Ulla Schmidt: Gleicher Beitragssatz für alle ist richtig

Ulla Schmidt im Gespräch mit Birgit Kolkmann |
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hat die Einführung des umstrittenen Gesundheitsfonds verteidigt. Durch den Gesundheitsfonds wüssten die Kassen im Vorhinein, wie viel Geld sie zur Verfügung hätten und könnten das ganze Jahr planen, sagte Schmidt.
Birgit Kolkmann: Zwei Jahre ist diskutiert worden über die Reform des Gesundheitswesens, am Ende einigte sich die Große Koalition auf die Einführung des Gesundheitsfonds. In den wandern ab sofort alle Krankenversicherungsbeiträge, und aus diesem Topf werden dann die Krankenkassen bedient. Allerdings gibt es jetzt nur noch einen einheitlichen Beitragssatz von 15,5 Prozent des Einkommens. Wirtschaftet eine Kasse gut, kann es zwar Rückzahlungen geben, aber Ökonomen haben ausgerechnet, dass es für die Versicherten auf jeden Fall teurer wird, weil das Geld nicht ausreicht. Und die großen Krankenversicherer schlagen schon Alarm, dass es vorne und hinten nicht reichen wird. Ulla Schmidt begrüße ich am Telefon, die SPD-Gesundheitsministerin. Schönen guten Morgen, Frau Schmidt.

Ulla Schmidt: Guten Morgen.

Kolkmann: Frau Schmidt, klingeln Ihnen die Ohren bei so viel negativer Begleitmusik zum Gesundheitsfonds?

Schmidt: Ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich habe das erwartet, denn im Gesundheitswesen können Sie nie eine Reform machen, ohne dass alle die Katastrophe herbeibeschwören.

Kolkmann: Das sagen aber nun immerhin doch große Kassenvorstände wie von der Techniker Krankenkasse, von der Barmer, von der DAK, um nur einige Beispiele zu nennen.

Schmidt: Die Barmer ist, glaube ich, ganz zufrieden mit dem Fonds und auch den Zuweisungen aus dem Fonds. Es ist klar, es ist eine Reform, die auch die Arbeitsweisen der Krankenkassen grundsätzlich verändert. Bisher hat jede Krankenkasse ihren Beitragssatz festgelegt und hat natürlich immer darauf gehofft, wenn sie viele Kranke hat, wenn sie viele ältere Menschen hat, dass sie den Ausgleich von anderen Kassen und deren Beitragssätzen mit erhalten.

Und jetzt sagen wir, wenn alle den gleichen Leistungsanspruch haben, alle gehen zum gleichen Arzt oder haben gleichen Anspruch auf Medikamente, auf Rehabilitation, auf Prävention, auf Behandlung, auf stationäre Behandlung, dann ist es auch richtig, dass alle den gleichen Beitragssatz bezahlen. Und den legt der Staat fest auf Grundlage eines Schätzerkreises, die angeben, was wird denn im folgenden Jahr an Einnahmen erwartet und was wird an Ausgaben erwartet.

Kolkmann: Also mit 15,5 Prozent startet der Gesundheitsfonds, und es ist nun doch so, dass die Barmer auch schon sagt, das wird ja auch in den nächsten Jahren nicht ausreichen. Und es gibt ja nun auch wiederum Schätzungen von Experten, die sagen, bis zum Jahr 2010 wird das etwa bei 20 bis 22 Prozent liegen, und das kann dann keiner mehr bezahlen.

Schmidt: Nein, das kann auch keiner bezahlen, das wird auch nicht da liegen, weil wenn Sie im Grunde genommen bei über 20 Prozent wären, das sind ja 70 Milliarden mehr. Ich bin immer dafür, dass wir realistisch bleiben. Erstens: Das, was der Einzelne für Gesundheit aufbringen muss, wird nicht weniger werden. Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir immer mehr ältere Menschen haben, auch hochaltrige Menschen, immer mehr über 100, wovon viele dauerhaft auch eine Behandlung benötigen.

Und wir haben heute eine Situation, dass die Leistungen auch deswegen teurer werden, weil eben der medizinische Fortschritt vieles ermöglicht, was früher gar nicht möglich war. Heute haben wir eine höhere Überlebensrate in der Tumorbekämpfung, wir sind Spitze in der Transplantationsmedizin und vielen anderen Dingen mehr. Deshalb wird es teurer werden.

Kolkmann: Wenn aber die Beiträge nicht weiter steigen sollen, Frage: Wovon wird es dann bezahlt?

Schmidt: Aber niemand sagt doch, dass bis zu 2020 oder wann die Beiträge nicht steigen, das kann doch gar keiner vorhersagen. Unser Ziel ist, dass die Beiträge dadurch auch stabil gehalten werden, indem Jahr für Jahr wir normale Einkommenszuwächse haben, wenn die Menschen eine hohe Beschäftigung haben, wenn es eine ganz normale Einkommensentwicklung gibt, dann wird auch das, was mehr an Gesundheit ist, mit davon abgedeckt, dass es Mehreinnahmen dadurch gibt, dass wir hohe Beschäftigung haben, dass wir gute Einnahmen haben, dass auch die Menschen einen vernünftigen Lohn haben bei ihrer Arbeit. Da ist der Mindestlohn zum Beispiel ein Faktor. Weil es ist ein Unterschied, ob ich von 10 Euro die Stunde Beiträge bezahle oder von 3,50 Euro.

