die uns also die Schuld zuschieben – und man erinnert ja dann immer an die gescheiterten Attentate mit Kofferbomben in Regionalbahnen im Juli 2006 in Nordhrein-Westfalen.
Nellers: Ich kann nachvollziehen, dass die Sicherheitsbehörden so denken, ob das auf rationaler Grundlage beruht, dass man meint, mit solchen Befragungen, solchen flächendeckenden Befragungen terroristische Anschläge verhindern zu können, das halte ich für fragwürdig, denn die Sammelwut, was Daten angeht über die Gesamtbevölkerung, ist ja in den letzten Jahrzehnten unentwegt gestiegen. Und dass der eine oder andere Anschlag verhindert werden konnte, mag auf allerlei, aber nicht unbedingt auf flächendeckender Befragung beruhen.
von Billerbeck: Haben Sie eigentlich mit anderen Unis Kontakt aufgenommen, um zu erfahren, ob es auch da solche Fälle gab und ob man sich vielleicht zusammentun könnte, sollte?
Nelles: Nein, es ist erstens kein Gesetz, das die Universitäten allein betrifft, sondern …
von Billerbeck: Klar, aber Sie haben ja viele ausländische Studenten oder Gastdozenten.
Nellers: Ja, ich weiß, dass die Hochschulrektorenkonferenz dieses Thema aufgegriffen hat und vor diesem Hintergrund sah ich keine zusätzliche Notwendigkeit, mit einzelnen Universitäten Kontakt aufzunehmen.
von Billerbeck: Ausnahmen von dieser Befragung, so habe ich es gelesen, so hat es der nordrhein-westfälische Innenminister gesagt, die gebe es nur für besonders vertrauenswürdige Personen. Wer entscheidet eigentlich darüber, wer dieses Prädikat erhält?
Nelles: Auf diese Ausnahmeregelung hat mich der Innenminister in seinem Schreiben auch hingewiesen. Zuständig für die Umsetzung der Befragungen sind die kommunalen Ausländerbehörden. Und ich habe im Senat versprochen, während der laufenden Urlaubszeit ist das nur schwer umzusetzen, dass die Universitätsleitung mit der Stadt noch einmal Kontakt aufnehmen wird, um zu erfragen, inwieweit die Ausländerbehörden von ihrem Ermessen und ihrer Beurteilung Gebrauch machen werden, um Angehörige und Mitglieder der Universität auszunehmen.
von Billerbeck: Ich habe gelesen, dass es in diesem Fragebogen auch eine Frage gibt, die einzige, die man nicht beantworten muss, nämlich ob man bereit sei, mit den Sicherheitsbehörden Kontakt aufzunehmen. Meinen Sie, dass diese Kontaktaufnahme dann vielleicht auch hilfreich ist, um besonders vertrauenswürdige Person zu werden?
Nellers: Das ist der Ausweg, den ich als allerletzten in Betracht ziehen würde.
von Billerbeck: Setzt sich die Universität eigentlich nur für Ausnahmen für Studenten und Gastdozenten ein, oder plädiert sie für eine komplette Abschaffung dieser Befragung?
Nelles: Wissen Sie, ich bin von Hause aus Strafrechtlerin und habe mich mit solchen Ermittlungsmethoden auch im Vorfeld von Straftaten fachlich beschäftigt. Würden Sie mich in dieser Eigenschaft fragen, würde ich sofort ein flammendes Bekenntnis für die komplette Abschaffung abgeben. Als Rektorin bin ich für die Interessen der Universität verantwortlich und würde es mir in dieser Eigenschaft nicht gestatten, meine politische Meinung kraft Amtes zu verkünden, sondern werde mich darauf konzentrieren, die Interessen der Universität in diesem Verfahren wahrzunehmen.
von Billerbeck: Ein neuer Terrorbekämpfungsfragebogen des Innenministeriums stellt Ausländer in NRW und anderen Bundesländern unter Generalverdacht. Wir sprachen mit der Rektorin der Universität Münster, mit Ursula Nelles. Ich danke Ihnen schön.
Ursula Nelles: Guten Tag, Frau Billerbeck!
von Billerbeck: Ein geheimer Fragebogen, mit dem sich einer Ihrer Studenten konfrontiert sah, erregt die Gemüter in Nordrhein-Westfalen. Wie haben Sie reagiert, als Sie davon hörten?
