Ukraine

Regierungsbildung droht zu scheitern

Der designierte ukrainische Ministerpräsident Wladimir Groisman.
Der designierte ukrainische Ministerpräsident Wladimir Groisman will Leute seines Vertrauens ins Kabinett holen. © dpa / Nikitin Maxim
Von Florian Kellermann · 12.04.2016
Die neue ukrainische Regierung steht noch nicht, da droht sie schon wegen Streitigkeiten um die Kabinettsbildung zu platzen: Der designierte Ministerpräsident Wladimir Groisman wolle keine Personal-Vorgaben von Präsident Petro Poroschenko akzeptieren, berichteten Abgeordnete.
Zwei Jahre war Arsenij Jazeniuk im Amt - die beiden wohl dramatischsten Jahre in der Geschichte der unabhängigen Ukraine. Das Parlament wählte ihn nach den blutigen Auseinandersetzungen auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz und dem Sturz des Ex-Präsident Viktor Janukowytsch. Für viele überraschend ging seine konservative Partei "Volksfront" als Siegerin aus der damals folgenden Parlamentswahl hervor, gerade, als die Kämpfe in der Ostukraine ihren Höhepunkt erreicht hatten. Heute zieht Jazeniuk eine positive Bilanz:
"Wir haben das fast Unmögliche erreicht. Wir haben unseren Staat erfolgreich verteidigt, ein neues Militär und eine neue Polizei geschaffen. Wir haben die Ukraine in der Energieversorgung unabhängig von Russland gemacht. Wir haben die ukrainische Wirtschaft vor dem Staatsbankrott bewahrt. Wir haben alles getan, damit der proeuropäische Weg der Ukraine unumkehrbar wurde."

Kampf gegen die Korruption macht kaum Fortschritte

Die meisten Ukrainer bewerten Jazeniuks Arbeit anders: Umfragen zeigen, dass die "Volksfront" bei vorgezogenen Neuwahlen derzeit wohl nicht über die Fünf-Prozent-Hürde springen würde. Die Menschen geben Jazeniuk und Präsident Petro Poroschenko die Hauptschuld daran, dass es im Kampf gegen die Korruption nur kleine, mühsame Fortschritte gibt - und dass die sogenannten Oligarchen weiterhin großen Einfluss auf die Politik haben.
Das zeigte sich in der Regierungskrise der vergangenen Wochen besonders deutlich. Die Mehrheit der Parlamentsfraktionen weigerte sich, eine neue Regierung zu wählen, die nicht proportional die verschiedenen Oligarchenklans widerspiegelt. Die in den USA geborene Finanzministerin Natalija Jaresko hatte vergeblich angeboten, eine solche Regierung zu bilden.
Stattdessen soll nun Wladimir Groisman Jazeniuk nachfolgen, der bisherige Parlamentssprecher. Groisman gilt als enger Vertrauter von Präsident Poroschenko, er war lange Jahre Bürgermeister in dessen Heimatstadt Winniza. Gestern erklärte Groisman im Parlament:
"Wenn es eine Regierung Groisman geben wird, dann wird das eine öffentlich arbeitende, transparente Regierung, die bereit zu Reformen ist und die Situation im Land stabilisieren wird. Sie wird dafür sorgen, dass die Wirtschaft wieder wächst, und die Zusammenarbeit mit den internationalen Finanzorganisationen erneuern."

Präsident droht mit Auflösung des Parlaments

Tatsächlich werden die Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds eine der ersten und wichtigsten Aufgaben der neuen Regierung. Die Ukraine braucht eine weitere Kredittranche, um ihre Schulden begleichen zu können.
Allerdings ist bisher unklar, ob das Parlament, nachdem es Jazeniuk abberufen hat, die Verantwortung sofort Groisman übertragen wird. Auch in der Nacht dauerten die Beratungen an. Zeitweise hieß es hinter den Kulissen, Groisman wolle aufgeben, weil er sein Wunschkabinett nicht verwirklichen könne. Später jedoch deuteten Politiker an, das Parlament werde Groisman womöglich doch schon heute wählen.
Präsident Poroschenko jedenfalls ließ die Abgeordneten bereits warnen. Sein Vertreter im Parlament Stepan Kubiw sagte gestern:
"Der Präsident ist der Ansicht, dass die neue Regierung spätestens bis Ende der Woche gebildet werden soll. Sonst wird das Parlament aufgelöst."
Auch die US-Regierung, wichtigster Geldgeber des Internationalen Währungsfonds, rief die Ukraine gestern auf, eine neue Regierung zu bilden. Nur so könne das Land wichtige Reformen rasch verwirklichen, sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums.
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