Uecker mal anders

Von Hilde Weeg · 30.04.2008
Eine bislang wenig bekannte Seite des Bildhauers Günther Uecker präsentiert die Klassik Stiftung Weimar: "Redepflicht und Schweigefluss" ist Titel einer Ausstellung im Neuen Museum über das Schreiben, über Bücher und bibliophile Werke.
"Im Anfang war das Wort", damit beginnt die biblische Schöpfungsgeschichte - und die Ausstellung zu Werken von Günther Uecker im Neuen Museum Weimar. Museumsleiterin Dr. Ulrike Bestgen hat die Ausstellung konzipiert:

"Es ist natürlich das Thema, das die Verbindung zu Weimar gibt. Denken Sie an Goethes Faust - wo Faust im Studierzimmer sitzt und reflektiert über das Verhältnis Wort und Tat. Und das ist ein wichtiges Thema für Günther Uecker, denn er ist ein Künstler, der die Handlung neben das Wort setzt."

Uecker löst das Bibelzitat in einer Bilderfolge zunächst in abstrakte Zeichen und schließlich in eine dunkle Fläche auf. Eines von insgesamt 89 Werken aus 40 Jahren Künstlerleben, die hier ausgestellt sind.

"Günther Uecker ist sicherlich einer der wichtigsten Künstler in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der sich kontinuierlich mit dem Thema Sprache und Schrift, Wort und Bild und Schrift auseinandersetzt und wir haben das hier ausgebreitet in unterschiedlichen Themenräumen."

In seinen Text - und Bildskulpturen geht es um Macht und Ohnmacht des Wortes, zugleich um Sprachlosigkeit und Ausdruckskraft der Kunst, auch um das Verlangen nach Verständnis der eigenen Existenz. Zahlreiche Exponate haben Bezüge zu den Weltreligionen. Immer anwesend: Ueckers Markenzeichen seit über 50 Jahren, sein eindringlichstes Werkzeug: der Nagel. Seine Nagelkunst durchdringt den Text - und die Textur von Leinwand und Papier.

"Dieses Thema hat vielfältige Bezüge in Weimar - man denke an Goethe, aber auch die Anna Amalia Bibliothek, aber auch an Harry Graf Kessler und der Cranach-Presse. Aber auch mit dem Bauhaus, dass sich früh mit Cross-Overtechniken beschäftigt hat."

Schon 2001 war Uecker hier mit einer Ausstellung seiner Bühnenbilder vertreten, 99 hat er ein Steinmal für das ehemalige KZ Buchenwald gestaltet. Für den heute 78-Jährigen ist Weimar ein ganz besonderer Ort:

"Ja, es rührt mich ganz tief a, weil ich doch hier im Kern geistiger Betrachtbarkeit von Welt - so einem Kirschkern, auf den man nicht beißen sollte. Aber, es ist so ein Kernreaktor geistiger Strömungen, die sich von hier von Goethe bis Hafis entwickelte und die Wechselbeziehung geistiger Strömungen hier auch vereint."

Einer der Themenräume ist seinen Arbeiten zu literarischen Werken gewidmet, zu Büchern von Heinrich und Thomas Mann, zu Christa Wolfs Medea. Nicht weit davon liegen Papierfahnen unter Glas, auf denen eine Partitur notiert scheint. Titel: "Tibet 1994", Ueckers Übersetzung tibetischer Gebetsrituale

"Diese Gebetsfolgen habe ich mitgemacht und notiert - wie ein Komponist Noten schreibt, so habe ich die Rhythmen der Trommeln unmittelbar aufgezeichnet in den Klöstern. Und so sind hier ein paar Bücher ausgelegt aus dieser Zeit, die so aussehen, als wären es strukturelle Noten."

Grundlage der Ausstellung ist ein opulentes Werkverzeichnis zu Ueckers bibliophilem Schaffen, das Opus Liber. Die Exponate bieten einen liebevoll und sorgfältig gewählten Querschnitt von diesem Aspekt seines Schaffens. In allen Werken wird deutlich: Uecker will selbst verstehen - und sich mitteilen. Und er hat viel zu sagen:

"Kunst kann den Menschen nicht retten, aber mit den Mitteln der Kunst kann ein Dialog herbeigeführt werden, der zum bewahrenden Handeln des Menschen aufruft. Es ist so etwas wie eine Tafelei, man isst zusammen."

Wer diesen nahrhaften Dialog führen will - in der Ausstellung "Redepflicht und Schweigefluss" im Neuen Museum Weimar ist dazu Gelegenheit.