Uhrlau: Bundesnachrichtendienst hat keine Politiker bespitzelt

Moderation: Ulrich Ziegler und Matthias Thiel |
Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Ernst Uhrlau, hat Vorwürfe entschieden zurückgewiesen, der BND habe Informationen über Politiker gesammelt, unter anderem über Altbundeskanzler Schröder (SPD). Der BND beobachte keine deutschen Politiker – nicht im Inland und nicht im Ausland "und erst recht keinen ehemaligen Bundeskanzler", sagte Uhrlau. Dies sei eine Verleumdung und "eine der vielen trüben Geschichten aus einer ganz bestimmten Ecke". Uhrlau wies Forderungen nach einem Geheimdienst-Beauftragten zur stärkeren Kontrolle des BND zurück.
Deutschlandradio Kultur: Demokratie gründet sich nicht zuletzt auf den Prinzipien der Öffentlichkeit und Transparenz, Nachrichtendienste hingegen auf Grundsätzen der Geheimhaltung und Verschwiegenheit. Herr Uhrlau, wie würden Sie die Arbeit eines Bundesnachrichtendienstes in einem modernen Rechtsstaat definieren?

Ernst Uhrlau: Ein Nachrichtendienst im Rechtsstaat arbeitet zum ersten unter dem Recht, er arbeitet auch mit durchaus erheblicher Transparenz gegenüber denen, die politische Verantwortung tragen, und denen, die die politische parlamentarische Kontrolle zu gewährleisten haben. Wir haben ein sehr ausgeprägtes Rechtssystem für die Nachrichtendienste des Bundes und der Länder. Da spielt der Bundesnachrichtendienst auch mit der parlamentarischen Kontrollierbarkeit eine Rolle. Er kann seine Arbeit transparent machen, indem er erläutert, was er tut, wie Einschätzungen sind, auch gegenüber den Ausschüssen des Parlaments, aber er kann sich nicht so öffnen, dass die Funktionsfähigkeit dadurch beeinträchtigt wird. Nachrichtendienst, Geheimhaltung und Transparenz stehen in einem Spannungsverhältnis. Wenn ein Nachrichtendienst sich auszieht, ist er kein Nachrichtendienst mehr.

Deutschlandradio Kultur: Aber trotzdem hat der Bundesnachrichtendienst in der letzten Zeit sehr viele negative Schlagzeilen produziert. Sind das jetzt nur Aufräumarbeiten alter Zeiten, die Sie da leisten müssen, oder ist der BND nicht doch in einer Sinnkrise?

Uhrlau: Der BND ist nicht in einer Sinnkrise, ganz im Gegenteil. Wir haben in den letzten Jahren in einem Maße den BND in den außenpolitischen Entscheidungsprozess der Entscheidungsträger in Regierung und Parlament gebracht, wie es so in der Vergangenheit nicht möglich, auch nicht geboten war. Denn die Rolle der Bundesrepublik im internationalen Konzert ist eine andere geworden. Die Auslandseinsätze der Bundeswehr, die wir heute haben, hat es im letzten Jahrzehnt so nicht gegeben und in den Zeiten der Teilung überhaupt nicht. Das bedeutet, der BND wird anders gefordert, ist für den Einsatz der Bundeswehr in Krisengebieten ein unverzichtbarer Helfer, um die Lageinformationen rechtzeitig zu beschaffen, darüber hinaus auch die einsatzrelevanten Informationen zum Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten im Ausland zu schaffen - eine völlig andere Ausgangssituation als der BND in Zeiten der Bipolarität und im Grunde sehr statischen Konfliktlage zu leisten hatte.

