Überwältigend nah dran
Insgesamt 150 nichtprofessionelle Jugendtheatergruppen beteiligten sich an dem Wettbewerb "Schüler spielen Shakespeare" des ZDF-Theaterkanals. Eine unabhängige Jury unter Leitung des bekannten Schauspielers Armin Rhode wählte fünf Inszenierungen aus, die in den nächsten Wochen im Theaterkanal ausgestrahlt werden. Bis zum 21.Mai werden nun die fünf Preisträgerinszenierungen in Berlin gezeigt.
"Liebe, Macht Tot" - unter diesem Titel hatte das ZDF zum Wettbewerb aufgerufen. Gleichsam zur Einstimmung auf das Theatertreffen studierten in der Eröffnungsveranstaltung alle Beteiligten einen Kanon ein, der diese drei Worte enthält. Der einem Buch von Thomas Brasch entlehnte Titel markiert die prägenden Koordinaten der hier gezeigten Stücke: "Hamlet", "Sommernachtstraum", "Romeo und Julia" und "Troilus und Cressida".
Die kollektive Einstudierung weist auf die besondere Atmosphäre dieses Treffens: Alle sind am Gelingen der Veranstaltung interessiert, jeder will ehrlichen Herzens, dass der andere Erfolg hat. Der den Kanon einstudiert, ist Wolfgang Bergmann, der Leiter des ZDF-Theaterkanals. In der Pause bekennt er im Gespräch, was ihn an diesen Aufführungen interessiert.
"Interessant sind die Projektarbeiten, die sich Shakespeare als einem Steinbruch nähern, die Elemente, Gedanken, Sentenzen herausnehmen und darüber frei assoziieren mit der gewaltigen Phantasie der jungen Leute. Das wurde in der Regel so spannend, dass die vermeintlichen Profis staunend davor sitzen und vielleicht diese Leichtigkeit nicht mehr hinkriegen."
Tatsächlich haben alle hier vertretenen Gruppen Shakespeares gewaltiges Werk als einen Art Steinbruch angesehen und die Texte, Szenen oder Handlungsaspekte herausgegriffen, die mit ihrem Leben etwas zu tun haben. Die Gruppe Eisenhans aus Hamburg reduziert den "Sommernachtstraum" auf die Irrungen und Verwirrungen der jungen Liebespaare, das nicht professionelle Jugendtheater "Die Schotte" aus Erfurt verschränkt die Liebesgeschichte von Romeo und Julia mit Szenen aus ihrem Schulalltag, die Gruppe des Goethegymnasiums aus Schwerin stellt sich selbst in ihrer "Hamlet"-Inszenierung die Frage nach den eigenen Handlungsmöglichkeiten in einer immer kälteren Welt.
Dass die Erkundung solcher Fragen alle Beteiligten einer Inszenierung, unabhängig von ihrem sozialen Erfahrungshintergrund, einschließt, beweist die "Sommernachtstraum"-Inszenierung aus Hamburg. Menschen mit geistiger Behinderung stehen darin gemeinsam auf der Bühne mit Oberschülern. Als Hermia agiert ein junges Mädchen mit Down-Syndrom, als Demetrius ein 17-jähriger Schüler.
Was in dieser Szene emotional berührt, ist diese von Berufsschauspielern kaum erreichbare Glaubhaftigkeit des Erlebens. Wie das junge Mädchen mit den Worten ringt, um dem Schmerz über kalte Zurückweisung durch ihren Geliebten Ausdruck zu geben, das lässt erkennen, dass die Darstellerin im persönlichen Leben ihre Erfahrungen mit Ausgrenzungen gemacht hat. Irgendwie erinnert das an die Tanzschöpfungen Alain Platels, die als Sozialprojekte mit Behinderten geplant waren und heute die großen Theaterfestivals bereichern.
Hatte sich diese gemischte Hamburger Gruppe mit Bedacht nur einen Handlungsstrang herausgelöst, so hatte die vom jungen Staatstheater Hannover betreute Spielgruppe den Ehrgeiz, "Romeo und Julia" als Gesamtwerk auf die Bühne zu bringen. Hier die berühmte Abschiedsszene:
Dass die Darsteller dem von Shakespeare vorgegebenem Alter sehr nahe kommen, macht die emotionale Hochstimmung und die unabweisbaren Ängste des Liebespaares glaubhaft. Besonders die 16-jährige Lena Eikenbusch als Julia beweist die Fähigkeit zur Gestaltung der so genannten "zweiten Schicht": unter der gerade erwachten Sinnlichkeit scheint die Vorahnung der kommenden Katastrophe auf. Neben der dominanten, namentlich bewusst nicht genannten Hamletmutter Gertrud in der Inszenierung des Schweriner Goethegymnasiums für mich die beste schauspielerische Leistung des Treffens.
