Übergriffige Nachbarn

Von Bernd Musch-Borowska |
Für Vietnam ist das Mekong-Delta die Reiskammer des Landes, eines der Zentren der wirtschaftlichen Entwicklung. Aber auch die Bewohner anderer Anrainerstaaten wie Laos, Thailand und Kambodscha leben vom Fluss oder seinem Schwemmgebiet, Heimat tausender Tier- und Pflanzenarten. Umweltschützer fürchten, dass Klimawandel und mehrere Staudammprojekte zu einer Veränderung des Wasserhaushaltes am Mekong führen und damit die Fischerei und die Landwirtschaft im fruchtbaren Flussgebiet gefährden könnten.
Der fast 4500 Kilometer lange Mekong ist nach dem Yangtse und dem Ganges der drittlängste Fluss Asiens. Sein Einzugsgebiet umfasst rund 800.000 Quadratkilometer und ist damit etwa so groß wie Deutschland und Frankreich zusammen. 60 Millionen Menschen leben in dieser Region, die meisten von ihnen sind direkt oder indirekt vom Mekong abhängig. China zapft im Oberlauf des Flusses immer mehr Wasser ab, für die Landwirtschaft in der Provinz Yunnan und für die Stromgewinnung durch Staudamm-Projekte.

Man akzeptiere ja, dass die Chinesen Wasser brauchten, sagte ein thailändischer Senator in einem Zeitungsinterview. Die Chinesen dürften aber nicht glauben, dass der Fluss ihnen gehöre. Das Wasser des Mekong wird durch die Schneeschmelze im Himalaya und durch den jährlichen Monsunregen gespeist. Große Schwankungen des Wasserstandes sind von daher nicht ungewöhnlich. Bis zu 15 Meter kann der Pegelstand des Flusses während der Trockenzeit von November bis Mai schon mal abfallen. Die zahlreichen Nebenflüsse des Mekong werden dann zu kleinen Rinnsalen.

Die Extreme zwischen den Hochwasserständen und dem Niedrigwasser während der Trockenzeit vergrößern sich, Staudämme sollen das ausgleichen. Mark Goichot vom Living-Mekong-Programm der Umweltstiftung WWF in Laos ist jedoch skeptisch:

"Die Vorausberechnungen für die Auswirkungen des Klimawandels zeigen, dass sich die Extreme verstärken werden, also die Niederschläge während der Regenzeit und die Austrocknung während der Trockenzeit. Auf der einen Seite spricht das natürlich für den Bau von Staudämmen, mit denen das Wasser für die Trockenzeit gespeichert werden kann. Aber auf der anderen Seite wird dadurch das Wassermanagement im Mekong sehr viel schwieriger."

Sechs große Staudämme im Hauptlauf des Mekong sind bereits im Bau oder in der Planung. Vier davon allein in Laos, je einer in Thailand und in Kambodscha.

Nam Theun Two, der neue Riesenstaudamm rund 100 Kilometer südlich der laotischen Hauptstadt Vientiane, hat gerade jetzt, während des extremen Niedrigwasserstands seinen Betrieb aufgenommen. Der Damm soll die wichtigste Energie-Quelle für Laos und die gesamte Region werden. Der meiste Strom, der hier produziert wird, wird nach Thailand exportiert.

Für Laos, das zu den ärmsten Ländern Südostasiens gehört und so gut wie keine wirtschaftliche Infrastruktur besitzt, eine lebenswichtige Einnahmequelle, meint Gil-Hong Kim, der Repräsentant der asiatischen Entwicklungsbank ADB in Vientiane:

"Die Wasserkraft hat für Laos eine sehr große Bedeutung. Das Land ist finanziell abhängig vom Energie-Export nach Thailand und in andere Nachbarländer. Die Staudamm-Projekte werden die wirtschaftliche Entwicklung in Laos und der gesamten Region beschleunigen."

Die Bewohner des Mekong-Beckens decken einen großen Teil ihres Protein-Bedarfs aus dem Fluss. Allein in Laos werden jährlich rund 42.000 Tonnen Fisch gefangen. In Kambodscha leben mehr als eine Million Menschen direkt vom Fischfang. Der Tonle Sap, der größte Süßwassersee in Südostasien, wird vom Mekong gespeist. Die meisten Fische im Tonle Sap wandern während der Trockenzeit den Mekong hinauf. Wenn nun, wie geplant, an den Khone-Wasserfällen, gleich hinter der Grenze zwischen Kambodscha und Laos, ein weiterer Staudamm gebaut wird, würde die Migration der Fische gestoppt, sagt Premrudee Daoroung von der Umweltstiftung TERRA:

"Wenn man den Mekong blockiert, durch den mehr als 70 Prozent der Fische aus dem Tonle Sap schwimmen, einem der größten Süßwasser-Seen weltweit, wie sollen die Fische dann wandern und ihre Laichgründe erreichen? Und für Kambodscha ist die Fischereiwirtschaft enorm wichtig. Wenn man also diesen Durchgang am Mekong blockiert, dann sind davon Millionen von Menschen am Mekong und am Tonle Sap direkt betroffen."

Seit 1995 arbeiten die Anrainerstaaten am unteren Flusslauf in der Kommission zusammen: Kambodscha, Thailand, Laos und Vietnam. China und Birma, die Anrainer am oberen Mekong-Abschnitt, haben in der Kommission nur Beobachterstatus. Für den Mekong, mit seinen Fischbeständen und für die Menschen, die am Fluss und vom Fluss leben, ist es fünf vor zwölf. Der Klimawandel und die Staudamm-Projekte könnten unumkehrbare Folgen haben.