Das, was in den letzten Monaten eine Rolle gespielt hat, was leicht und locker mit der Überschrift BND-Affäre oder BND-Untersuchungsausschuss vermittelt worden ist, ist bei näherer Betrachtung alles andere als eine Affäre. Ich fange mal an mit einem Punkt, der Gegenstand sehr kontroverser Berichterstattung gewesen ist, nämlich die Anwesenheit von zwei Mitarbeitern während des Irakkrieges und der Behauptung, und das ist eine Unterstellung gewesen, dass diese beiden Mitarbeiter die damalige Politik der Bundesregierung konterkariert hätten, indem sie in laufende Einsätze der Amerikaner Zieldaten und Informationen geliefert hätten was dabei unter anderem zu einen Angriff auf einen vermeintlichen Aufenthaltsort von Saddam Hussein und zu dreizehn, vierzehn zivilen Opfern geführt hätte. Das ist eindeutig widerlegt worden. Von dem, was in einem auch journalistischen Kooperationsgeschäft dem BND unterstellt worden ist, ist nichts übrig geblieben. Genauso wenig übrig geblieben ist von der Behauptung, wir hätten den Verteidigungsplan von Bagdad beschafft und den Amerikanern gegeben. Das ist alles Humbug, aber es bleibt haften. Es bleibt haften und mit solchen Anhaftungen habe ich mich zu beschäftigen.

Deutschlandradio Kultur: Aber dass beispielsweise Journalisten bis zum Ende des letzten Jahres observiert, beobachtet wurden und dass dieses rechtswidrig war, ist das ist unstrittig?

Uhrlau: Es ist zum ersten unstrittig, dass der Sachverständige Schäfer in seinem Bericht eine Reihe von Aktionen festgestellt hat, die rechtswidrig sind. Für diese Aktivitäten des BND in der Vergangenheit habe ich mich auch entschuldigt. Er stellt allerdings auch fest: Erstens, die Maßnahmen sind nicht alle rechtswidrig gewesen. Sie sind aus der Verhältnismäßigkeit heraus gelaufen. Das wiederum bedeutet auch, dass sie am Anfang nicht unbedingt unbegründet gewesen sein müssen. Etwas Weiteres: Observation von Journalisten, ausgehend von Schmidt-Eenboom und seiner Liegenschaft, hat es in den 90er Jahren gegeben. Es ist kein Problem dieses Jahrzehnts. Und die Gespräche, die es im letzten Jahrzehnt mit Journalisten gegeben hat, die dann Gegenstand des Schäferberichts geworden sind, sind Probleme des letzten Jahrzehnts und nicht dieses Jahrzehnts.

Was es gegeben hat, das ist die Führung eines Informanten, auch in diesem Jahrzehnt, der im letzten Jahrzehnt schon als Selbstanbieter kräftig unterwegs war und alle möglichen Institutionen mit seinen Berichten bedient hat - Außenministerium, Innenministerium, Kanzleramt und ich weiß nicht, wen er sonst noch alles bedient hat. Aber auf diesen Nachrichtenhändler Müller ist der Bundesnachrichtendienst ausweislich des offenen Schäferberichts aufmerksam gemacht worden, weil er einen Bericht des Bundesnachrichtendienstes an den Sonderermittler Spitzer für das Fürstentum Liechtenstein verkauft hat für 3.500 Euro. Dieser so genannte Lichtensteinbericht beschäftigte sich mit Geldwäscheaktivitäten in Liechtenstein. Und die Liechtensteinische Regierung hat zur Aufklärung des Sachverhaltes, aber auch für ihre Verteidigungsstrategie einen österreichischen Staatsanwalt in Anspruch genommen. Diesem Staatsanwalt ist dieser Bericht für 3.500 Schweizer Franken im Auftrage eines Journalisten einer Berliner Zeitung verkauft worden.
Deutschlandradio Kultur: Aber nun gab es diese Zusammenarbeit und die gab es auch relativ lange. Wer trägt dafür die Verantwortung und wer beaufsichtigt das eigentlich? Hätte da nicht sehr viel früher Stopp gerufen werden müssen?

Uhrlau: Es hätte die Kooperation eher beendet werden können, weil sie in der Sache nicht weitergebracht hat. Aber wenn es darum geht, welche Journalisten beobachtet worden sind, dann weist der Schäferbericht aus, worum es ging. Es ging diesem Fall in starkem Maße auch um die Vorbereitung, die Information aus dem BND aufzuklären für ein weiteres Buch von einem früheren Mitarbeiter Juretzko mit seinem Autor Wilhelm Dietl.

Deutschlandradio Kultur: Nur haben wir doch den Eindruck, dass manche Mitarbeiter beim Bundesnachrichtendienst möglicherweise auf eigene Rechnung recherchieren, dass zumindest nicht richtig transparent war, wer was macht. Haben Sie den Eindruck nicht auch?

