Überfrachtetes Durcheinander
Der Plot des Stücks ist verwirrend und reich an Personen und Stationen. Von einem Appellationsgericht sind die Haupthelden Brigina, Rochade und Eddy Gorleck, Mitglieder einer "zivilterroristischen" Bande, zu 17 Mal lebenslänglich wegen "Zerstörung der öffentlichen Moral" verurteilt worden.
Zur Strafverschärfung ergeht das Verbot Lebensverkürzender Maßnahmen, sodass die Strafdauer in vollem Umfang abgesessen werden muss. Die drei Verurteilten müssen ihre Strafe in der virtuellen Welt verbüßen. Dort begegnen sie auf zehn Stationen seltsamen Figuren in seltsamen Situationen. Im Jahre 2043 schauen sie durch ein Fenster in die Vergangenheit zurück und sehen ernüchtert, dass alles ganz anders gekommen ist, als sie erhofft hatten. Der Wunsch, ins normale Leben zurückzukehren, wird übermächtig. Mit Hilfe der Technik der Selbstauflösung kehren sie in die Gegenwart zurück, um dort ihre terroristischen Aktivitäten mit einem Anschlag auf die G7-Konferenz fortzusetzen.
Autor Marcel Luxinger ist nicht nur durch Bühnenbearbeitungen von Thomas Manns "Zauberberg" und Elias Canettis "Die Blendung" bekannt geworden, sondern auch durch die Gründung einer "Compagnie für präemptive und nachhaltige Auseinandersetzungen". Der Vereinsname klingt kopflastig. Kopflastig ist auch dieses in Rede stehende Stück. Luxinger erweist sich zwar als wortreicher Verfertiger von Wortwitzen, Wortkonstruktionen und Gedankensystemen, nicht aber als Schöpfer von stimmigen, sinnlich nachvollziehbaren Situationen und Vorgängen. Er findet keine dramaturgische Form, um das auseinanderfließende Material zwingend miteinander zu verknüpfen. In die zehn Stationen in der virtuellen Welt sind ausführliche, kollektiv bebilderte Biographien der drei Hauptfiguren hinein geschnitten. In das überfrachtete Durcheinander montiert der Autor unzählige Zeitanspielungen und bringt wahllos Namen heutiger öffentlicher Personen – von Schäuble bis Osama bin Laden, von Schwarzenegger bis Putin - ins Spiel. Was fehlt, ist das konkrete Spielmaterial, aus dem die Schauspieler ihre Figuren bauen können.
Regisseurin Bettina Bruinier, die wiederholt bewiesen hat, dass sie mit ironischer Distanz inszenieren, die grotesken und absurden Momente eines Theatertexts herausholen kann, hat offensichtlich begriffen, dass sich bei der szenischen Verlebendigung dieses Texts eine 1:1-Darstellung verbietet. So greift sie zur bewussten Übersteigerung von Figurenverhalten. Hannelore Koch als die mitverurteilte Brigina muss bei der Überprüfung der elterlichen Haushaltsführung papierne Endlosschleifen mit Rechnungen und Belegen schwenken und wenn davon die Rede ist, dass ihre Mutter mit einem Choreographen durchgebrannt ist, muss die fortan aufwendige Tanzfiguren kreieren. Die beiden Studenten aus dem Dresdner Schauspielstudio, die alle anderen Nebenfiguren nacheinander figurieren, erledigen allerlei automatenhaft-pantomimische Übungen, ohne jedoch individuelles darstellerisches Profil zu erreichen. Das gelingt allenfalls den Darstellern der drei Verurteilten. Hannelore Koch als Brigina und Helga Werner als Rochade zeichnen mit schnellem Strich extrem unterschiedliche Figurenhaltungen und Albrecht Goette als Eddy Gorleck gelingt sogar eine anrührende Figurengeschichte. Wie der – zunächst ein begriffsstutziges zurückgebliebenes Kind, das von zwei lesbischen Frauen erzogen und von den Klassenkameraden gemobbt wird – wie dieser Schlaffi mit plötzlichem Ruck ins wahre Leben ausbricht und dann als fleischgewordenes Versagen heimkehrt, das hat komische, ja zuweilen tragikomische Züge. Insgesamt aber gelingt es Regie und Schauspielern nicht, dem kopflastigen Text szenisches Leben einzuhauchen.
