Ukraine-Krise

"Russland ist schon ein ungeliebter Rivale"

Finanzexperte Max Otte
Finanzexperte Max Otte © picture alliance / Erwin Elsner
Max Otte im Gespräch mit André Hatting |
Finanzexperte wirft den USA Interesse an der Eskalation der Ukraine-Krise vor Max Otte sieht vor allem Deutschland bei Ausweitung von Sanktionen betroffen
André Hatting: Militärisch ist der Ukraine-Konflikt nicht zu lösen, da sind sich alle einig. Also machen Russland auf der einen Seite und der Westen auf der anderen Seite wirtschaftlich Druck. Das Thema stand zwar offiziell nicht auf dem Programm, aber natürlich prägte die Sorge vor den wirtschaftlichen Folgen auch das Treffen der G20-Staaten und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington. Und darüber möchte ich jetzt mit Max Otte sprechen. Er ist Wirtschaftsprofessor an der Universität Graz. Schönen guten Morgen, Herr Otte!
Max Otte: Guten Morgen!
Hatting: Mit bis zu 18 Milliarden Euro, haben wir gerade gehört, will der IWF die Ukraine unterstützen. Ist das Land wirtschaftlich so wichtig?
Otte: Das Land ist wirtschaftlich natürlich nicht so wichtig, aber hier geht es um Weltpolitik, hier wird eine neue Konfrontation in Europa aufgebaut. Und da geht es schon um hohe Einsätze und natürlich muss man das Land dann irgendwie unterstützen.
Über die Folgen einer Staatspleite
Hatting: Welche Folgen hätte denn eine Staatspleite der Ukraine?
Otte: Die ist sicherlich zu verkraften. Aber noch mal, darum geht es nicht, sie ist ökonomisch zu verkraften. Eine Staatspleite der Ukraine wäre natürlich in gewisser Weise auch ein Sieg für Putin, denn dann gäbe es wirklich Chaos in dem Land und man würde wahrscheinlich das dem Westen zuschreiben, auch zu Recht zum Teil dem Westen zuschreiben. Denn das Land ist im Zahlungsrückstand, wie Putin gesagt hat, und da kann man ihm letztlich in dieser Situation auch nicht verdenken, dass er sagt: Bitte schön, Gas nur noch gegen Kasse!
Hatting: Im Augenblick ist die Ukraine-Krise realwirtschaftlich noch nicht zu spüren weltweit, könnte sich aber ändern. Was müsste passieren, damit das irgendwann durchschlägt?
Otte: Wenn die Krise sich hochschaukelt, dann ist es ja nicht nur die Ukraine, dann sind es ja Spannungen in der Weltwirtschaft und in der Welt ungehörigen Ausmaßes. Also, nehmen Sie an, man dehnt die Nato wirklich aus, man hat Russland schon, Russland, das sich immer extrem um eine Partnerschaft mit dem Westen bemüht hat, aus den G8 ausgeschlossen. Da läuft ein neuer Konfrontationskurs, und wenn sich dieser Konfrontationskurs verschärft, dann wird es gefährlich.
Und im Übrigen kann man sagen, dass Amerika durchaus ein Interesse an dieser Konfrontation hat, denn Russland ist schon ein ungeliebter Rivale in Deutschland. Als ich Putin vor vier Jahren dazu gehört habe, hat er sich bitterlich beschwert, dass man russischen Unternehmen in Europa die Türen eigentlich zu macht, und da läuft eine neue Konfrontation der Großmächte. Wobei Russland natürlich eine etwas zurechtgestutzte Großmacht ist.
"Hat ein Interesse, diese Krise zu verschärfen"
Hatting: Wenn ich Sie gerade richtig verstanden habe, dann ist das durchaus im Sinne der USA und es würde auch erklären, warum, wie gerade im Beitrag gehört, die USA da gerade den bösen Bullen machen, wenn es um Sanktionen geht?
