Über Weiß und Schwarz
Der Vater der US-Autorin Bliss Broyard war ein ungewöhnlicher Mann und Vorbild für einen großen Roman - Philip Roth' "Der menschliche Makel". Anatol Broyard führte ein Leben als Weißer, obwohl er ein Schwarzer war. In "Ein Tropfen" macht sich Bliss Broyard auf Spurensuche und geht der Frage nach, was das "Schwarzsein" eigentlich ausmacht.
Er war ein Star unter den Intellektuellen seiner Zeit, erfolgreicher und gefürchteter Literaturkritiker der New York Times. Er war ein schöner Mann, den die Frauen liebten, ein begnadeter Tänzer und ein liebevoller Vater. Seine Tochter versucht in ihrem Buch, das Geheimnis seines Lebens zu ergründen, denn Anatol Broyard führte ein Leben als Weißer - und war doch schwarz.
Mit seiner Familie lebte er lange Jahre in Connecticut, war Mitglied eines Yachtclubs, der noch nie ein schwarzes Mitglied geduldet hatte. Seine beiden Kinder wuchsen in dieser rein weißen, wohlhabenden Umgebung auf. Kurz vor seinem Krebs-Tod 1990 erfahren die Geschwister, dass ihr beliebter und belesener Vater nicht der war, der er Zeit seines Lebens vorgeben hatte zu sein.
Der Mann, der einmal schrieb, "Bücher waren für uns, was die Drogen für junge Männer in den 60er-Jahren waren", hatte sein Leben auf besondere Weise fiktionalisiert: Er sah zwar aus wie ein Weißer und hatte eine durch und durch weiße Existenz geführt, war aber in Wahrheit schwarz. Diese Eröffnung einer neuen und unbekannten Herkunft lässt die Tochter Bliss Broyard in den folgenden Jahren nicht mehr los. Sie macht sich auf die Suche nach der Geschichte des Vaters und seiner Familie - und gerät durch ihre Recherche immer tiefer in die Geschichte des amerikanischen Rassismus.
Sie will die schwarzen Anteile ihrer Herkunft ergründen und die Motive des Vaters, der mit seiner dunkelhäutigen Familie vollständig gebrochen hatte. War es Vorteilssucht oder doch der Versuch, dem Rassismus zu entgehen? Und was bedeutet das für ihr eigenes Leben, was verändert sich, wenn man sich plötzlich zur Klasse der Unterdrückten rechnen kann? Kann man überhaupt schwarz sein, wenn man doch weiß aussieht? Ist es der eine Tropfen schwarzes Blut, der den Weißen schwarz macht, sind es 15 oder 50 Prozent?
Bliss Broyard schreibt über die eigene Identitätssuche und ihre Abwege, über die grassierende amerikanische Ahnenforschungsmanie, über die Suche nach der einen Sklavin, die es ihrer Meinung nach in der Familie gegeben haben muss und dem Erschrecken, als sie statt dessen unter ihren Vorfahren freie Schwarze findet, die selber Sklavenhalter waren.
Mehr als zehn Jahre hat die Autorin recherchiert und versucht, die Motive ihres Vaters zu ergründen, der das Vorbild war für die Hauptfigur in Philip Roth’ Roman "Der menschliche Makel". Sie beschreibt 250 Jahre kreolischer Familiengeschichte im Süden Amerikas und weiß am Ende dieses spannenden Geschichtsbuchs immer noch nicht, ob ihr Vater sich selber neu erfunden oder ob er seine Familie verraten hat.
Rezensiert von Manuela Reichart
Bliss Broyard: Ein Tropfen. Das verborgene Leben meines Vaters
Aus dem Amerikanischen von Barbara Schaden
Berlin Verlag, Berlin 2009
608 Seiten, 26 Euro
Mit seiner Familie lebte er lange Jahre in Connecticut, war Mitglied eines Yachtclubs, der noch nie ein schwarzes Mitglied geduldet hatte. Seine beiden Kinder wuchsen in dieser rein weißen, wohlhabenden Umgebung auf. Kurz vor seinem Krebs-Tod 1990 erfahren die Geschwister, dass ihr beliebter und belesener Vater nicht der war, der er Zeit seines Lebens vorgeben hatte zu sein.
Der Mann, der einmal schrieb, "Bücher waren für uns, was die Drogen für junge Männer in den 60er-Jahren waren", hatte sein Leben auf besondere Weise fiktionalisiert: Er sah zwar aus wie ein Weißer und hatte eine durch und durch weiße Existenz geführt, war aber in Wahrheit schwarz. Diese Eröffnung einer neuen und unbekannten Herkunft lässt die Tochter Bliss Broyard in den folgenden Jahren nicht mehr los. Sie macht sich auf die Suche nach der Geschichte des Vaters und seiner Familie - und gerät durch ihre Recherche immer tiefer in die Geschichte des amerikanischen Rassismus.
Sie will die schwarzen Anteile ihrer Herkunft ergründen und die Motive des Vaters, der mit seiner dunkelhäutigen Familie vollständig gebrochen hatte. War es Vorteilssucht oder doch der Versuch, dem Rassismus zu entgehen? Und was bedeutet das für ihr eigenes Leben, was verändert sich, wenn man sich plötzlich zur Klasse der Unterdrückten rechnen kann? Kann man überhaupt schwarz sein, wenn man doch weiß aussieht? Ist es der eine Tropfen schwarzes Blut, der den Weißen schwarz macht, sind es 15 oder 50 Prozent?
Bliss Broyard schreibt über die eigene Identitätssuche und ihre Abwege, über die grassierende amerikanische Ahnenforschungsmanie, über die Suche nach der einen Sklavin, die es ihrer Meinung nach in der Familie gegeben haben muss und dem Erschrecken, als sie statt dessen unter ihren Vorfahren freie Schwarze findet, die selber Sklavenhalter waren.
Mehr als zehn Jahre hat die Autorin recherchiert und versucht, die Motive ihres Vaters zu ergründen, der das Vorbild war für die Hauptfigur in Philip Roth’ Roman "Der menschliche Makel". Sie beschreibt 250 Jahre kreolischer Familiengeschichte im Süden Amerikas und weiß am Ende dieses spannenden Geschichtsbuchs immer noch nicht, ob ihr Vater sich selber neu erfunden oder ob er seine Familie verraten hat.
Rezensiert von Manuela Reichart
Bliss Broyard: Ein Tropfen. Das verborgene Leben meines Vaters
Aus dem Amerikanischen von Barbara Schaden
Berlin Verlag, Berlin 2009
608 Seiten, 26 Euro