Weitere Informationen zum aktuellen Programm des Hebbel am Ufer erfahren Sie auf der Homepage.
"Wanna Play?" hat ausgespielt

Sie sollte den Auftakt zur neuen Spielzeit garnieren – am Ende musste die Performance "Wanna Play?" des Konzeptkünstlers Dries Verhoeven vom Berliner Theater Hebbel am Ufer abgebrochen werden. Privatpersonen sahen darin ihre Persönlichkeitsrechte verletzt.
Das Ende kam am Sonntagabend:
"Ich bin Annemie Vanackere, die Leiterin vom Hau … We decided together with Dries that it was no more possible to go on with the installation. So we stopped it."
Die Installation "Wanna Play?" des niederländischen Theatermachers und Konzept-Künstlers Dries Verhoeven wurde abgebrochen. Ausgerechnet das Vorzeigeprojekt zur Spielzeiteröffnung des HAU.
"Ich bin Annemie Vanackere, die Leiterin vom Hau … We decided together with Dries that it was no more possible to go on with the installation. So we stopped it."
Die Installation "Wanna Play?" des niederländischen Theatermachers und Konzept-Künstlers Dries Verhoeven wurde abgebrochen. Ausgerechnet das Vorzeigeprojekt zur Spielzeiteröffnung des HAU.
Was war passiert? Mitte letzte Woche war Verhoeven in einen gläsernen Wohncontainer mitten in Kreuzberg gezogen. Einziger Kontakt zur Außenwelt: ein Smartphone, auf dem Verhoeven über schwule Dating-Apps kommunizierte. Wer ihn in seinem gläsernen Zuhause besuchen wollte, musste vorher über "Grindr" oder "gayromeo" mit ihm in Kontakt treten.
Dries Verhoeven: "Je mehr wir Online gehen, um einander zu treffen, je kleiner das Bedürfnis es im öffentlichen Raum zu machen."
Minderheiten wie Homosexuelle verschwinden aus der Wahrnehmung des öffentlichen Raums - so die These des Künstlers. Nur was passiert, wenn ich als Schwuler gar nicht will, dass mein Nachbar mitbekommt, mit wem ich mich treffe? Auf der Rückwand des Wohncontainers wurden die Negative von Internetprofilfotos projiziert. Daneben liefen die Chats verschiedener User mit Verhoeven über den LED–Bildschirm.
Dries Verhoeven: "Je mehr wir Online gehen, um einander zu treffen, je kleiner das Bedürfnis es im öffentlichen Raum zu machen."
Minderheiten wie Homosexuelle verschwinden aus der Wahrnehmung des öffentlichen Raums - so die These des Künstlers. Nur was passiert, wenn ich als Schwuler gar nicht will, dass mein Nachbar mitbekommt, mit wem ich mich treffe? Auf der Rückwand des Wohncontainers wurden die Negative von Internetprofilfotos projiziert. Daneben liefen die Chats verschiedener User mit Verhoeven über den LED–Bildschirm.
"Ich wollte das, was in der Regel nur eine Person sieht, für alle öffnen. Es war immer meine Absicht, dass niemand herausfinden sollte, mit wem ich mich online unterhielt."
Die Absicht reichte in der Praxis nicht. Trotz Anonymisierung erkannten Passanten ihre Freunde hinter den veröffentlichten Chats. User, die Verhoeven in dem Glauben treffen wollten, sie seien in seine private Wohnung eingeladen, reagierten entsetzt, als sie ihre Internet-Unterredung auf der Leinwand sahen. Und die These des Künstlers vom Abwandern nicht mehrheitskonformer Lebensweisen in die Virtualität, sie löste sich am Sonntagabend im ganz realen Protest der Betroffenen auf.
Performance-Reihe zum Auftakt der Spielzeit
"Treffpunkte" so lautet das Motto der Performance-Reihe zum Auftakt der Spielzeit im HAU. An das Zusammentreffen erboster Zuschauer mit einem ihrer Künstler hatte Intendantin Annemie Vanackere sicher nicht gedacht. Schade, dass über der Diskussion um Dries Verhoevens Installation die anderen Programmpunkte kaum noch wahrgenommen werden.