Nelles: Ich habe mich zunächst informieren lassen und habe dann hier intern einen unserer Juristen beauftragt, die Rechtsquellen ausfindig zu machen. Er ist bis an die Schranken des Fragebogens vorgedrungen, hat mich darüber informiert, dass nach dem Asylbewerbergesetz eine entsprechende Ermächtigung ausgesprochen ist für die Bundesländer, solche Fragebögen oder Befragungen, Sicherheitsbefragungen heißen sie ja, durchzuführen, und dass das Land Nordrhein-Westfalen davon auch Gebrauch gemacht habe, der Fragebogen selbst aber, nicht wie Sie sagen, geheim, sondern, im Bürokratendeutsch, nur für den Dienstgebrauch gedacht sei. Und dann haben wir angefragt zunächst bei der Stadt Münster, was es damit auf sich habe. Auch dort wurden wir über die Rechtslage informiert und darüber, dass wir den Fragebogen nicht einsehen dürfen, weil er ausdrücklich nur für den Dienstgebrauch bestehe, dass man aber seitens der Stadt, der Ausländerbehörde, keine andere Möglichkeit habe, als die geltenden Gesetze zu befolgen.
von Billerbeck: Haben Sie den Bogen denn inzwischen mal irgendwie zu Gesicht bekommen?
Nellers: Unsere Studierenden sind findig, fragen Sie mich nicht nach den Quellen, ich habe ihn inzwischen auch einmal gesehen.
von Billerbeck: Und wie fanden Sie die Fragen darauf?
Nelles: Ja, es sind die üblichen Fragen, von denen wer auch immer glaubt, dass eine Abwehr von terroristischen Anschlägen damit erreicht werden könne. Ich persönlich halte nicht sehr viel davon. Was mich irritiert, ist, dass die ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, es betrifft ja nicht nur Studierende, diesen Fragebogen dann, wenn sie eine Aufenthaltsgenehmigung wünschen, ausfüllen müssen, keinen Beistand, keinen anwaltlichen Beistand dazuholen dürfen, den Fragebogen nicht mitnehmen dürfen, sondern an Ort und Stelle ausfüllen müssen und dann wird der abgegeben. Und was damit geschieht, was gespeichert wird, wo und wie, das entzieht sich dann alles unserer Kenntnis.
von Billerbeck: Sie haben beim Innenminister protestiert. Wie haben Sie Ihren Protest begründet?
Nellers: Ich habe als Rektorin zunächst nicht protestiert, sondern lediglich darum gebeten, dass man die Rechtsquellen und diesen Fragebogen aufdecke, weil wir der Auffassung seien, dass im Zuge der Internationalisierung der Hochschulen, die ja nicht nur uns, sondern auch der Politik insgesamt ein Anliegen ist, Hemmschwellen und Hindernisse für ausländische Studierende, die hier studieren möchten, möglichst niedrig halten sollte, und deswegen wollte ich mir zunächst selbst ein Bild verschaffen. Ich bin dann aber auch darauf verwiesen worden, dass die Unterlagen nur für den Dienstgebrauch seien und mir deswegen nicht zustünden. Und das habe ich im Senat berichtet, der Senat hat dann eine Protestnote verabschiedet, auf die wir aber noch keine Reaktion haben bisher.
von Billerbeck: Es hat ja auch im Düsseldorfer Landtag Anfragen von den Grünen und der SPD gegeben. Die sprachen auch von einem Gesinnungstest. Was meinen Sie? Wird dieser Fragebogen zurückgenommen werden?
Nelles: Ich denke, dass das nicht der Fall sein wird. Nordrhein-Westfalen ist nicht das einzige Bundesland, das von dieser bundesgesetzlichen Ermächtigung Gebrauch gemacht hat. Hamburg, meines Wissens, führt diese Befragung auch durch und Bayern, wenn ich recht informiert bin. Die Rücknahme halte ich für weitgehend ausgeschlossen angesichts der Gläubigkeit an solche Instrumentarien zur Bekämpfung des Terrorismus.
von Billerbeck: Können Sie eigentlich den Argumenten folgen, wenn Sicherheitsbehörden sagen: Ja, wenn etwas passiert, dann werdet ihr die Ersten sein, die uns also die Schuld zuschieben – und man erinnert ja dann immer an die gescheiterten Attentate mit Kofferbomben in Regionalbahnen im Juli 2006 in Nordhrein-Westfalen.
