Ukrainische Atomkraftwerke

Die größte Gefahr für die AKW-Sicherheit ist der Krieg

10:16 Minuten
Luftaufnahme von der Spitze eines verlassenen Wohnhochhauses in Pripyat, Sperrzone von Tschernobyl, mit dem explodierten Reaktorblock 4, der von dem neuen Sarkophag bedeckt ist.
Bereits von russischen Truppen eingenommen: das ehemalige Atomkraftwerk Tschernobyl © picture alliance / Zoonar
Anna Veronika Wendland im Gespräch mit Julius Stucke · 02.03.2022
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Die Ukraine betreibt vier AKW. Durch den Krieg sind sie in Gefahr. Die Historikerin Anna Veronika Wendland forschte zu Beginn des Donbass-Krieges in einem Kraftwerk. Sie weiß, wie über solche Situationen diskutiert wird.
Wegen des Kriegs in der Ukraine fürchten die dortigen Behörden russische Angriffe auf mindestens zwei Atomkraftwerke. Am Mittwoch tage deswegen die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien. Das Beste für die Sicherheit der AKWs und der nuklearen Lagerstätten sei, wenn „die Kriegshandlungen sofort aufhören“, unterstreicht Anna Veronika Wendland. Sie ist Osteuropa-Historikerin und hat lange in einem Atomkraftwerk im Westen der Ukraine geforscht.

Kein leichter Zugang

Derzeit liefen die Atomanlagen in der Ukraine technisch normal, sagt Wendland. Das bestätige auch die IAEA. Doch sei die Lage unübersichtlich. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht momentan das AKW Saporischschja, eine Anlage mit sechs Reaktorblöcken mit jeweils eigener Infrastruktur am Dnjepr-Stausee. „Das muss man sich wie das VW-Werk in Wolfsburg vorstellen“, beschreibt die Historikerin die Gegebenheiten vor Ort.

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Zwar seien die russischen Einheiten wohl in der Stadt Saporischschja, hätten aber nicht die Kontrolle über das AKW. Denn es sei gar nicht so einfach, zu der Anlage zu gelangen, so Wendland. Auch sei dieses besonders gesichert. Doch sei die Beschießung einer solchen Anlage „eine akute Gefahr“.

Keine Stellung nahe dem Kraftwerk

Es könne gut sein, dass beide Seiten – trotz der Umstände – Vernunft walten lasse, sagt Wendland. So sei es bezeichnend, dass die Ukrainer keinen Kampf an bei dem AKW suchen.
In den Anlagen sei man bis zu einem gewissen Grade vorbereitet. Sie habe diese selbst 2014/15 miterlebt, als sie während des Beginns des Kriegs im Donbass in einem anderen AKW in der Westukraine forschte. Damals sei darum gebeten worden, dass um das Kraftwerk herum keine Stellungen mit Granatwerfern errichtet werden.

Gefahr durch Raketenbeschuss

Damals hätten ihr zudem die Ingenieure gesagt, dass das Kraftwerk gegen alle möglichen Widrigkeiten ausgelegt sei – „aber nicht gegen Krieg“. Deswegen sei es ein Kriegsverbrechen, wenn solche Anlagen zum Ziel würden, denn das hätte schwere Folgen für die Umwelt. Gefährlich sei unter anderem der Beschuss durch Raketen oder wenn die Netzanbindung ausfalle, weil dann die Kühlung über Notstrom versorgt werden, wofür Diesel benötigt werde.
Die Frage sei, was machen die Leute vor Ort, wenn es dazu kommt, dass die Übergabe des Kraftwerks gefordert wird, gibt Wendland zu bedenken. „Da kann man doch annehmen, dass diejenigen, die die Anlage umzingeln, auch kein Interesse daran haben, eine radioaktive Freisetzung zu haben.“
(rzr)

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