Sara Vanhees "Lecture For Everyone" zum Beispiel: Sie und ihr Team agieren ausschließlich im realen Raum. Die Bühne ihrer "Lecture For Everyone" ist dabei alles andere als frei zugänglich. Denn irgendwann, war es die Künstlerin leid, dass sie mit ihren Performances immer nur das gleiche irgendwie kunstinteressierte Publikum erreichte, also suchte sie sich Anlässe, zu denen Menschen zusammen kommen: Vereinssitzungen, Vorstandssitzungen, Elternabende, Gottesdienste, Vorlesungen oder in einem Deutschkurs in der Volkshochschule, wie vor ein paar Tagen in Berlin:
Sara Vanhees: "Wir gehen jetzt gleich in den Deutschkurs. Am Anfang der zweiten Stunde gehen wir rein mit der 'Lecture For Everyone'."
Nur die Lehrerin ist eingeweiht und verliest den Einleitungstext. Dann geht eine Schauspielerin ans Pult.
"Wir leben alleine, wir leben mit anderen…"
Mehr darf nicht aufgenommen werden. Der immer gleiche Text soll nicht öffentlich zugänglich sein. Die Performance lebt vom Überraschungsmoment. Die"Lecture" ist wie eine sehr gute Predigt aufgebaut, die ohne Gott auskommt. "Ich sehe Körper", sagt die Schauspielerin. Dann erzählt sie von einem heimatlosen Taxifahrer und verflossenen Lieben.
Irgendwie geht es um das große Ganze: Wie sollen wir zusammenleben? Die Schauspielerin verschweigt nicht, dass sie denselben Text schon x-mal gehalten hat, und trotzdem nehme ich ihr in diesem Moment ab, dass sie mich ganz persönlich meint. Am Schluss verlässt sie den Raum so rasch, wie sie eingetreten ist. Ein paar der Sprachschüler müssen schlucken.
Zurück am HAU. Hier steht der dritte Beitrag zum Motto "Treffpunkte" auf dem Programm. Ivo Dimchevs Performance "Fest". Dimchev spielt sich selbst als provokanten Performer, der von einer angeblichen Kollegin der HAU-Intendantin zu einem Festival nach Kopenhagen eingeladen wird.
Zurück am HAU. Hier steht der dritte Beitrag zum Motto "Treffpunkte" auf dem Programm. Ivo Dimchevs Performance "Fest". Dimchev spielt sich selbst als provokanten Performer, der von einer angeblichen Kollegin der HAU-Intendantin zu einem Festival nach Kopenhagen eingeladen wird.
Die beiden agieren wie ferngesteuerte Zombies. Die sprichwörtliche Parallele von freier Kunstszene und Prostitution wird hier wörtlich in handfesten Cunnilingus übersetzt. Eiskalt und trotzdem zutiefst berührend. Man würde laut loslachen, wenn einem nicht der Atem stocken würde.
Der Abend endet für den Performer tödlich. Aber auch als untoter Zombie kann der blutüberströmte Dimchev das obligatorische Publikumsgespräch überstehen. Keine Stunde später beginnt die reale Diskussion mit Dries Verhoeven. Auch hier kämpft ein Künstler um sein Überleben und muss sein Scheitern eingestehen:
"Ich komme mir vor, als würde ich mich selbst ins Schlachthaus einliefern."
Drei Künstler an der Schnittstelle zwischen realem Alltag und fiktivem Theaterraum. Der eine verliert auf der Suche nach echten Begegnungen seine Glaubwürdigkeit, die andere überrumpelt ihr Publikum mit Ehrlichkeit, der letzte mutet seinem Publikum und sich kaum auszuhaltende Intimität auf der Bühne zu. Wen das nicht rührt, der hat kein Herz.
Der Abend endet für den Performer tödlich. Aber auch als untoter Zombie kann der blutüberströmte Dimchev das obligatorische Publikumsgespräch überstehen. Keine Stunde später beginnt die reale Diskussion mit Dries Verhoeven. Auch hier kämpft ein Künstler um sein Überleben und muss sein Scheitern eingestehen:
"Ich komme mir vor, als würde ich mich selbst ins Schlachthaus einliefern."
Drei Künstler an der Schnittstelle zwischen realem Alltag und fiktivem Theaterraum. Der eine verliert auf der Suche nach echten Begegnungen seine Glaubwürdigkeit, die andere überrumpelt ihr Publikum mit Ehrlichkeit, der letzte mutet seinem Publikum und sich kaum auszuhaltende Intimität auf der Bühne zu. Wen das nicht rührt, der hat kein Herz.