Otte: Natürlich. Also, die USA hat jedes Interesse, diese Krise zu verschärfen und am Leben zu halten, denn das wäre, so wie sie im Moment ihre geostrategischen Interessen definiert, sicherlich den eigenen Zielen nützlich.
Hatting: Abgesehen von der Sicherheit der Gaslieferungen aus Russland, welche Gefahr sehen Sie noch für die Wirtschaft der Europäischen Union?
Otte: Noch mal, es sind gar nicht die Gaslieferungen, sondern es ist eine Verschärfung des Klimas in Europa bis hin zur Konfrontation, die natürlich alle möglichen Folgen haben kann für das Vertrauen in die Wirtschaft, für Investitionen, für die zukünftige Ausrichtung. Also, da können natürlich extreme Konjunktur- und auch emotionale Risiken, also vom Wirtschaftsbarometer, von der Wirtschaftsstimmung, dran hängen.
Hatting: Der Westen, allen voran die USA fordern weitere Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Würde man sich damit zumindest in Europa ins eigene Fleisch schneiden?
Otte: Natürlich, auch hier, auch dies ist im Interesse der USA. Wenn Sie überlegen, wenn wir wirklich strenge Wirtschaftssanktionen gegen Russland machen, wer ist dann betroffen? Deutschland, Österreich vor allen anderen. Denn der deutsche Mittelstand, der österreichische Mittelstand ist ein bevorzugter Partner in Russland, während die USA da relativ wenig engagiert sind.
Also, da läuft auch ein solches Spiel ab. Wenn man also konfrontativ denkt, dann können solche Konfrontationen ... In der Tat sind sie asymmetrisch und schaden natürlich Russland, sie schaden Europa, und in Europa vor allem Deutschland und Österreich.
"Das wäre natürlich auch hoch gefährlich"
Hatting: Schon während der Krim-Krise hatten EU und USA mit Sanktionen ja gedroht, einige auch umgesetzt. Das hat Putin aber nicht gekümmert. Kann man Russland überhaupt wirtschaftlich erpressen?
Otte: Natürlich kann man Russland wirtschaftlich erpressen, natürlich kann man an diesem gefährlichen Spiel zündeln, das nicht nur für Russland Gefahren hat, sondern eben auch für Europa. Aber so viele Optionen hat Putin ja nun nicht. Er sitzt in Moskau und muss zusehen, wie unter Umständen Russland aus den G8 ausgeschlossen wird, das ist ja auch schon ein Schritt zur Konfrontation. Muss zusehen vielleicht, wie sogar die Ukraine dann enger mit der Nato zusammenarbeitet oder da hineinrückt.
Und das wäre natürlich auch hoch gefährlich, denn dann steht ein Bündnis direkt an der russischen Grenze. Und das schafft natürlich sehr brisante Situationen.
Hatting: Sie haben, Herr Otte, jetzt deutlich gemacht, dass Sie kein großer Freund dieser "Sanktionitis" sind. Was schlagen Sie vor, um die Krise in der Ostukraine wirksam anzugehen?
Otte: Ja, also, es sieht ja so aus, dass der IWF tatsächlich einen Kredit zur Verfügung stellen wird. Das ist auch sicherlich richtig, aber insgesamt muss man natürlich aus dieser Konfrontationshaltung raus.
Russland sollte dringend zurück an den Tisch der G8 und man muss dringend sprechen, dass irgendwo diese Krim-Annexion völkerrechtswidrig vielleicht war, auf der anderen Seite vielleicht auch ein bisschen nachvollziehbar ist, denn es geht um russisches Kerngebiet, was seit Jahrhunderten zu Russland gehörte. Also, man muss versuchen, wirklich aus dieser Konfrontationshaltung rauszukommen, und da würde ich mir eine aktivere Rolle für Deutschland wünschen.
Hatting: Max Otte, Wirtschaftsprofessor an der Universität Granz, über Sinn und Unsinn der geplanten Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Vielen Dank fürs Gespräch, Herr Otte!
Otte: Guten Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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