Ukraine

Rechter Sektor außer Kontrolle

Von Sabine Adler · 02.04.2014
Die ultranationalistischen Anhänger des Rechten Sektors verprügeln Staatsanwälte und Journalisten. Die Aktivisten - häufig Kriminelle - glauben, sie stünden über dem Gesetz und weigern sich, ihre Waffen abzugeben.
Es sind martialische Szenen: Ein bulliger Mann stürzt in einem Büro auf einen Beamten zu, packt dessen Krawatte und würgt ihn damit, dann wird der Beamte geohrfeigt. Der massige Angreifer brüllt. Es ist einer der Anführer des Rechten Sektors, Alexander Musytschko, der hier einem Staatsanwalt in nicht zitierfähigen Worten sagt, in welchem Fall dieser angeblich zu ermitteln hat.
Der Rechte Sektor ist inzwischen eine Partei, die aus mehreren ukrainischen ultranationalistischen Organisationen hervorgegangen ist. Dessen Aktivisten - häufig Kriminelle - glauben, sie stünden über dem Gesetz, weigern sich, ihre Waffen abzugeben. Dmitri Jarosch ist ihr Präsidentschaftskandidat.
"Wir fordern umgekehrt den allgemeinen Waffenbesitz, damit die russische Armee, sollte sie auf ukrainisches Territorium vordringen, es mit einem Partisanenkrieg zu tun bekommt."
Parteichef Jarosch plädiert für Partisanenkrieg
Bis gestern diente das Hotel Dnepr unweit des Maidan dem Rechten Sektor als Stab und Waffenlager. Die Struktur des nationalistischen Sammelbeckens ist undurchsichtig, die Mitglieder treten furchteinflößend auf mit Masken und Waffen, auch im Interview, nennen nicht ihre Namen. Parteichef Jarosch hat sich angeblich eines der 70 Autos aus der Garage von Ex-Präsident Janukowitsch angeeignet.
Innenminister Arsen Awakow stellte sich dem Rechten Sektor von Anfang an entgegen. Als die Polizei den mehrfach wegen Gewaltverbrechen verurteilten Musytschko festnehmen wollte, fielen Schüsse, der bullige Anführer starb. Der Rechte Sektor forderte die Entlassung des Ministers.
"Ich habe kein Problem damit zurückzutreten, aber wohin entwickelt sich unser Land? Lassen wir zu, dass bei uns Banden das Sagen haben wie in Somalia? Oder wird Ordnung herrschen?"
Dass die Kampfansage des Innenministers zunächst ohne Wirkung blieb, offenbart auch die Schwäche der neuen ukrainischen Regierung. Gestern schritt Übergangspräsident Alexander Turtschinow zur Tat, forderte das Parlament auf, einem vor Wochen vorgelegten Gesetz endlich zuzustimmen, das die Entwaffnung vorsieht:
"Gestern gab es im Zentrum von Kiew am Abend eine Schießerei, drei Personen sind verletzt worden. Das ukrainische Volk will Ordnung. Die Werchowna Rada fordert die sofortige Entwaffnung von Formationen, die gesetzeswidrig Waffen tragen. Wer nicht zur Armee, Nationalgarde oder anderen rechtmäßig bewaffneten Organen gehört, wird als Saboteur betrachtet, der gegen die Ukraine arbeitet."
Prügel für TV-Direktor
Neben dem außer Kontrolle geratenen Rechten Sektor wirft auch die nationalistische Swoboda-Partei einen Schatten auf die neue Regierung.
Der Swoboda-Abgeordnete Igor Miroschnitschenko war mit einem Trupp von Gefolgsleuten in das Büro des Direktors des Ersten Fernsehkanals gestürmt und hat ihn verprügelt. Der Sender war der einzige in der Ukraine, der die Krim-Rede des russischen Präsidenten Putin live übertragen hat, alle anderen TV-Stationen brachten erst Stunden später Ausschnitte.
Swoboda, die den Vize-Premier und zwei Minister stellt, distanzierte sich zwar von dem Anschlag auf den Fernsehdirektor, war aber einmal mehr in die Negativ-Schlagzeilen geraten. Die Selbstzensur der Fernsehkanäle wird nicht diskutiert.
Mehr zum Thema