Umstrittener Kulturaustausch

Von Alexander Musik |
Ende November wird in Wien das "König Abdullah-Zentrum" eröffnen, das den interreligösen Austausch fördern soll. Was nach einer guten Idee klingt, stößt auf Protest: Denn finanziert wird das Zentrum ausschließlich von Saudi-Arabien, wo eine besonders rigide Spielart des Islam herrscht.
Noch ist das neobarocke Stadtpalais in der Wiener Innenstadt, das das saudische Königreich für 13,4 Millionen Euro erworben hat, eingerüstet; innen verwandelt derzeit ein Bautrupp das denkmalgeschützte Gebäude in ein Bürohaus. Ab 26. November soll hier getagt werden: mindestens einmal jährlich, so steht es im Gründungsvertrag für das Dialogzentrum, das den saudischen Alleinherrscher König Abdullah im Titel trägt.

Dialog führen dank der Millioneninvestitionen aus dem Land des strenggläubigen Wahhabismus, das andere Religionen gar nicht erst zulässt - ist das nicht Heuchelei? Die Grüne Parlamentarierin Alev Korun ist eine der schärfsten Kritikerinnen des Dialogzentrums.:

"Wenn man nach Saudi-Arabien schaut, wo Religionsfreiheit völlig ein Fremdwort ist leider, dann ist das leider der falsche Partner unserer Meinung nach. Wir sind nicht gegen den Dialog, auch mit Saudi-Arabien muss man natürlich Gespräche führen. Allerdings einem Dialogzentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog den Namen des saudischen Königs zu geben, weil er ein Palais auf der Ringstraße in Wien gekauft hat, und weil er das kostenlos sozusagen dem Projekt zur Verfügung stellt, das ist politisch ein großer Fehler unserer Meinung nach."

Michael Goldinger, von Haus aus Unternehmensberater, ist Sprecher des Abdullah-Zentrums. Im Gespräch benennt er durchaus die Schattenseiten der saudischen Gesellschaft. Auch er kennt natürlich die Aussage eines der wichtigsten saudischen Geistlichen, alle Kirchen in den Golfstaaten niederzureißen. Sicher, die Todesstrafe werde vollstreckt in Saudi-Arabien, aber verglichen mit der Bevölkerungszahl weitaus seltener als etwa in China.

Dass das Wiener Dialogzentrum nach König Abdullah benannt sei, erachtet er als positiv, für einen Schritt hin zum religiösen Tauwetter in Abdullahs Heimat:

"Deswegen wird in Saudi-Arabien sehr genau geschaut, was macht das Zentrum, und es hat automatisch eine Rückwirkung. Der saudische König - auch wenn das bei uns auch manchmal anders gesehen wird - kann nicht einfach so ein Zentrum initiieren, das muss natürlich, und darauf hat er Wert gelegt, innerhalb Saudi-Arabiens auf eine gewisse Zustimmungsbasis stoßen."

2007 führte König Abdullah "eines der wichtigsten Gespräche seines Lebens", wie er sagte: mit dem Papst. In den Jahren danach nahm die Idee des interreligiösen Dialogzentrums Formen an. Der im Oktober 2011 in Wien unterzeichnete Gründungsvertrag sieht bis zu zwölf Vertreter der Weltreligionen für das Arbeitsorgan des Zentrums vor, das Direktorium.

Derzeit begnügt man sich mit neun: Einem Juden, drei Christen, drei Vertretern des Islam, davon ein Schiit und zwei Sunniten, je einem Vertreter des Hinduismus und des Buddhismus. Der Vatikan hat Beobachterstatus. Die für vier Jahre gewählten Herren aus dem Direktorium kennen sich seit langem, sagt Goldinger. Menschenrechtssprecherin Alev Korun von den Grünen glaubt nicht an einen ernsthaften Dialog zwischen ihnen:

"Ich denke, im besten Fall werden dort Belanglosigkeiten ausgetauscht, wie: Wir haben uns alle lieb und wir sind alle in Respekt miteinander! Im schlimmsten Fall ist das der Persilschein für den Wahhabismus in Europa."