Kolkmann: Auf der anderen Seite haben wir jetzt aber die Wirtschaftskrise mit der Erwartung, dass eine Menge Arbeitsplätze verloren gehen. Auch das wird schon eingepreist in dem Gesundheitsfonds, und da wird gesagt, da gehen schon mal gleich wieder 440 Millionen mindestens uns flöten, wir brauchen das Geld als Zuschuss vom Bund. Und der Bund denkt ja auch beim zweiten Konjunkturpaket darüber nach, die Versicherungsbeiträge auch bei der Krankenversicherung mit zu stützen.

Schmidt: Ja, aber die Dinge sind doch unabhängig vom Gesundheitsfonds. Ich will das ja nur mal versuchen zu erklären.

Kolkmann: Ja, wenn Arbeitsplätze verloren gehen, gibt es doch auch weniger Beiträge in die Krankenversicherung.

Schmidt: Ja, aber die gäbe es immer, ob wir den Gesundheitsfonds haben oder nicht, sondern durch den Gesundheitsfonds und dadurch, dass der Beitragssatz festgelegt ist, dass die Krankenkassen wissen, dass sie im kommenden Jahr 167 Milliarden über Beiträge und inklusive vier Milliarden Steuern zur Verfügung haben, können die das ganze Jahr planen, und nach unserer Auffassung reicht das aus, um 70 Millionen Versicherte medizinisch zu versorgen, denn es kommen ja noch die Zuzahlungen der Versicherten dazu. Und wenn jetzt die Wirtschaftskrise dazu führt, dass die Einnahmen weniger sind als noch im September geschätzt, obwohl wir da schon von einem Nullwachstum ausgegangen sind, dann tritt der Staat ein als Garant, dann wird das über Steuermittel abgefedert.

Die Kosten entstehen ja, weil die Menschen krank sind, weil sie behandelt werden müssen und weil auch bei uns Gott sei Dank jeder das Recht hat, auf der Höhe des medizinischen Fortschritts behandelt zu werden. Und wir müssen dafür sorgen, dass das Geld aufgebracht wird. Und jetzt im Konjunkturpaket wird darüber geredet, ob ein höherer Steuerzuschuss in den Gesundheitsfonds fließen soll, aber nicht, um noch mehr auszugeben, sondern um die Beitragsbelastung des Einzelnen zu reduzieren.

Der Vorschlag der SPD ist ja, dass der Sonderbeitrag von 0,9 abgeschafft wird, damit wirklich Rentnerinnen und auch Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinnen mehr Geld zur Verfügung haben, um es auch in den privaten Konsum zu stecken, damit die Konjunktur angekurbelt wird und Arbeitsplätze erhalten werden. Das sind ja alles Wirkungen, die aufeinander eingehen und voneinander abhängen, was dort passiert.

Kolkmann: Der Gesundheitsfonds ist ja ein Bestandteil mit der größten Gesundheitsstrukturreform der letzten Jahre. Glauben Sie, dass bei einem Regierungswechsel hin zu Schwarz-Gelb, wenn er denn zustande käme, dieser Fonds schon wieder auf der Kippe stünde, oder hat er Bestand?

Schmidt: Der Fonds wird nicht auf der Kippe stehen. Die SPD wird mit ihrer Mehrheit dafür sorgen, dass mehr Gerechtigkeit einzieht, indem alle sich in diesem Land sich zu gleichen Bedingungen an der Finanzierung des Gesundheitswesens beteiligen und auch alle Risiken füreinander einstehen, mit dem Ziel, dass jeder Einzelne dann jede Krankenkasse seiner Wahl frei wählen kann.

Bei der Union, wenn sie Schwarz-Gelb haben werden, werden die die Pauschale, den Zusatzbeitrag, der ja möglich ist, erhöhen. Ziel der Union ist, dass die lohnunabhängige und einkommensunabhängige Pauschale bezahlt wird, und deren Ziel ist, dass Zusatzbeiträge nicht wie jetzt auf ein Prozent des Einkommens maximal beschränkt werden, wenn sie denn gezahlt werden müssen, sondern dass dies nach oben offen geht. Die haben schon bei den Verhandlungen 3 Prozent gefordert des Einkommens, die über Zusatzbeiträge finanziert werden, und nur 90 Prozent aus dem Fonds.

Kolkmann: Vielen Dank, Ulla Schmidt von der SPD, die Gesundheitsministerin zum Start des Gesundheitsfonds jetzt zum Anfang des Jahres 2009. Danke fürs Gespräch.

Schmidt: Bitte schön, gerne.