Sieben Schritte bis zur Selbstauflösung im Staatsschauspiel Dresden in der Reihe "Neubau"
Regie: Betttina Bruinier
Autor Marcel Luxinger ist nicht nur durch Bühnenbearbeitungen von Thomas Manns "Zauberberg" und Elias Canettis "Die Blendung" bekannt geworden, sondern auch durch die Gründung einer "Compagnie für präemptive und nachhaltige Auseinandersetzungen". Der Vereinsname klingt kopflastig. Kopflastig ist auch dieses in Rede stehende Stück. Luxinger erweist sich zwar als wortreicher Verfertiger von Wortwitzen, Wortkonstruktionen und Gedankensystemen, nicht aber als Schöpfer von stimmigen, sinnlich nachvollziehbaren Situationen und Vorgängen. Er findet keine dramaturgische Form, um das auseinanderfließende Material zwingend miteinander zu verknüpfen. In die zehn Stationen in der virtuellen Welt sind ausführliche, kollektiv bebilderte Biographien der drei Hauptfiguren hinein geschnitten. In das überfrachtete Durcheinander montiert der Autor unzählige Zeitanspielungen und bringt wahllos Namen heutiger öffentlicher Personen – von Schäuble bis Osama bin Laden, von Schwarzenegger bis Putin - ins Spiel. Was fehlt, ist das konkrete Spielmaterial, aus dem die Schauspieler ihre Figuren bauen können.
Regisseurin Bettina Bruinier, die wiederholt bewiesen hat, dass sie mit ironischer Distanz inszenieren, die grotesken und absurden Momente eines Theatertexts herausholen kann, hat offensichtlich begriffen, dass sich bei der szenischen Verlebendigung dieses Texts eine 1:1-Darstellung verbietet. So greift sie zur bewussten Übersteigerung von Figurenverhalten. Hannelore Koch als die mitverurteilte Brigina muss bei der Überprüfung der elterlichen Haushaltsführung papierne Endlosschleifen mit Rechnungen und Belegen schwenken und wenn davon die Rede ist, dass ihre Mutter mit einem Choreographen durchgebrannt ist, muss die fortan aufwendige Tanzfiguren kreieren. Die beiden Studenten aus dem Dresdner Schauspielstudio, die alle anderen Nebenfiguren nacheinander figurieren, erledigen allerlei automatenhaft-pantomimische Übungen, ohne jedoch individuelles darstellerisches Profil zu erreichen. Das gelingt allenfalls den Darstellern der drei Verurteilten. Hannelore Koch als Brigina und Helga Werner als Rochade zeichnen mit schnellem Strich extrem unterschiedliche Figurenhaltungen und Albrecht Goette als Eddy Gorleck gelingt sogar eine anrührende Figurengeschichte. Wie der – zunächst ein begriffsstutziges zurückgebliebenes Kind, das von zwei lesbischen Frauen erzogen und von den Klassenkameraden gemobbt wird – wie dieser Schlaffi mit plötzlichem Ruck ins wahre Leben ausbricht und dann als fleischgewordenes Versagen heimkehrt, das hat komische, ja zuweilen tragikomische Züge. Insgesamt aber gelingt es Regie und Schauspielern nicht, dem kopflastigen Text szenisches Leben einzuhauchen.
Sieben Schritte bis zur Selbstauflösung im Staatsschauspiel Dresden in der Reihe "Neubau"
Regie: Betttina Bruinier