Uhrlau: Also, ich habe nicht den Eindruck, dass Mitarbeiter auf eigene Rechnung unterwegs sind, denn derartige Aktivitäten in der Vergangenheit haben ja dokumentiert sein müssen. Wir haben vieles nur deswegen auch zuordnen können, weil es eben dokumentiert ist. Dass die Schwerpunktsetzungen in der Vergangenheit andere gewesen sind, als sie in diesem Jahrzehnt sind, das habe ich einzuräumen. Aber ich muss noch einmal daran erinnern: Der BND kam aus einer Zeit heraus, Anfang der 90er Jahre, wo es darum ging, auch Abflüsse aus dem BND zu erkennen und diese Abflüsse, die auch zu einer Gefährdung von Quellen, auch von früheren Quellen hätten führen können, aufzuklären, um sicherzustellen, dass die Abflüsse begrenzt sind. Denn eins dürfen Sie nicht außer Acht lassen. Der Bundesnachrichtendienst hat vom Gesetzgeber die Befugnis zur Eigensicherung eingeräumt bekommen. Diese Eigensicherung zum Schutz der Einrichtungen, der Quellen, der Nachrichtenzugänge hat einen Sinn.

Deutschlandradio Kultur: Zugestanden, Herr Uhrlau, aber wo ist die Grenze zwischen Beobachten und Zusammenarbeit mit Journalisten im Inland?

Uhrlau: Da hat es offensichtlich dann Kontakte gegeben, wo es ausweislich des Schäferberichtes keine klare Grenzziehung gegeben hat, was ist eigentlich Auftrag des Bundesnachrichtendienstes, was ist Eigensicherung und was ist im Zweifelsfall auch Klatsch und Tratsch unter Journalisten. Denn die Vorgehensweisen, die es in der Vergangenheit gegeben hat, können und werden sich so nicht wiederholen. Wir haben das Recht zur Eigensicherung, davon wird auch Gebrauch zu machen sein, wenn es einen Hinweis auf einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin des Dienstes gibt, die Informationen nach draußen trägt, nicht zulässig nach draußen tragen.

Und wenn wir dann feststellen, auch über eine Observation, dieser Mitarbeiter, diese Mitarbeiterin trifft auf einen Journalisten und es macht alles einen Sinn, dann werde ich diesen Sachverhalt an die Staatsanwaltschaft abgeben. Ziel muss es sein, dass wir die Löcher mit den dafür auch geeigneten Instrumenten stopfen. Und das ist das Ermittlungsverfahren. Das ist nicht nur das Hinterherlaufen und dann versuchen, das intern zu regeln, nein, ich gehe an die Staatsanwaltschaft heran.

Deutschlandradio Kultur: Sie sprachen eben schon die Staatsanwaltschaft an oder dass Sie Anzeige erstatten, wenn es zu ungerechtfertigten Angriffen auf Ihren Dienst kommt. Das ist ganz aktuell der Fall in dieser Woche. Behauptungen sind aufgestellt worden, dass Sie Politikerdossiers sammeln. Im Schäferbericht hat sich nun schon angefunden, dass über Karsten Voigt, einen SPD-Politiker, in den 90er Jahren mal ein Dossier angelegt worden ist. Wie sieht das generell aus? Gibt es Politikerdossiers beim BND?

Uhrlau: Nein, es gibt keine Politikerdossiers. Über Karsten Voigt ist auch kein Dossier angelegt worden, sondern zu Karsten Voigt waren Informationen aus dem SED-Archiv durch einen Journalisten offensichtlich geholt und das ist beobachtet worden. Sie sprechen jetzt den aktuellen Fall an. Der Bundesnachrichtendienst beobachtet keine deutschen Politiker, keine Inlandspolitiker. Er beobachtet sie nicht im Inland. Er beobachtet die deutschen Politiker auch nicht im Ausland und erst recht nicht einen ehemaligen Bundeskanzler. Dieses ist eine der vielen trüben Geschichten aus einer ganz bestimmten Ecke. Deswegen ist für mich klar, dieses hat verleumderischen Charakter. Wenn unterstellt wird, der Bundesnachrichtendienst wird rechtswidrig tätig, dann ist die Staatsanwaltschaft gefragt.

