Krieg in der Ukraine

Forderung nach einer diplomatischen Großoffensive

05:58 Minuten
Ein Mann versucht in einem Haus mit einer Schaufel die Schäden zu beseitigen.
In der Ukraine ist der Krieg längst zum traurigen Alltag geworden. Eine Lösung ist nicht in Sicht. © IMAGO / Zuma Wire / Danylo Antoniuk
Svenja Flaßpöhler im Gespräch mit Ute Welty · 05.09.2022
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Die Philosophin Svenja Flaßpöhler setzt sich für eine Verhandlungslösung im Ukraine-Krieg ein. Sie befürchtet eine Eskalation des Konflikts durch westliche Waffenlieferungen.
Die Philosophin Svenja Flaßpöhler hat bereits zwei Mal öffentliche Appelle unterschrieben, die sich für eine Deeskalation in der Ukraine einsetzen. "Es geht darum, die Waffenlieferungen einzupassen in eine Deeskalationsstrategie", sagt die Chefredakteurin des "Philosophie Magazins". Bisher habe es keine diplomatische Großoffensive unter Beteiligung der USA gegeben.

Mit Putin verhandeln

Eine solche hält sie aber für nötig, man sollte versuchen, mit Putin zu verhandeln. Flaßpöhlers Sorge ist, dass aus dem Krieg in der Ukraine ein langer Auszehrungskrieg wird. Die Gefahr einer Eskalation sei unverändert gegeben: "Das hat niemand in der Hand", so die Philosophin. "Zu glauben, dass man einen Krieg wirklich kontrollieren kann, das halte ich für naiv, gerade auch in Zeiten, in denen autokratische Herrscher wie Putin Atomwaffen haben."

Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gab es mehrere offene Briefe, von denen die Philosophin Svenja Faßpöhler zwei unterzeichnete. Der erste Aufruf wurde im Mai 2022 von Alice Schwarzer, Chefredakteurin der Zeitschrift "Emma", initiiert, der zweite erschien unter dem Titel "Waffenstillstand jetzt" in der Wochenzeitung "Die Zeit". Schon der erste Brief löste heftige Debatten aus und führte zu einem weiteren offenen Brief, der sich für Waffenlieferungen an die Ukraine stark machte. Zu den prominenten Unterzeichnern gehörte unter anderem die Schriftstellerin Herta Müller. Seither stehen sich in dieser Frage unvereinbare Positionen gegenüber.

Auch die Wirtschaftssanktionen sieht die Publizistin kritisch - man müsse sich angucken, wer davon profitiere, betont sie. Hier sei auch der russische Energiekonzern Gazprom unter den Gewinnern, das Unternehmen habe im ersten Halbjahr 2022 einen Gewinn von 41,6 Milliarden Euro eingefahren. "Gazprom tut es überhaupt nicht weh, was da gerade passiert."

Interessen werden zu wenig thematisiert

Gleichzeitig lieferten die USA vermehrt Energie. Die Lieferung von Fracking-Gas nach Europa sei stark gestiegen, "und wir brauchen nicht darüber reden, wie umweltschädlich Fracking-Gas ist", sagt Flaßpöhler. Für jedes Tankschiff mit LNG-Gas erzielten US-amerikanische Unternehmen bis zu 200 Millionen Dollar Profit. "Es gibt auch Interessen in diesem Krieg, die viel zu wenig thematisiert werden."
Bei den Waffenlieferungen an die Ukraine stellt sich für die Philosophin noch immer die Frage, wohin diese letztlich führen. Beide Kriegsparteien rückten von ihren Ansprüchen nicht ab: "Im Gegenteil - die Ansprüche werden immer höher."
Auch sie stehe auf Seiten der Ukraine und könne das Handeln der Regierung in Kiew moralisch und politisch völlig verstehen, betont Flaßpöhler - es stelle sich aber die Frage, wie "realitätsgesättigt" die Pläne seien. Die ukrainische Führung wolle jetzt sogar die von Russland annektierte Krim zurückerobern. "Beide Seiten können sich immer weniger einen Gesichtsverlust leisten", fürchtet die Journalistin.
(gem)

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