Problematischer ist in dieser Inszenierung die Zeichnung des Umfelds der beiden Liebenden. Der Versuch einer kritischen Sicht auf die Elternhäuser und die anderen Gangmitglieder driftet ab in eine krampfhafte Suche nach dem nächsten Lacher, die Tragödie kippt um in den Schwank. Die Grenzen einer Herangehensweise, die den eigenen begrenzten Horizont zum Maß der Dinge macht, geraten ins Blickfeld
Die kollektive Einstudierung weist auf die besondere Atmosphäre dieses Treffens: Alle sind am Gelingen der Veranstaltung interessiert, jeder will ehrlichen Herzens, dass der andere Erfolg hat. Der den Kanon einstudiert, ist Wolfgang Bergmann, der Leiter des ZDF-Theaterkanals. In der Pause bekennt er im Gespräch, was ihn an diesen Aufführungen interessiert.
"Interessant sind die Projektarbeiten, die sich Shakespeare als einem Steinbruch nähern, die Elemente, Gedanken, Sentenzen herausnehmen und darüber frei assoziieren mit der gewaltigen Phantasie der jungen Leute. Das wurde in der Regel so spannend, dass die vermeintlichen Profis staunend davor sitzen und vielleicht diese Leichtigkeit nicht mehr hinkriegen."
Tatsächlich haben alle hier vertretenen Gruppen Shakespeares gewaltiges Werk als einen Art Steinbruch angesehen und die Texte, Szenen oder Handlungsaspekte herausgegriffen, die mit ihrem Leben etwas zu tun haben. Die Gruppe Eisenhans aus Hamburg reduziert den "Sommernachtstraum" auf die Irrungen und Verwirrungen der jungen Liebespaare, das nicht professionelle Jugendtheater "Die Schotte" aus Erfurt verschränkt die Liebesgeschichte von Romeo und Julia mit Szenen aus ihrem Schulalltag, die Gruppe des Goethegymnasiums aus Schwerin stellt sich selbst in ihrer "Hamlet"-Inszenierung die Frage nach den eigenen Handlungsmöglichkeiten in einer immer kälteren Welt.
Dass die Erkundung solcher Fragen alle Beteiligten einer Inszenierung, unabhängig von ihrem sozialen Erfahrungshintergrund, einschließt, beweist die "Sommernachtstraum"-Inszenierung aus Hamburg. Menschen mit geistiger Behinderung stehen darin gemeinsam auf der Bühne mit Oberschülern. Als Hermia agiert ein junges Mädchen mit Down-Syndrom, als Demetrius ein 17-jähriger Schüler.
Was in dieser Szene emotional berührt, ist diese von Berufsschauspielern kaum erreichbare Glaubhaftigkeit des Erlebens. Wie das junge Mädchen mit den Worten ringt, um dem Schmerz über kalte Zurückweisung durch ihren Geliebten Ausdruck zu geben, das lässt erkennen, dass die Darstellerin im persönlichen Leben ihre Erfahrungen mit Ausgrenzungen gemacht hat. Irgendwie erinnert das an die Tanzschöpfungen Alain Platels, die als Sozialprojekte mit Behinderten geplant waren und heute die großen Theaterfestivals bereichern.
Hatte sich diese gemischte Hamburger Gruppe mit Bedacht nur einen Handlungsstrang herausgelöst, so hatte die vom jungen Staatstheater Hannover betreute Spielgruppe den Ehrgeiz, "Romeo und Julia" als Gesamtwerk auf die Bühne zu bringen. Hier die berühmte Abschiedsszene:
Dass die Darsteller dem von Shakespeare vorgegebenem Alter sehr nahe kommen, macht die emotionale Hochstimmung und die unabweisbaren Ängste des Liebespaares glaubhaft. Besonders die 16-jährige Lena Eikenbusch als Julia beweist die Fähigkeit zur Gestaltung der so genannten "zweiten Schicht": unter der gerade erwachten Sinnlichkeit scheint die Vorahnung der kommenden Katastrophe auf. Neben der dominanten, namentlich bewusst nicht genannten Hamletmutter Gertrud in der Inszenierung des Schweriner Goethegymnasiums für mich die beste schauspielerische Leistung des Treffens.
Problematischer ist in dieser Inszenierung die Zeichnung des Umfelds der beiden Liebenden. Der Versuch einer kritischen Sicht auf die Elternhäuser und die anderen Gangmitglieder driftet ab in eine krampfhafte Suche nach dem nächsten Lacher, die Tragödie kippt um in den Schwank. Die Grenzen einer Herangehensweise, die den eigenen begrenzten Horizont zum Maß der Dinge macht, geraten ins Blickfeld