Deutschlandradio Kultur: Ich würde gern ein bisschen auf die innere Struktur und den Umbau des Bundesnachrichtendienstes zu sprechen kommen. Sie sind seit acht Monaten Präsident dieses Dienstes. Es geht um einen Transformationsprozess. Das zeigt sich nicht nur in dem Umzug von Pullach nach Berlin, sondern in der Struktur auch. Was für Wegmarken wollen Sie in der innerbetrieblichen Struktur setzen? Was wird heute schon deutlich, was sich verändern wird und muss?

Uhrlau: Ich habe einige Male auf diesen Transformationsprozess hingewiesen, dem wir genauso wie die Bundeswehr unterliegen. Die Feststellung, dass wir in der Vergangenheit need to know als Grundsatz haben, Erkenntnis nur so weit wie nötig, und heute need to share, das heißt, mit wem muss ich meine Informationen teilen, bedingt ein anderes Zusammenwirken. Ich muss die Versäulung innerhalb der Organisation diesem Grundsatz entsprechend dann auch verändern.
Deutschlandradio Kultur: Gibt es da schon Fortschritte?

Uhrlau: Wir sind in einem sehr intensiven Diskussionsprozess mit der Führung des Dienstes. Das ist nichts, was ich entscheide und dann dem Kanzleramt vorlege und die Abteilungsleiter und die Vizepräsidenten spielen da keine Rolle, nein, es ist ein Dialog. Welches sind unsere Aufgaben? Welches sind die Herausforderungen? Wie organisieren wir uns in den Abläufen? Welches sind die Produkte und welches sind die Unterstützer? Da stelle ich dann gemeinsam mit der Leitung des Dienstes - das ist eben nicht der Präsident alleine - fest, wie ist das Zusammenwirken zwischen Auswertung und Beschaffung neu zu organisieren, dass ich zu den verschiedenen Themen die vielfältigen Informationen, aber auch die Informationsbeschaffungsmöglichkeiten so einsetze, dass ich zu optimalen Ergebnissen komme?

Deutschlandradio Kultur: Was heißt das denn?

Uhrlau: Das heißt eine engere Verzahnung zwischen der Auswertung und der Beschaffung, auch unter einer einheitlichen Verantwortung und nicht in zwei voneinander getrennten Bereichen. Ich will darüber hinaus sehen, dass wir mit flacheren Hierarchien arbeiten, dass sehr viel früher auch die qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Verantwortung hineingenommen werden und hineingenommen werden müssen. Das schafft auch eine ganz andere Kommunikations- und Führungskultur innerhalb einer Organisation. Mir kommen da ein wenig auch meine Vorverwendungen in anderen Organisationen zugute, ob das bei der Polizei als Polizeipräsident war oder als Verfassungsschutzchef in Hamburg war.

Deutschlandradio Kultur: Bis 2012 wollen Sie, Herr Uhrlau, nach Berlin umgezogen sein, aber nur - wie Sie sagten - mit den jungen, gut ausgebildeten Mitarbeitern, so war es zumindest zu lesen, hier nach Berlin kommen. Werden da nicht wieder Mitarbeiter zweiter Klasse geschaffen in Pullach, die dann vielleicht sogar auch zum Sicherheitsrisiko wieder für Sie werden, weil die ein Eigenleben führen?

Uhrlau: Also: Die 2.000 neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beziehen sich auf diejenigen, die wir in den letzten Jahren gewonnen haben durch Personalverstärkung, die das Parlament nach dem 11. September 2001 bewilligt hat. Darüber hinaus haben wir durch die Altersstruktur in einem relativ kurzen Zeitraum praktisch ein Drittel der Belegschaft neu in den Dienst hinein bekommen. Die sind teilweise in Berlin, teilweise in München, teilweise im Ausland. Das heißt, ich habe mit diesen 2.000 eins versucht deutlich zu machen: Es ist ein Dienst im Umbruch. Wir beziehen sehr viele neue junge Leute mit unterschiedlichen Fertigkeiten und Fähigkeiten, die wir integrieren müssen.