Auch Gudrun Harrer, Nahost-Expertin der liberalen österreichischen Tageszeitung "Standard", kann nicht ausschließen, dass im Zentrum die "üblichen Vertreter der Dialogindustrie" miteinander reden werden. Doch sie lädt zum Perspektivwechsel ein: Auch auf Saudi-Arabien sei eine differenzierte Sicht möglich. König Abdullah, mittlerweile 87 Jahre alt, gelte in seinem Land als Reformer, der schon 2003 Dialogkonferenzen zu gesellschaftspolitischen Problemen organisieren ließ. Öffnung des Landes in "homöopathischen Dosen" sei das und manchen Hardlinern in Saudi-Arabien schon zu viel.

Wird der in Europa kaum wahrgenommene Reform-Eifer des Königs sich auf die Arbeit des Wiener Zentrums auswirken? Marcus Bergmann, Leiter des Referats Multilaterale Außenwirtschaftsbeziehungen im Bundesministerium für europäische Angelegenheiten, und zuständig für das Dialogzentrum, hält sich noch bedeckt:

"Das Zentrum ist eine Bereicherung für Wien als Amtssitz zahlreicher internationaler Organisationen und fügt sich nahtlos in die Tradition Österreichs als Drehscheibe des internationalen Dialogs und des Friedens ein."

Besteht nicht die Gefahr, dass Österreich, im schlimmsten Fall, zur Drehscheibe des Wahhabismus wird, wie es die Grüne Alev Korun befürchtet? Sie verweist auf millionenschwere Geldspritzen aus Saudi-Arabien für Moscheenbauten:

"Seit Jahren ist es bekannt, es ist keine neue Entwicklung, seit Ende des Bosnienkriegs eigentlich, dass fundamentalistische Strömungen in Bosnien aktiv sind, mit Geldern, die teilweise aus Saudi-Arabien kommen, dass auch so etwas wie wahhabitische Camps errichtet wurden, wo sehr streng religiöse Menschen zurückgezogen leben."

Keiner der großen österreichischen Religionsgemeinschaften wollte sich, trotz mehrfacher Anfrage des Deutschlandradio, zu diesem Thema äußern. Nur Pfarrer Martin Rupprecht, der die Kontaktstelle für christlich-islamische Begegnung der Erzdiözese Wien betreibt, zeigte sich zuversichtlich hinsichtlich des Zentrums. Es sei "erstaunlich", dass es König Abdullah zugelassen habe, dass im Direktorium nur drei Vertreter des Islam säßen.

Umso vehementer kritisiert der irakischstämmige, in Wien lebende Journalist Amer Albayati das Projekt. Albayati ist Gründer der Initiative liberaler Muslime in Österreich. Die Wahhabiten repräsentierten weniger als ein Prozent der Muslime weltweit, sagt Albayati:

"Vor allem der Großscheich von Al Azhar-Universität, Ahmed Al-Tayeb, eine der größten theologischen Instanzen des Islam, warnte davor, Saudi-Arabien eine Plattform für ein wahhabitisches Megazentrum in Wien zu bieten. Es sei ja bekannt, welche Unruhe die Saudis mit solchen Zentren weltweit gesät hätten und welche Doktrin dahinter stecke."

Wenn Saudi-Arabien Tausende Moscheen und Gebetsräume in Europa unterstütze, so Albayati, dann müsse es auch erlaubt sein, eine Kirche in Saudi-Arabien zu bauen. Und genau das will er:

"Wir haben schon monatelang Kontakt mit verschiedene orientalische Kirchen, wir wollen diplomatisch mit Toleranz mit Respekt ohne Störung, wir wollen einen offiziellen Brief an die Behörden zwecks Genehmigung, um eine Kirche zu bauen."

Albayati wurde wegen seines Engagements gegen Christenverfolgungen in aller Welt selbst mit dem Tode bedroht, wie er sagt. Er will am 26. November, wenn das Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog am Wiener Schottenring 21 eröffnet wird, protestieren: mit einer Mahnwache und einem symbolischen Hungerstreik.