Stromversorgung in der Ukraine

"Wie viel kann Russland zerstören, wie viel die Ukraine nachrüsten?"

08:46 Minuten
Eine Stadtlandschaft in fast kompletter Dunkelheit. Nur an einer Stelle sind zwei Lichter zu sehen, sonst zeichnen sich lediglich dunkle Gebäudesilhouetten gegen den dunkelblauen Himmel ab.
Stromausfall in Lwiw nach einem russischen Raketenangriff auf die westukrainische Stadt am 23. November 2022. Die ganze Stadt war ohne Licht, Heizung, Wasser und Mobilfunknetz. © picture alliance / AA / Pavlo Palamarchuk
Gerhard Mangott im Gespräch mit Birgit Kolkmann · 27.11.2022
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In der Ukraine sind Millionen Haushalte ohne Strom. Der Westen müsse einen doppelten Ansatz verfolgen, meint der Sicherheitsforscher Gerhard Mangott - die ukrainische Luftabwehr stärken und Gerät für die Stromerzeugung organisieren.
Zwölf Millionen Haushalte sind in der Ukraine ohne Strom, viele auch ohne Wasser und Heizung. Russland versucht, durch massive Angriffe auf die Infrastruktur der Ukraine das Leben in den Städten unerträglich zu machen.
Die Ukrainer reparieren ihrerseits mit Hochdruck, viele der Haushalte haben mindestens zeitweise wieder Strom. Außerdem versucht die Regierung mit Hochdruck, technisches Gerät für die Versorgung der Bevölkerung zu organisieren.

Generatoren und Transformatoren werden gebraucht

„Die Ukraine hat in den letzten Wochen buchstäblich gekauft, was überhaupt zu kaufen war“, sagt Gerhard Mangott, Sicherheitsforscher mit Fokus auf den postsowjetischen Raum. Es gehe um Generatoren und Transformatorstationen.
Allerdings hätten die Produzenten von solchem Gerät auch Verträge mit anderen Kunden zu erfüllen, so dass die Verfügbarkeit für die Ukraine begrenzt sei.
„Es ist eine Frage des Wettlaufs, wieviel kann Russland zerstören, wieviel kann die Ukraine nachrüsten“, erklärt Mangott, der Professor an der Universität Innsbruck ist.

Luftabwehr gegen Infrastruktur-Zerstörung

„Um dieses Verhältnis zu verbessern, ist es so dringend notwendig, dass die Ukraine ihre Luftabwehr verbessern kann", verweist Mangott auf einen zweiten Faktor neben dem Nachschub an zivilem technischen Gerät. "Und das geht nicht ohne westliche Hilfe.“
Die Ukraine brauche also zweierlei: „Sie braucht vor allem noch mehr Fähigkeiten in der Luftabwehr, also westliche Unterstützung bei der Luftabwehr. Und sie braucht Unterstützung bei der Reparatur der Elektrizitätswerke.“
Wenn es um Patriot-Luftabwehrsystem gehe, vertrete Bundeskanzler Olaf Scholz eine zurückhaltende Position, erklärt Mangott: Scholz wolle solche Systeme nicht in die Ukraine liefern, sondern sie nur für die Verbesserung der Luftabwehr der Nato zur Verfügung stellen.

Nachlässiger Westen

Der Ukraine würden Patriot-System und auch die Iris-T-Systeme aus Deutschland helfen, sagt Mangott: "Sie braucht diese funktionierende Luftabwehr, um noch weitere großflächige Zerstörungen zu verhindern."
Russland schieße auch deswegen so viele Marschflugkörper und ballistische Raketen auf die Infrastruktur ab, um die Reserven der ukrainischen Luftabwehr zu erschöpfen. Die Ukraine setze sehr viele Raketen ein, um nur ein Ziel zu zerstören: "Daher gehen ihr diese Abfangsysteme aus."
"Hier ist der Westen sehr nachlässig, sehr säumig und vor allem nur reaktiv", kritisiert Mangott. "Er hätte früher dran denken können, gerade diese Komponente der ukrainischen Verteidigung schneller und besser zu stärken."
(mfu)
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