Nellers: Ich kann nachvollziehen, dass die Sicherheitsbehörden so denken, ob das auf rationaler Grundlage beruht, dass man meint, mit solchen Befragungen, solchen flächendeckenden Befragungen terroristische Anschläge verhindern zu können, das halte ich für fragwürdig, denn die Sammelwut, was Daten angeht über die Gesamtbevölkerung, ist ja in den letzten Jahrzehnten unentwegt gestiegen. Und dass der eine oder andere Anschlag verhindert werden konnte, mag auf allerlei, aber nicht unbedingt auf flächendeckender Befragung beruhen.
von Billerbeck: Haben Sie eigentlich mit anderen Unis Kontakt aufgenommen, um zu erfahren, ob es auch da solche Fälle gab und ob man sich vielleicht zusammentun könnte, sollte?
Nelles: Nein, es ist erstens kein Gesetz, das die Universitäten allein betrifft, sondern …
von Billerbeck: Klar, aber Sie haben ja viele ausländische Studenten oder Gastdozenten.
Nellers: Ja, ich weiß, dass die Hochschulrektorenkonferenz dieses Thema aufgegriffen hat und vor diesem Hintergrund sah ich keine zusätzliche Notwendigkeit, mit einzelnen Universitäten Kontakt aufzunehmen.
von Billerbeck: Ausnahmen von dieser Befragung, so habe ich es gelesen, so hat es der nordrhein-westfälische Innenminister gesagt, die gebe es nur für besonders vertrauenswürdige Personen. Wer entscheidet eigentlich darüber, wer dieses Prädikat erhält?
Nelles: Auf diese Ausnahmeregelung hat mich der Innenminister in seinem Schreiben auch hingewiesen. Zuständig für die Umsetzung der Befragungen sind die kommunalen Ausländerbehörden. Und ich habe im Senat versprochen, während der laufenden Urlaubszeit ist das nur schwer umzusetzen, dass die Universitätsleitung mit der Stadt noch einmal Kontakt aufnehmen wird, um zu erfragen, inwieweit die Ausländerbehörden von ihrem Ermessen und ihrer Beurteilung Gebrauch machen werden, um Angehörige und Mitglieder der Universität auszunehmen.
von Billerbeck: Ich habe gelesen, dass es in diesem Fragebogen auch eine Frage gibt, die einzige, die man nicht beantworten muss, nämlich ob man bereit sei, mit den Sicherheitsbehörden Kontakt aufzunehmen. Meinen Sie, dass diese Kontaktaufnahme dann vielleicht auch hilfreich ist, um besonders vertrauenswürdige Person zu werden?
Nellers: Das ist der Ausweg, den ich als allerletzten in Betracht ziehen würde.
von Billerbeck: Setzt sich die Universität eigentlich nur für Ausnahmen für Studenten und Gastdozenten ein, oder plädiert sie für eine komplette Abschaffung dieser Befragung?
Nelles: Wissen Sie, ich bin von Hause aus Strafrechtlerin und habe mich mit solchen Ermittlungsmethoden auch im Vorfeld von Straftaten fachlich beschäftigt. Würden Sie mich in dieser Eigenschaft fragen, würde ich sofort ein flammendes Bekenntnis für die komplette Abschaffung abgeben. Als Rektorin bin ich für die Interessen der Universität verantwortlich und würde es mir in dieser Eigenschaft nicht gestatten, meine politische Meinung kraft Amtes zu verkünden, sondern werde mich darauf konzentrieren, die Interessen der Universität in diesem Verfahren wahrzunehmen.
von Billerbeck: Ein neuer Terrorbekämpfungsfragebogen des Innenministeriums stellt Ausländer in NRW und anderen Bundesländern unter Generalverdacht. Wir sprachen mit der Rektorin der Universität Münster, mit Ursula Nelles. Ich danke Ihnen schön.