Und wenn wir 2012 das technische Aufklärungszentrum in Pullach haben und die Chausseestraße ist gebaut und der BND ist eingezogen, dann wird sich noch ein weiterer Veränderungsprozess ergeben haben. Der BND wird sich in den nächsten Jahren ganz zwangsläufig durch die Altersstruktur verjüngen. Damit können wir auch sehr viel besser unsere Struktur an die Erfordernisse durch die veränderten Herausforderungen anpassen. Nein, wir haben keine Zwei-Klassen-Gesellschaft - die Jüngeren oder die Älteren. Ganz im Gegenteil, es wird immer wichtig sein, dass Erfahrungswissen, die Feldkenntnisse der Älteren zu nutzen. Wir sind manchmal in einer sehr schwierigen Situation, wenn uns in relativ kurzer Zeit Feldkenntnisse und Erfahrungswissen von Älteren wegbrechen durch Pensionierung, ohne dass wir schon in der Lage sind, diese so schnell zu kompensieren.

Deutschlandradio Kultur: Sie sprachen die neuen Aufgaben und veränderten Anforderungen schon an. Brauchen Sie, so wie die Bundesregierung das jetzt vorsieht, neue ausgeweitete Befugnisse, mehr Zuständigkeiten, mehr Möglichkeiten?

Uhrlau: Das, was jetzt aktuell im Gesetzentwurf drin ist, ist letztlich eine Anpassung, eine Arrondierung dessen, was nach dem Terrorismusbekämpfungsgesetz vereinbart worden ist. Es gibt eine Reihe von administrativen Erleichterungen. Ich habe mich gewundert, welche Irritation dann auftauchte, dass wir uns für Passagierdaten interessieren könnten im internationalen Bereich. Das kann schon einen Sinn machen. Oder Online-Abfragen mit dem Kraftfahrtbundesamt zur Halterabfrage, das ist - wenn Sie so wollen - eine Verwaltungsvereinfachung. Bei den Ländern ist das seit Jahren gang und gäbe. Das heißt, das, was der Bund augenblicklich nachvollzieht, ist keine Erweiterung von Kompetenzen, sondern - das sehe ich unter praktischen Gesichtspunkten - eher eine Verwaltungsvereinfachung.

Deutschlandradio Kultur: Die Opposition schreit aber auf und sagt, das sei ein Dammbruch in bürgerrechtlichem Sinne, weil der Auslandsgeheimdienst plötzlich innerhalb Deutschland Rechte bekommt, die er bisher nicht hatte.

Uhrlau: Das ist völlig unbegründet. Zum ersten, die ganzen gesetzlichen Regelungen stellen immer auch darauf ab - das ist zur Aufgabenwahrnehmung - außen- und sicherheitspolitisch relevante Informationen zu beschaffen und nicht zur Eigensicherung. Das ist das erste Wichtige in der Klarstellung. Zum zweiten: Ein Auslandsnachrichtendienst kann außen- und sicherheitspolitisch relevante Informationen auch im Inland von Ausländern gewinnen, die in der Bundesrepublik sind. Oder wenn wir terroristische Strukturen, die vom Ausland kommen, dann kann es sehr wohl erforderlich sein, Inlandsabklärungen zu machen.

Der Bundesnachrichtendienst hat eine klare Aufgabe, außen- und sicherheitspolitisch relevante Informationen zu beschaffen. Das Gesetz besagt nicht, dass diese gefälligst nur im Ausland zu holen hat. Denn was bedeutet das? Eine Reihe von interessanten Gesprächspartnern werden Sie in den eigentlichen Zielländern schwerlich treffen können, weil Ihnen da immer jemand auf den Füßen ist. Die müssen Sie in Drittländern oder auch in Deutschland treffen können. Sie müssen klären können, mit wem wollen Sie sich eigentlich zusammensetzen oder nicht zusammensetzen.

Deutschlandradio Kultur: Und die Aushöhlung der Bürgerrechte sehen Sie nicht?

Uhrlau: Die sehe ich überhaupt nicht. Wir haben gerade in der Evaluierung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes ja fein säuberlich aufzulisten gehabt, in welchem Ausmaß die erweiterten Befugnisse nach dem 11. September eingesetzt worden sind. Es ist deutlich geworden, es ist ein sehr verantwortungsvoller, restriktiver Gebrauch gemacht worden. Gesetzliche Befugnisse, die eingeräumt werden, müssen nicht die ganze Zeit immer ausgeschöpft werden, aber sie müssen vorhanden sein, um in bestimmten Situationen nicht vor der Situation zu stehen, ich komme nicht weiter, weil ich die Befugnis nicht habe. Muss ich dann rechtswidrig operieren oder letztlich irgendwann laufen lassen. Von daher sind die Befugnisse, die wir haben, schon gut austariert.

