Über weite Strecken Klamotte

Von Rainer Zerbst |
Eigentlich will Grace die „Gesellschaft der Asgebeuteten“ zum Besseren führen – mit einem Übermaß an Freiheit und Demokratie. Und schließlich wird sie zur Sklavenantreiberin. Regisseur Volker Lösch verlegt den Schauplatz von „Manderley“ beziehungsreich in einen Arbeitscontainer. Doch verwässert Lösch das Gedankenspiel von Autor Lars von Trier. Weitgehend eine Klamotte.
Einen der besten Einfälle dieser Inszenierung sieht man, schon ehe das Stück beginnt. Dutzende von Arbeitern malochen dichtgedrängt im Arbeitscontainer. Von Hand versuchen sie, neue Jeans gebraucht aussehen zu lassen, wie es die Mode will. Das ist Regisseur Volker Löschs Variante zum Sklavenarbeiterdasein bei Lars von Trier, eine durchaus bedenkenswerte Variante.

Schließlich will Trier eine Art Sklavengesellschaft von heute darstellen in seinem Experiment mit Titel „Manderley“. In diese Gesellschaft der Ausgebeuteten und Ausgepeitschten schickt er Grace, die der Film- und Theaterbesucher schon von „Dogville“ her kennt, und ähnlich wie dort will sie die Gesellschaft zum Besseren führen.

In „Dogville“ versuchte sie es mit einem Übermaß an Duldsamkeit. Das Resultat: die Menschen entarteten zu Tieren. Hier versucht sie es mit Freiheit und Demokratie. Das Resultat: die Menschen müssen erst zu ihrem Glück gezwungen werden. Grace muß in die Rolle des Sklavenhalters schlüpfen, Befehle erteilen, denn die Menschen sind nichts anderes gewöhnt.

So steht denn am Ende von Löschs Inszenierung abermals der Arbeitscontainer, nur sitzen die Arbeiter jetzt uniformiert in Reih und Glied und nähen an Nähmaschinen. Geändert hat sich nur die äußere Schale.

Auch sonst sind Lösch gelegentlich gute Bilder eingefallen. Kaum hat Grace die Botschaft von Demokratie und Freiheit übermittelt, stehen alle stramm in einer Reihe wie zum Rapport. Freilich: von Triers radikales Gedankenspiel wird bei Lösch ebenso radikal verwässert. Seine Grace ist von Anfang an ein Dummerchen, das blauäugig der Welt den Segen bringen will.

Von Triers Parabel aber funktioniert nur, wenn man die Personen bitterernst nehmen kann und muss. Das gelingt auch bei Graces Vater nicht. Wie schon in seiner Dogville-Inszenierung greift Lösch hier nicht zum Schauspieler, sondern bringt einen ehemaligen Mercedes Benz-Manager auf die Bühne.

Überhaupt hat er abermals seinem Hang zum grellen Effekt allzu oft nachgegeben. Am Anfang kurvt ein echter Mercedes auf der Bühne herum und verpestet die Luft, Gewehrschüsse werden noch durch Lautsprecher verstärkt.

So wird zum Gag, was eindringliches Bild hätte sein sollen. Aus der absurden Farce, in die von Triers Film/Stück umkippt, wird bei Lösch über weite Strecken Klamotte, daran können auch Schauspieler wie Sebastian Kowski und Dorothea Arnold nichts ändern.