Klaus Harpprechts Memoiren

Frei von parteipolitischer Kleingeisterei

Der Publizist Klaus Harpprecht auf der Frankfurter Buchmesse 2011.
Der Publizist Klaus Harpprecht auf der Frankfurter Buchmesse 2011. © picture alliance / dpa / Arno Burgi
Von Marko Martin · 14.01.2015
Das Urgestein der bundesdeutschen Publizistik, Klaus Harpprecht, hat seine Memoiren geschrieben. Sie sind nicht nur eine intellektuelle Chronik der Bundesrepublik, sondern auch ein anrührendes Hohelied auf Freundschaft und Liebe.
Was für ein Buch - und was für ein Leben! Klaus Harpprecht, Jahrgang 1927 und damit quasi Urgestein der bundesdeutschen Publizistik, hat seine Memoiren geschrieben, die er freilich ganz modest als "Erinnerungen" bezeichnet. Um es gleich zu Beginn zu sagen: Diese über 500 Seiten Lebensrückschau sind ein veritables Lektüre-Vergnügen, was nicht zuletzt an Harpprechts Stil liegt. Eloquent und subtil zugleich, warmherzig und doch nicht ohne die Fähigkeit zur treffenden Sottise, vor allem aber von einer literarischen Plastizität, die vor dem Auge des Lesers sofort Bilder evoziert.
Freilich sind dies nicht die üblichen aus TV-Konserven und Sprechhülsen, denn der einstige Jung-Journalist des RIAS, später dann des SFBs und WDRs erlebte die angeblich "autoritären Adenauer-Jahre" keineswegs als bleierne Zeit. Im Gegenteil: Alles sortierte sich neu, ehemalige NS-Mitläufer in den Medien sprachen sich nun für eine deutsche Neutralität zwischen Ost und West aus, während viele der Jüngeren, die zu Kriegsende gerade 18 Jahre alt waren, das zivilisatorisch so tief gefallene Deutschland mental und institutionell endlich im Westen verankert sehen wollten.
Unkonventionelle Beobachtungen
Deshalb Harpprechts Freude an der Arbeit im RIAS "in einer Atmosphäre von gelassener Toleranz", sein feines Sensorium für die Melancholie des Holocaust-Überlebenden Hans Rosenthal, deshalb dann auch das Befreiende der amerikanischen Erfahrung, als erster USA-Korrespondent des ZDF. Was Harpprecht in seinem Buch an Beobachtungen etwa über Präsident Eisenhower oder über Martin Luther King festhält, ist dabei ebenso unkonventionell wie sein spöttisches Urteil über so manch hiesige Gegenwartsikone: "Helmut Schmidt, dank der Präsenz seiner Persönlichkeit im hohen Alter, gilt als der bedeutendste Bundeskanzler. Er selbst weiß es besser."
Harpprechts Empathie gilt vor allem seinem Freund Willy Brandt, dem er, Ende der sechziger Jahre in die Bundesrepublik zurückgekehrt, als Lektor und Redenschreiber im Bundeskanzleramt zur Seite stand. Wohl nicht zufällig geht der Titel von Brandts wohl beeindruckendstem Buch auf einen Vorschlag Klaus Harpprechts zurück: "Links und frei". Denn gleiches gilt auch für ihn, und so sind die Erinnerungen dieses antitotalitären und proeuropäischen Sozialdemokraten wohltuend frei von parteipolitischer Kleingeisterei, ganz zu schweigen von jener deutschen Misslaunigkeit, die sich als "kritisches Bewusstsein" camoufliert: "Nein, Takt zählt nicht zu den Grundtugenden deutscher Intellektueller."
Immense Daseinsdankbarkeit
Gewidmet aber ist Harpprechts Buch seiner Lebensliebe und Ehefrau Renate, die als jüdisches Mädchen die Lager von Auschwitz und Bergen-Belsen überlebt hatte. Heute leben die beiden in Südfrankreich, und der sonnige Wohnort mag vielleicht eine zusätzliche Erklärung sein, weshalb diesen gewichtigen Erinnerungen so gar nichts gewollt Gravitätisches anhaftet. Es ist eine immense Daseinsdankbarkeit in ihnen, ein unprätentiös-tapferes Nein gegenüber jeglicher Zwanghaftigkeit.

Klaus Harpprecht: Schräges Licht. Erinnerungen ans Überleben und Leben
S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2014
560 Seiten, 26,99 Euro

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