Die Ultras von Zorya Luhansk
2:0 besiegte Hertha BSC im Rückspiel der Europa League Zorya Luhansk: Ein ungewöhnlicher Gegner, denn der ukrainische Fußballclub hat das von Separatisten besetzte Gebiet nahe der russischen Grenze verlassen. Auch viele seiner Fans leben jetzt in anderen Teilen des Landes.
Es waren nur ein paar Dutzend Fans, die ihre Mannschaft Zorya Luhansk am Donnerstag im Berliner Olympiastadion gegen Hertha BSC unterstützten. Einer von ihnen: Ihor Kovtun, 26 Jahre. Er ist es mittlerweile gewohnt, im Stadion in der Minderheit zu sein.
"Die meisten Fans unseres Vereins leben jetzt in Kiew, in Charkiw, in großen Städten, in denen es Arbeit gibt. In Saporischschja sind die Löhne niedrig, deshalb sind nur wenige von uns dorthin gezogen."
Oft nur wenige Fans bei den Heimspielen
Und deshalb wird Zorya Luhansk selbst bei seinen Heimspielen im Exil in Saporischschja oft nur von wenigen Fans unterstützt. Ihor lebt derzeit in Poltawa, das liegt in der Mitte zwischen Luhansk und Kiew. Dorthin hat es noch eine Handvoll Fans verschlagen, manchmal reisen sie gemeinsam mit der Bahn zu den Auswärtsspielen.
In Luhansk hat Ihor im vereinseigenen Fan-Shop gearbeitet:
"Zu den Heimspielen kamen etwa 500 Leute. Wir waren sehr aktiv in der Jugendarbeit, haben eine gesunde Lebensweise propagiert, Fußballturniere und Wettkämpfe im Gewichtheben und im Zweikampf veranstaltet. Das wurde alles zerstört."
Die Fan-Szene der Ukraine wird von Ultras dominiert, nicht nur bei Zorya Luhansk, erläutert Ingo Petz von der "Fankurve Ost". Die Initiative klärt, unterstützt vom Auswärtigen Amt, über Fußball-Fankultur in Osteuropa auf:
"Dieses Fit-Sein, Mixed Martial Aarts, also Kampfkunst, (...) den Körper stählen für den Kampf sozusagen, spielt aber nicht nur in der Ukraine eine große Rolle, das findet man von Polen über Ostmitteleuropa, Russland, Belarus und so weiter."
Politisierung der Ultras durch den Maidan
Als Ende 2013 in der Ukraine der Maidan begann, wurden die Ultras politisch, auch die von Zorya Luhansk. Viele fuhren nach Kiew, schützten die Demonstranten vor Provokateuren. Als dann Separatisten in Luhansk auftauchten und den Anschluss der Region an Russland forderten, wuchs das Engagement der Ultras noch, erzählt Ihor Kovtun:
"Die Leute haben auf uns gesetzt. Die wussten, dass wir Erfahrungen hatten, von Schlägereien mit anderen Fans. Aber irgendwann hatten die prorussischen Kräfte Waffen. Und da hat uns unsere Fitness auch nichts mehr genützt."
Bis zum Sommer 2014 verließen die meisten aktiven Fans die Stadt, erzählt Ihor, der seinen Kopf bis auf ein Haarbüschel auf dem Scheitel kahl rasiert hat. Sie fühlten sich nicht mehr sicher, fürchteten Rache der Separatisten. Ihre Angst ist begründet. Vor wenigen Tagen verurteilte ein Gericht in Luhansk zwei Fans des Vereins zu 13 beziehungsweise 17 Jahren Haft wegen angeblicher Spionage für die Ukraine. Die beiden jungen Männer waren mit einer ukrainischen Fahne auf die Straße gegangen.
"Ich kannte die beiden. Alles, was sie getan haben, ist, ihre proukrainische Haltung zu zeigen. Wenn du in der absoluten Minderheit bist, dann bist du eben verwundbar."
Ihor Kovtun hofft, dass die beiden im Rahmen eines Gefangenenaustausches frei kommen.
Erfolgreicher Neustart in Poltawa
Er selbst hat seiner neuen Heimat Poltawa einen Neustart geschafft. Ihor arbeitet jetzt für eine IT-Firma, die Fußball-Apps entwickelt. Schlägereien mit anderen Fans anderer Vereine liefert er sich nicht mehr – die Ultras haben angesichts des bewaffneten Konflikts im Land Frieden geschlossen.
Und auch wenn Ihor nicht zu allen Spielen von Zorya Luhansk fahren kann, ist er sich sicher:
"Wenn einer ukrainischer Verein in der Europa-League ordentlich spielt, dann bringt ihm das Sympathien in der ganzen Ukraine ein. Wenn er dann noch ordentlich spielt, dann wird aus Sympathie Stolz. Also: Unsere Mannschaft liebt man in der Ukraine."