Ukraine-Konflikt

"Tischtuch mit Russland nicht zerschneiden"

Gernot Erler (SPD), Koordinator für die Zusammenarbeit mit Russland
Gernot Erler (SPD), Koordinator für die Zusammenarbeit mit Russland © dpa / picture-alliance / Patrick Seeger
Gernot Erler im Gespräch Birgit Kolkmann · 06.09.2014
Mittelfristig schaden die EU-Sanktionen der russischen Wirtschaft, politische Auswirkungen könne man allerdings nicht ausmachen, bedauert Gernot Erler (SPD), Russland-Koordinator der Bundesregierung. Diplomatie sei dennoch die bessere Lösung.
In der Ostukraine verteilen russische Militärs Geld an Rentner, russische Pässe werden ausgegeben, in den Schulen werden russische Bücher ausgegeben. "Das steht im einem Zusammenhang auch mit den humanitären Hilfen, die Russland versucht hat, da in der Ostukraine zu leisten", sagt Gernot Erler, der Russlandbeauftragte der Bundesregierung im Deutschlandradio Kultur.
Russland wolle – unter Druck stehend – zeigen, "dass sofort eine Verbesserung der Lebenssituation der Menschen passiert." Seit etwa einem Monat leben die Menschen in Lugansk ohne Strom und fließendem Wasser. Eine schnelle Verbesserung der Lebenssituation der Menschen in der Ostukraine erhöhe das Prestige Russlands. "Eine schnelle Verbesserung hilft auch einer Zustimmung überhaupt zu dem Kompromiss, der jetzt gefunden ist, mit diesen zwölf Punkten, mit diesem Protokoll – da gibt es sowohl in der Ukraine auch in den Separatistengebieten durchaus Kritiker von dem, was vereinbart worden ist", sagt Erler.
Erler hat sich gegen einem "Wettrüsten der Sanktionen" ausgesprochen, die Spirale von Sanktionen und Gegen-Sanktion sei hinderlich auf dem Weg zu Gesprächen. Die EU-Sanktionen hatten "durchaus mittelfristig negative Wirkungen auf die russische Wirtschaft". Politische Auswirkungen konnten allerdings nicht ausgemacht werden.
NATO rüstet im Baltikum auf
Inzwischen fühlen sich die Balten auch bedroht, die NATO rüstet im Baltikum auf. "Die neu stationierten Eingreiftruppen sind eine umsichtige Maßnahme", meint Erler: "Man geht auf der einen Seite auf die sehr nachvollziehbaren Bedrohungsgefühle ein – die natürlich auch aus der Geschichte kommen – bei den Baltischen Staaten und Polen , indem man diesen Aktionsplan beschlossen hat, der eine Eingreiftruppe, aber auch eine Verstärkung von Präsenz vorsieht."
Auf der anderen Seite habe man nicht die NATO-Russland-Akte außer Kraft gesetzt – was auch ein Signal ist an die russische Seite sei: "Dass die NATO das Tischtuch mit Russland nicht auf Dauer und für lange Zeit zerschneidet, sondern Anreize setzt, durch eine Verhaltensänderung auch eine bessere Situation zu schaffen. "Das war ein Kompromiss, der eine Umsicht zeigt, die ganz vernünftig ist." Die Kämpfe bringen viele Opfer und Zerstörung mit sich, führten aber zu keiner Lösung. "Mit der Waffenruhe haben wir eine Chance in den eigentlichen, substanziellen und schwierigen Verhandlungsprozess einzutreten", sagt Erler abschließend.
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