Umgang mit Behinderung an Schulen

Umsetzung von Inklusion: Mangelhaft!

06:15 Minuten
Der Junge Kilian mit Down-Syndrom hält an seinem ersten Schultag in der Grundschule Bennigsen in Springe bei Hannover ein selbstgemaltes Bild in die Höhe.
Kilian (li.) wurde mit Down-Syndrom geboren. In der Grundschule Benningsen gehen Kinder mit und ohne Behinderung in dieselbe Klasse. © imago / epd
Udo Beckmann im Gespräch mit Heidrun Wimmersberg · 28.05.2019
Audio herunterladen
Es fehlt an Materialien, Psychologen und Sonderpädagogen: Deutschlands Schulen sind nicht gerüstet für den Wandel zum inklusiven Schulsystem. Die Bildungspolitiker der Länder hätten den Aufwand unterschätzt, urteilt Erziehungsgewerkschaftler Udo Beckmann.
Das Modell des gemeinsamen Unterrichts von behinderten und nicht behinderten Kindern hat sich in Deutschland bislang nicht flächendeckend durchgesetzt. Diese Bilanz zog jüngst das Institut für Menschenrechte, gut zehn Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention. Nach wie vor gebe es zu viele Sonder- und Förderschulen, und noch immer besuchten zu wenig Schüler mit Behinderung eine allgemeinbildende Schule, so das Fazit dieser Bilanz.
In Baden-Württemberg etwa steigt zwar der Anteil behinderte Kinder an den Regelschulen, doch eine aktuelle Umfrage des Forsa-Instituts unter rund 500 Lehrern im Land zeigt auch: Die Lehrkräfte fühlen sich hier mit den anspruchsvollen Aufgaben der Inklusion von der Politik alleingelassen. Die Ausstattung für den gemeinsamen Unterricht sei unzureichend, es fehle am Fachpersonal. Manche Pädagogen sehen behinderte Kinder unter den aktuellen Bedingungen der Inklusion sogar benachteiligt.

Erfolg erst in Jahren sichtbar

Udo Beckmann, Chef der Gewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE), kann die Bedenken vieler Lehrer verstehen: "Wir haben nicht genügend ausgebildete Sonderpädagogen auf dem Lehrermarkt." Erst jetzt würden vermehrt Anstrengungen unternommen, den Erfolg erweiterter Studienkapazitäten aber werde man erst in sieben bis acht Jahren spüren. Darüberhinaus mangele es an Schulpsychologen und Schulsozialpädagogen. Auch hier habe es die Politik versäumt, die notwendigen Bedingungen für ein Gelingen der Inklusion zu schaffen, so Beckmann.
Die Probleme seien schlicht viel zu spät erkannt worden, so Beckmann: "Anfangs hat man davon geträumt, dass das inklusive Schulsystem letztendlich ein Modell sei, bei dem die Finanzminister Lehrerstellen einsparen könnten. Wir haben von Anfang an gewarnt, dass das ein Trugschluss ist." Für einen inklusiven Unterricht werde man mehr Personal brauchen, vor allem dann, wenn man das Wahlrecht der Eltern hochhält, so Beckmann.

Förderschule oder Regelschule?

Durch das Wahlrecht der Eltern werde eine Doppelstruktur geschaffen: Einerseits müssen Förderschulen erhalten bleiben, andererseits muss es ermöglicht werden, dass die, die es wollen, auf einer Regelschule inklusiv gefördert werden.
Udo Beckmann rät Eltern, sich genau zu informieren, bevor sie die Entscheidung fällen, ihr Kind auf eine Förderschule zu schicken oder auf eine allgemeinbildende Schule, die inklusiv unterrichtet. Da Eltern ihr Kind eben sehr gut kennen, sollten sie das Gespräch mit den Schulen suchen um genau zu erfahren, welche Möglichkeiten die einzelne Schule hat, den Förderbedarf ihres Kindes zu erfüllen, so Beckmann.
Dass Landesregierungen - wie die von Nordrhein-Westfalen jetzt - entschieden, dass Gymnasien aus der Inklusion aussteigen dürften, sei hingegen falsch. Damit überlasse man es anderen, diese Aufgabe zu übernehmen. Inklusion solle an allen Schulformen möglich sein, und dafür müssten die Bedingungen stimmen. Beckmann resümiert, dass es bis heute kein einziges "Vorzeige-Bundesland" gebe, über das man sagen könne, "die Inklusion an Schulen läuft gut."
Mehr zum Thema