Übersetzerin und Autorin Alida Bremer

Brückenbauerin zwischen Literaturen und Kulturen

Übersetzerin und Autorin Alida Bremer
Ihr Heimatland Kroatien schlägt eine bedenkliche Richtung ein, warnt Alida Bremer, dabei könne es eigentlich eine Vermittlerrolle einnehmen. © Carola Loeser
Moderation: Ulrike Timm · 28.06.2018
Für ihre Übersetzung eines kroatischen Liebesromans wird Alida Bremer mit dem Internationalen Literaturpreis ausgezeichnet. Es sei eine Ehrung, die auch die Rolle der Übersetzer als Vermittler zwischen unterschiedlichen Kulturen würdige, sagt Bremer.
Für Alida Bremer gibt es nicht nur eine Muttersprache. Sie hat in mehreren Sprachen Wurzeln geschlagen: Ins Kroatische ist sie hineingeboren, ins Deutsche ist sie hineingewachsen. Mit 26 Jahren kam sie zum Studium nach Deutschland und eignete sich die deutsche Sprachwelt Stufe für Stufe an. Inzwischen hat ihr Deutsch eine solche Leuchtkraft und Lebendigkeit, dass das Haus der Kulturen der Welt in Berlin sie am heutigen Donnerstag für ihre Übersetzung des kroatischen "Liebesromans" von Ivana Sajko mit dem Internationalen Literaturpreis 2018 auszeichnet.
Alida Bremer eröffnet deutschen Lesern durch ihre Übersetzungen kroatischer Literatur und die von ihr herausgegebenen Anthologien Zugang zu Geschichten aus einem Land, von dem die meisten keine rechte Vorstellung haben. Sie freue sich sehr, dass mit der Autorin Ivana Sajko auch ihre eigene Arbeit als Übersetzerin mit einem Preis gewürdigt werde, sagte Alida Bremer im Deutschlandfunk Kultur.

Große Bühne für das "Mäuschen"

"Die Übersetzungen sind die Brücke zwischen den Literaturen und Kulturen. Häufig sieht man die Übersetzer nicht. Sie sind wie kleine, unsichtbare Mäuschen, die im Hintergrund arbeiten. Mit diesem Preis kommt das Mäuschen nach vorne auf die große Bühne."
Bremer übersetzt Ivana Sajkos Romane und Theaterstücke schon seit 17 Jahren. Ihre Art, verschachtelte Sätze zu schreiben, sei ihr sehr vertraut. Für die Übersetzung des "Liebesroman" habe sie mit einem Stipendium des Europäischen Übersetzerkollegiums "fantastische Bedingungen" gehabt. Um eine Sprache richtig zu kennen, müsse man die Kinderlieder, Kindererzählungen und die Sprichwörter kennen, sagte Alida Bremer.
"Ich bin nicht hier geboren, nicht hier aufgewachsen. Ich bin mit 26 Jahren nach Deutschland gekommen und es hat sich wunderbar ergeben, dass meine Kinder in Deutschland aufgewachsen sind. Ich habe dann mit ihnen gelernt, wie man in Deutschland als Kind aufwächst."

Eine "total verheerende" Entwicklung in Kroatien

Mit Blick auf die gegenwärtigen politischen Verhältnisse in Kroatien zeichnete Bremer ein düsteres Bild. Hinter den derzeit erstarkenden rechtsnationalistischen Strömungen im Land steckten in Wahrheit korrupte und mafiöse Strukturen:
"Da paart sich eine mittelmeerische, korrupte, mafiöse Mentalität mit einer Maske des Rechts-Seins. Anstatt dass man eine Idee davon formuliert und definiert, was Kroatien in der lang ersehnten Europäischen Union darstellen will, hat man einen rückwärtsgewandten, nationalistischen Katholizismus entdeckt. Das ist in meinen Augen total verheerend. Das wird niemanden nach vorne bringen.
Es gibt sehr konservative Gruppierungen, die ständig irgendwelche unwichtigen politischen Themen hochputschen wie zum Beispiel die Frage der Abtreibungen oder der Homo-Ehe, um einen konservativen Konsens im Land zu schaffen. Und wenn sie dann den Menschen, die in einem von der Korruption ziemlich ausgeplünderten und ausgehöhlten Land leben, die Frage stellen, ob Homosexuelle Kinder adoptieren sollen, dann sehen Sie, dass sie auf dem falschen Weg sind."
Die Kroaten hätten sich immer als Europäer empfunden. "Kroatien besteht beinahe nur aus der Küste und die Prägung durch diese Mittelmeer-Zusammengehörigkeit ist stärker als alles andere. Andererseits, wenn sie die Hauptstadt Zagreb anschauen, dann sieht sie aus wie eine Mischung aus einem Wiener Vorort und Graz. Da gibt es eine starke Bindung an das Mittelmeer und an Mitteleuropa und dadurch an Europa. Die Sehnsucht war enorm, man wollte zur EU gehören. Aber heute hat man sich ein bisschen verloren. Man findet nicht mehr was die europäischen Werte sind, die man unbedingt haben wollte."

Ein Land mit Brückenposition

Zugleich brächten die Kroaten immer wieder Spitzenleistungen in den Wissenschaften, der Kunst und im Sport hervor. "Aber das Land, vielleicht auch weil es geografisch so zersplittert ist, findet nicht unbedingt einen eigenen Weg in eine politische Position."
"Was ich mir wünschen würde für Kroatien, wäre eine neue Reflexion der Verankerung in den europäischen Werten", sagte Alida Bremer. Kroatien müsse sich fragen, was sein Beitrag sein könne zur europäischen Familie und wo zugleich seine Verantwortung den anderen Balkan-Ländern gegenüber liege.
"Wir müssen uns fragen, wie wir ein Land, das immer eine Brückenposition hatte, diese Rolle der Brücke wieder in einem positiven, humanen Sinne erfüllen können. Man war immer zwischen den orientalischen und westeuropäischen Ländern, zwischen dem Balkan und Mitteleuropa und Mittelmeer und das ist eigentlich eher ein Vorteil als ein Nachteil. Für mich geht es bei dem neuen Bild Kroatiens darum, wie wir das herausarbeiten, dass wir diese Vermittlerrolle wirklich auch spielen können."
Mehr zum Thema