Übergriffe in Köln

"Der Anspruch der offenen Stadt muss gelten"

Menschengruppen vor der Kulisse des Kölner Doms, dazwischen Rauchschwaden.
Menschen in der Silvesternacht auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofs in Köln. © dpa / Markus Böhm
Wolfgang Kaschuba im Gespräch mit Anke Schaefer und Christopher Ricke · 06.01.2016
Der Stadtraum ist unsere Bühne, sagt der Stadtforscher Wolfgang Kaschuba vor dem Hintergrund der Kölner Übergriffe. Die Zivilgesellschaft müsse eine Errungenschaft bewahren: den Anspruch einer offenen Stadt – für jeden, überall und zu jeder Zeit.
Der Stadtforscher Wolfgang Kaschuba, Direktor des Berliner Instituts für Migrationsforschung, hat vor dem Hintergrund der Kölner Vorfälle die Bedeutung des öffentlichen Raumes für unsere Gesellschaft deutlich gemacht:
"Wir wollen dort Party bis Politik machen. Der Stadtraum ist unsere Bühne. Und wir wollen dort so etwas wie urbane Gemeinschaften erleben, in der Nachbarschaft wie auch bei der Silvesterparty. Und dann kollabiert das im Grunde genommen wie jetzt in der Silvesternacht in Köln."
Welche Werte wurden in Köln verletzt?
Bisher wisse man aber noch gar nicht genau, was passiert sei, meinte Kaschuba. Daher sei die Aufklärung der Ereignisse jetzt die primäre Aufgabe von Politik, Polizei, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Es stelle sich die Frage, was zu dieser Mischung geführt habe, die von auch von Polizeikräften als neu oder einmalig beschrieben worden sei. Die Gesellschaft müsse einen bestimmten Anspruch wahren und sich auch darüber klar werden, welche Werte in Köln verletzt worden seien:
"Dieser Anspruch, die offene Stadt - für jeden, überall, zu jeder Zeit - muss gelten. Und gleichzeitig zu schauen, wo dieser Anspruch eingeschränkt ist und noch nicht umgesetzt werden kann. Und das ist natürlich ein ganz wichtiger Lernprozess für alle Beteiligten, bei der der Zivilgesellschaft mit die wichtigste Aufgabe zukommt, nicht nur der Polizei.."
Bedeutung des Migrationshintergrundes
Es sei auch zu klären, ob solche Situationen wie in Köln wirklich aus migrationstypischen Zusammenhängen entstünden, sagte Kaschuba. Er verwies darauf, dass die Statistik auch von Vergewaltigungen beim Münchner Oktoberfest berichte:
"Also da ist kein Migrationshintergrund im Spiel. Da ist Testosteron im Spiel, da sind Übergriffigkeiten, Gewalttätigkeiten im Spiel, gerade im Verhältnis der Geschlechter. Also wäre die erste Frage nicht die: Sind es die Migranten? Sondern sie lautet: Was bedeutet diese Situation? Welche Akteure sind beteiligt?
Und dann muss man natürlich ganz klar sagen: Dort, wo Respekt gegenüber Frauen fehlt, wo das kulturell oder religiös begründet wird, gibt es keine Toleranz. Wir haben hier ganz klare Regeln. Wer die bricht, hat zunächst einmal die Zivilgesellschaft gegen sich. Dann die Polizei. Und dann die Gerichte. In der Reihenfolge muss es gehen."
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