Um die ganze Welt

Von Michael Schornstheimer |
Im Zweiten Weltkrieg beschäftigte sich Werner Bischof zunächst mit Modefotografie. Ab 1945 reiste er durch das zerstörte Europa und dokumentierte die Verwüstungen. Weitere Stationen seines Fotografen-Lebens waren etwa Indien, Korea und Japan und schließlich die Kultur der Inka in Peru, wo Bischof 1954 bei einem Autounfall tödlich verunglückte.
Die Ausstellung beginnt im Erdgeschoss mit den letzten Arbeiten Werner Bischofs in den fünfziger Jahren. Er reiste durch Süd- und Nordamerika. In Mexiko fotografierte er einen jungen Mann auf der Straßenkreuzung, der sich als Feuerschlucker seinen kargen Lebensunterhalt verdiente. Die Abzüge - teils farbig, teils schwarz-weiß - sind so vergrößert, dass die Menschen und ihre Gesichter lebensecht wirken: Wie die wettergegerbte, faltige Haut der indianischen Marktfrau. Oder der peruanische Junge, der entspannt und gleichzeitig konzentriert an einem Abgrund entlanggeht und dabei Flöte spielt.

In Chicago fotografierte Werner Bischof einen Invaliden, dem beide Beine vollständig fehlen. Er sitzt auf einem schäbigen, zusammengenagelten Holzbrett mit Rollen darunter und versucht, sich über die belebte Kreuzung zu schieben. Mit Einkaufstüten bepackte Hausfrauen starren ihn feindselig an.

Scheinbar im Widerspruch dazu steht ein hochformatiges Farbfoto einer blankpolierten Limousine, in der sich Himmel und Fassaden spiegeln. Aber nicht Bewunderung soll diese Fotografie dokumentieren, sondern Distanz und Kritik, erläutert der Sohn und Kurator, Marco Bischof. Sein Vater, der bei einem Autounfall in Peru ums Leben kam, als der Sohn gerade vier Jahre alt war, habe die "kalte Dollarwelt" skeptisch betrachtet. Diese Sicht unterstreicht ein weiteres Foto eines eleganten Managers, der zusammengesackt vor zwei Schachteln Zigaretten und einem vollen Aschenbecher sitzt.

"Dieses Bild "Manager in New York City" ist ein unheimlich intimes Bild, finde ich, weil, man hat so den Eindruck, dass da ein Mensch einfach mal so abspannt nach einem strengen Tag, sitzt im weiß ich wievielten Stock in Manhattan vor dieser glamourösen Skyline, aber innerlich eigentlich ziemlich unglücklich. Und das war eine starke Qualität von Werner Bischof, dass er mit den Leuten sich so kommunizieren konnte, dass nicht das Gefühl entstand, da wird jetzt fotografiert. Es wirkt überhaupt nicht gestellt, sondern es sind intime Momente, die er erfassen konnte, mit seiner Kamera und dadurch eben auch eine ganze Stimmung ausdrücken. Also ich hab vorhin von der kalten Dollarwelt gesprochen, die er in einem seiner Briefe erwähnt und ich finde, das ist ein Bild, das absolut auf diese Stimmung zutrifft."

Werner Bischof studierte an der Züricher Kunstgewerbeschule und beschäftige sich zunächst mit Modefotografie. Währendessen wütete der Zweite Weltkrieg. 1945 konnte er seinen Elfenbeinturm Schweiz verlassen. Mit Hilfe einer besonderen Akkreditierung war es ihm möglich, durch das zerstörte Europa zu reisen und die Verwüstungen zu dokumentieren. Das Verlagshaus DU stellte ihm einen Wagen mit eingebauter Dunkelkammer zu Verfügung. Diese Bilder sieht man im ersten Stock des Postfuhramtes.

Freiburg ist eine Trümmerwüste. Nur die Straßen sind peinlich sauber gefegt. Dresden liegt in Schutt und Asche. Unter der ausgebrannten Reichstagskuppel in Berlin türmen sich ineinander gekeilte Fahrzeuge. Die Fotos machten Eindruck. Auch bei den Gründern der Fotoagentur Magnum. Die luden ihn zu Mitarbeit ein.

Das Magazin Paris Match schickte ein Telegramm an Werner Bischof und bestellte eine Serie über das heldenhafte Leben der französischen Soldaten in Indochina, erzählt Sohn Marco.

"Der wurde einfach sauer und hat gesagt, so etwas interessiert mich nicht, ich will nicht den Krieg zeigen in dem Sinn. Sondern ich will zeigen die leidende Zivilbevölkerung, und hat sich dann ein kleines Dorf ausgesucht, im Zentrum von Vietnam, ist dorthin gegangen. Da sind die Leute natürlich sofort alle verschwunden und er hat sich dann hingesetzt und hat angefangen zu zeichnen, (...). Und dann sind die Kinder hervorgekommen und haben geschaut, was macht der so und nach einer gewissen Zeit ist dann ein Mädchen gekommen und hat ihm ein Ei überreicht. Und das war dann das Zeichen, dass er in dem Dorf willkommen ist, und dann sind die Türen wiederaufgegangen und das Leben ist wieder weitergegangen. Da ist er zwei Wochen dort geblieben und das sind die Geschichten, die ihn interessiert haben."

Die Fotografie war zu Beginn der fünfziger Jahre - vom Kino abgesehen - das einzige visuelle Medium. Was die Menschen von der Welt sahen, waren die Fotos in den Illustrierten. Es waren die "goldenen Jahre" des Fotojournalismus. Und trotzdem sah Werner Bischof die Arbeit seiner eigenen Zunft auch mit Unbehagen. Das illustriert eine Aufnahme, die in Indochina entstand: Eine Meute von Fotojournalisten drängt sich dicht auf wenigen Quadratmetern ...

"Das Interessante ist jetzt erstens Mal, dass Werner Bischoff dieses Foto benannt hat als "Hyänen der Schlachtfelder". Und obwohl er ja in einer gewissen Sinn selber dazu gehört hat, ist es typisch, dass er selber seine eigene Situation reflektiert hat. Und das ist eines meiner Lieblingsbilder und ich finde es sehr stark, weil es zeigt, wie die ganze Auseinandersetzung mit den Medien bei uns läuft, ich erwähne nur ein Wort: diese embedded journalists, die wir je länger je mehr haben und dass eben die ganze Information nur noch so kanalisiert wird, wie das gewisse einflussreiche Leute haben wollen."

Service:
Die Ausstellung "WernerBischofBilder. Retrospektive" ist bis zum 24. September im C/O-Berlin zu sehen.