Ukraine und der Westen

"Beschämend geringes Wissen"

Martin Pollack, der Träger des Leipziger Buchpreises
Der österreichische Schriftsteller Martin Pollack © picture alliance / ZB / Florian Eisele
Moderation: Miriam Rossius und Jörg Degenhardt · 12.09.2014
Viele Menschen in der Ukraine fühlen sich vom Westen missverstanden, so beschreibt der österreichische Schriftsteller Martin Pollack seine Eindrücke seiner Reise - er besucht derzeit die Buchmesse in Lwiw.
Der österreichische Schriftsteller und Übersetzer Martin Pollack reist seit einer Woche durch die Ukraine. Er war zunächst auf dem Lyrikfestival "Meridian" in Czernowitz und besucht derzeit die Buchmesse in Lwiw (Lemberg).
Das Wissen im Westen über die ukrainische Kultur sei "beschämend gering", kritisierte Pollack im Deutschlandradio Kultur.
"Da fehlt es einfach an allem. Wenn wir jetzt von der Literatur sprechen: Es wird übersetzt, aber es wird viel zu wenig übersetzt. Umgekehrt ist das anders: In der Ukraine kennt jeder Autor sehr gut die österreichische und die deutsche Literatur."
Viele Menschen hätten auch den Eindruck, dass die politischen Vorgänge in der Ukraine vom Westen nicht richtig wahrgenommen werden würden, beschreibt Pollack die Stimmung im Land:
"Überall sagen die Leute: 'Warum versteht man uns nicht? Warum weiß man nicht, was bei uns wirklich passiert? Und warum hat man keine Ahnung, was die Ukraine ist und wohin wir wollen?'"
"Jeder spricht gerne Russisch"
Seine Gespräche mit befreundeten Schriftstellern seien jetzt vor allem von der aktuellen Situation bestimmt, berichtete Pollack aus Lemberg:
"Ich glaube, gerade in diesen Zeiten ist die Literatur wichtiger denn je. Komisch ist, dass man hier in einer Stadt ist, wo man den Krieg nicht merkt. Heute ist ein wunderbares Wetter, da flanieren die Leute und die Liebespaare. Es schaut nicht aus wie Krieg."
Die Ukraine sei eines der wenigen Ländern in Europa, das zweisprachig sei, sagte Pollack. So sei es etwa in Lemberg oder Iwano-Frankiwsk überhaupt kein Problem, Russisch zu sprechen:
"Es werden die Russen hier mit offenen Armen empfangen. Nicht nur kritische Autoren, sondern auch ganz normale Leute. Jeder spricht gerne Russisch. Die Leute wissen sehr genau zu unterscheiden zwischen der russischen Politik, zwischen der Putin-Politik und der russischen Kultur."
Mehr zum Thema