Umgang mit Stottern

“Ich habe andere Leute für mich sprechen lassen”

28:00 Minuten
Illustration: Eine Frau schreit verstümmelte Zahlen und Buchstaben.
Als Schülerin wurde Ines wegen ihres Stotterns ausgegrenzt. Erst als Erwachsene fand sie Hilfe. © imago / Ikon Images / Gary Waters
Dörte Fiedler im Gespräch mit Sonja Koppitz · 12.11.2021
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Ines stottert. In der Schule gerät sie unter Druck, später entwickelt sie Strategien, um das Sprechen möglichst zu vermeiden. Als Erwachsene fühlt sie sich einsam und isoliert. Doch dann trifft sie auf Menschen, denen es ähnlich geht wie ihr.
Seit sie ein Kind ist, hat Ines eine Sprachflussstörung: Sie stottert. Wirklich bewusst wird ihr das allerdings erst in der Grundschule, als ihre Klassenlehrerin ungeduldig reagiert: "Wenn ich mich gemeldet habe, hat sie gesagt: Das dauert mir zu lange; ich brauche mich gar nicht zu melden."
Immer wieder gerät sie in den nächsten Jahren in unangenehme Situationen. Da ist die Krankenpflegerin, die sie jeden Morgen fragt, was die Landeshauptstadt Brandenburgs sei – wohlwissend, dass das "P" in "Potsdam" für Ines unaussprechlich bleibt. Da ist die Berufsberaterin, die ihr von ihrem Berufswunsch als Schneiderin abrät, weil das ein Sprechberuf sei.
Auf einer Förderschule lernt sie Strategien, das Stottern zu reduzieren. "Dann gab es sieben Sätze. Einen weiß ich noch: 'Ich spreche langsam und ich überlege mir, bevor ich spreche.' Das habe ich wörtlich genommen und hatte dann die ganzen Sätze auch schon drin. Bevor ich gesprochen habe, wusste ich genau, welche Sätze ich sage. Ich war nicht mehr spontan."
Ines gibt immer mehr Freiheiten auf und entwickelt Strategien, um das Sprechen zu vermeiden: "Ich habe andere Leute für mich sprechen lassen." Nach außen hin funktioniert sie, doch in ihrem Innern steigt der Druck.
Ines fühlt sich einsam und isoliert. Bis eine einfühlsame Logopädin sie einer Stotterer-Selbsthilfe vorstellt: "Da darf ich stottern, weil alle stottern. Man erzählt sich Stotterwitze und lacht darüber. Es ist eine Leichtigkeit, wie man mit dem Stottern umgeht. Da habe ich auch gelernt, dass man alles machen kann mit Stottern: Man kann Ärztin werden und man kann auch Lehrer werden, auch mit Stottern, das war für mich vorher undenkbar."
Dörte Fiedler erzählt bei "Plus Eins" wie Ines Schritt für Schritt lernt, mit ihrem Stottern zu leben. Denn irgendwann erkennt sie: Nicht mein Stottern ist das Problem, sondern die Angst meines Gegenübers.
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