Übertriebener Surrealismus

Von Jörg Taszman · 02.10.2013
Eines der berühmtesten Bücher des französischen Surrealismus ist mit viel Liebe und Ideenreichtum verfilmt worden. Leider ist der Film so verspielt, dass die eigentliche Erzählung darunter leidet. Die gekürzte Version in den deutschen Kinos ist aber immerhin sehenswert.
Als ich im Januar erstmals den Trailer zu Michel Gondrys "Der Schaum der Tage" mit Audrey Tautou und Romain Duris dem Paar aus den "L’auberge Espagnole" Filmen wie "Barcelona-für ein Jahr" sah, war ich begeistert. Dieses wilde, verspielte Kinostück nach dem Roman von Boris Vian zudem besetzt mit Omar Sy und Gad Elmaleh schien das Zeug zum Besten Französischen Film des Jahres zu haben.

Umso größer meine Enttäuschung als ich Ende April in Genf für 19 Schweizer Franken endlich das ganze Werk zu sehen bekam. Die Geschichte um den naiven und reichen Tüftler Colin (Romain Duris), der mit seinem Koch und Diener Nicolas happy in einem märchenhaften Appartement in Paris lebt und dann an Chloé (Audrey Tautou) sein Herz verliert, wirkte völlig überladen.

Regisseur Michel Gondry hatte einen zwei Stunden langen Bilder-und Tonreigen geschaffen wie ein großes Kind, das immer neue Ideen hat und sich völlig in seiner Fantasie verliert. Da schweben Colin und Chloé auf einer Wolke durch Paris, landen auf einer Wiese, die sich in Regen und Sonne zweiteilt, es gibt wundersame Maschinen, die Essen und Trinken zubereiten und immer wieder politische Demonstrationen mit einem Idol der Jugend einem gewissen Jean Sol-Partre….

Die Liebesgeschichte, die immer tragischer wird, wurde durch diesen optischen Dauerbeschuss und Luftikuss-Rausch neutralisiert. Am Ende blieb eine große Müdigkeit und Riesenenttäuschung. Nun hat Michel Gondry, der einst mit genialen Videoclips für Musiker wie Björk oder die Rolling Stones bekannt wurde und mehr in den USA ("Human Nature", "Vergiss mein nicht") als in Frankreich drehte, seinen Film aber umgeschnitten.

Fast eine halbe Stunde flog für die "Internationale Version" heraus und siehe da, der Film ist etwas straffer, die emotionale Liebesbeziehung zentraler, Audrey Tautou und Romain Duris sind berührender und überhaupt ist eine Dramaturgie erkennbar geworden. Es ist ein seltenes Beispiel dafür, dass man seinen eigenen Film durch einen neuen Schnitt durch eine radikale Kürzung auch stark verbessert.

So ist "Der Schaum der Tage" in der 90 Minuten "Kurzfassung" immerhin sehenswert geworden. Den ganz großen Wurf hat Michel Gondry jedoch verfehlt, weil ihm seine Verspieltheit und sein Ideenreichtum manchmal im Weg stehen. Dennoch bleibt er einer der originellsten Vertreter seiner Zunft.

Offizielle Seite für "Der Schaum der Tage"

Frankreich 2013; Regie: Michel Gondry; Darsteller: Romain Duris, Audrey Tautou, Omar Sy, Gad Elmaleh; 92 Minuten, freigegeben ab 12 Jahren
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