Deutschlandradio Kultur: Wir haben am Anfang schon mal darüber gesprochen, die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Information über Ihre Arbeit. Jetzt gibt es Forderungen von Seiten der Opposition, die sagen, sie wollen eine stärkere Kontrolle auch der Geheimdienste haben und beispielsweise auch den Zugang zu ihren Aktenpanzerschränken. Werden Sie an manchen Stellen den Schlüssel der Opposition mal in die Hand drücken?

Uhrlau: Zum ersten, Schlüssel in die Hand drücken heißt ja, ich gebe den Schlüssel ab und damit auch die Verantwortung über das, was vorgelegt wird. Nein, wir haben ein sehr stark entwickeltes Kontrollrecht der Nachrichtendienste des Bundes. Wir haben sowohl das parlamentarische Kontrollgremium, das Vertrauensgremium, und wir haben die G10-Kommission als tragende Elemente auch der parlamentarischen Kontrolle und Genehmigung bei der G10-Kommission. Wir haben im Gesetz verankert, welche Möglichkeiten das parlamentarische Kontrollgremium hat. Bei der Novellierung 1999 ist das Instrument des Sachverständigen eingeführt worden. Von diesem Instrument hat das Gremium zweimal bereits Gebrauch gemacht und durchaus mit relevanten Ergebnissen auch für das Gremium.

Ich glaube, das Instrumentarium, über das wir verfügen, ist angemessen. Und in welchem Umfang sich das Parlament personell da unterfüttern will, ist zunächst Sache des Parlaments. Was für mich keinen Sinn macht, ist die Diskussion über die Einführung eines Nachrichtendienstbeauftragten oder Geheimdienstbeauftragten durch das Parlament. Das fällt für mich in die Kategorie des Beauftragtenwesens. Ich bin gut ein Vierteljahrhundert im Kontext mit parlamentarischer Kontrolle von Nachrichtendiensten gewesen. Ich bin ein nachhaltiger Verfechter, aber ich bin kein Anhänger einer Entwicklung eines Beauftragten, denn das ist eine eigene Bürokratie. Ich muss sowohl die Politik als auch die Parlamentarier als die Ansprechpartner und Verantwortlichen für Kontrolle oder von Führung haben und darf nicht delegieren an einen Beauftragten.

Deutschlandradio Kultur: Sie haben zugesagt und so steht es, glaube ich, auch im Gesetz, dass Sie besondere Vorkommnisse innerhalb des BND in Zukunft selber dem parlamentarischen Kontrollgremium mitteilen wollen. Wie können Sie das als Chef einer solchen riesengroßen Behörde - 6.000 Menschen arbeiten immerhin bei Ihnen - garantieren?

Uhrlau: Wir haben ein internes System, dass alles, was bedeutend oder was außerhalb der Norm ist, besondere Vorkommnisse dem Präsidenten gemeldet werden und dass besondere Vorkommnisse auch dem Kanzleramt gemeldet werden. Es ist immer eine Philosophiefrage, in welchem Umfang das parlamentarische Kontrollgremium sich in aktuelle Entwicklungen einschaltet oder in welchem Umfang es über aktuelle Lageentwicklungen in Krisengebieten unterrichtet wird. Das hat zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Konjunkturen gegeben. Die Sitzungen des Kontrollgremiums unterliegen der Geheimhaltung. Deswegen haben Sie Verständnis dafür, dass ich über das Prozedere da wenig erzählen kann. Aber wir sind sehr wohl in der Lage, dem Parlament das zu berichten, was es haben möchte.

Deutschlandradio Kultur: Um das noch mal klarzustellen: Was besondere Vorgänge sind, definieren letztendlich Sie? Oder haben wir Sie da falsch verstanden?

Uhrlau: Das ist etwas, was wir definieren müssen, was ein besonderes Vorkommnis ist. Das wird sich im Dialog dann mit dem Gremium und dem Kanzleramt schon herauskristallisieren: Ist das von der Bedeutung her zu wenig oder liegen wir da richtig?

Deutschlandradio Kultur: Herr Uhrlau, wir danken Ihnen für das Gespräch.