Über Stock und Stein

Von Martin Reischke |
Lutz Newiger aus dem brandenburgischen Nauen hat aus der Not eine Tugend gemacht. Weil der studierte Ingenieur für Konstruktionstechnik in der Region keinen Job mehr fand, ist der Naturliebhaber kurzerhand "Landstreicher" geworden: Denn im menschenleeren Brandenburg gibt es fast überall noch unberührte Natur, die sich zu entdecken lohnt. Auf 20 verschiedenen Touren erkundet Newiger mit Kleingruppen von maximal sieben Gästen das Berliner Umland.
"Wir erreichen jetzt den Bahnhof Brieselang … bitte in Fahrtrichtung rechts aussteigen.”"

Ein kleiner Bahnhof in Brandenburg, ein paar Kilometer nordwestlich von Berlin. Am Ende des Bahnsteigs wartet Lutz Newiger. Kurze Hosen, kurzes Hemd, die Füße stecken in Wandersandalen. Wann immer er Zeit hat, ist der kleine, drahtige Mann draußen unterwegs. Denn seit einigen Monaten ist Lutz Newiger professioneller Landstreicher. Als Natur- und Kulturkenner führt er seine Gäste durch Brandenburg. Von seinem Bürojob als Ingenieur hatte der 48-Jährige schließlich genug.

"In den letzten Jahren oder 20 Jahren habe ich doch fast täglich immer vor dem Bildschirm gesessen, an den Bürostuhl gefesselt, und irgendwann hat man das Bedürfnis, von diesen Geräten wegzukommen, also mit mehr Sinneseindrücken sich draußen aufzuhalten."

Am Anfang drehte er nur eine Feierabendrunde. Doch dann ging es schneller als gedacht. Denn auch wenn er den Job gerne macht: Ganz freiwillig ist Newiger nicht zum Landstreicher geworden. Schließlich hat er noch vor zwei Jahren als Ingenieur für den Großkonzern Bombardier in der Nähe von Berlin gearbeitet.

"Bis man meinte, dass diese Art der Tätigkeiten das Unternehmen nicht mehr braucht. Und dort habe ich dann meine Arbeit verloren und ist natürlich schwierig, wenn man älter wird, ne adäquate Arbeit hier zu finden, was im Berliner Raum so gut wie nicht möglich ist."

Keine Arbeit in Berlin, und ein Umzug kam für Newiger nicht in Frage.

"Ja, und dann habe ich natürlich auch überlegt, was man hier vor Ort machen könnte, ohne weggehen zu wollen, also ich möchte jetzt nicht mehr als ein Arbeitsnomade durch das Bundesgebiet ziehen, alle paar Jahre lang irgendwo anders hin, sondern ich bin jetzt hier zu Hause, bin hier heimisch, bin auch verbunden mit dem Land, mit den Landschaften hier und gucke jetzt als Landstreicher meinen Lebensunterhalt damit zu verdienen."

So ist Newiger am Ende doch noch zum Nomaden geworden. Er streift rastlos durch Brandenburg, immer auf der Suche nach neuen Ideen für seine Landstreicher-Touren. Mehr als 20 Themenfahrten hat er im Angebot: Hör- und Riechreisen, Kräuterwanderungen oder Fotostreifzüge durch ganz Brandenburg.

Heute hat er eine Fahrt durchs Havelland geplant.

"Jetzt fahren wir sozusagen zum Ehepaar Dusin, die werden uns heute begleiten …"

Wenn nötig, holt er seine Gäste sogar persönlich von zu Hause ab.

"So, und dann werden wir mal sehen …"

Das Ehepaar Dusin ist schon reisefertig. Schnell steigen die beiden Rentner zu Lutz Newiger ins Auto. Die kleine Gruppe ist komplett, denn einige Gäste haben kurzfristig abgesagt.

Für das Ehepaar Dusin ist es schon die dritte Tour mit dem Landstreicher. Auch als Einheimische können sie von den Erfahrungen des Landstreichers profitieren, sagt Manfred Dusin.

"Wir sind alte Brandenburger und interessieren uns hier für die Region, was die Natur betrifft, aber auch kulturelle und historische Zusammenhänge, das ist schon mal ganz interessant."

Dann geht es endlich los. Mit dem Kleinbus über Landstraßen in Richtung Perwenitz, einem Dorf im Havelland.

"Wir fahren dann rechts weg, ja? – Ja, wir fahren rechts weg. Jetzt fahren wir wieder nördlich …"

Doch auch wenn er heute im klimatisierten Kleinbus sitzt, sieht sich Tourenleiter Lutz Newiger trotz allem noch als Landstreicher.

"Weil ich fühl mich natürlich als Landstreicher, nicht jetzt nicht als Landstreicher im ärmlichen Sinne, der jetzt notgedrungenerweise hier durch die Wälder …, aber ich bin Landstreicher, ich bin schon seit über 40 Jahren Landstreicher."

Das Interesse an der Natur liegt bei ihm in der Familie.

"Also es hat wahrscheinlich seinen Ursprung in den Fahrradtouren mit meinem Großvater, er hatte ne Rückgratverkrümmung, konnte dadurch sehr schlecht laufen, weil die Hüfte schief stand, das eine Bein ein bisschen länger als das andere, aber mit dem Fahrrad fahren, das ging eigentlich ganz gut, nicht, er saß dann auf dem Sattel drauf, und so haben wir eigentlich schon immer zusammen – ich als Kind – solang ich denken kann, hier so Radtouren im Havelland unternommen, waren dann sehr oft auch im Winter unterwegs."

Deshalb kennt Newiger in Brandenburg viele versteckte Ecken und Plätzen, die den meisten Besuchern verborgen bleiben. Doch bei den Touren geht es nicht nur um Entdeckungen in der Landschaft, sondern auch um Kultur. Newiger parkt den Wagen zuerst vor der Kulturmühle Perwenitz, einer kleinen Künstlergemeinschaft im Havelland.

"So, ich hab sie natürlich heute nicht angemeldet, wir gucken mal, ob die Damen ihren Mittagsschlaf schon beendet haben und was da so los ist."

Malerin Eva Paul ist wach und kommt den Gästen aus ihrem Atelier entgegen.

"Und Ihnen hat es die Landschaft angetan – ja, seit ich hier bin, ich bin seit 2000 hier und vorher war ich ja in Berlin."

Genau wie Lutz Newiger ist Eva Paul fasziniert von der Weite der brandenburgischen Landschaften.

"Du hast den schmalen Erdstreifen und immer einen riesigen Himmel drüber, das ist das, was hier auffällig ist."

Malerin Paul braucht die Natur, um Inspiration zu finden für ihre Arbeit.

"Es gibt ganz irrwitzige Lichteinfälle hier, so sechs Uhr, sieben Uhr im Sommer ist es hier ein ganz besonderes, feines Licht und dann wieder in der Dämmerung – jedes Gräslein fängt Licht und schwingt mit: wenn ich dann nach Hause gehe, diese Gefühle und diese Ideen fließen irgendwie in die Bilder ein."

Das feine Licht, der weite Blick und der riesige Himmel: Was Eva Paul in ihren Bildern verewigt, will Landstreicher Newiger seinen Gästen nun in der Natur zeigen.

"Und jetzt fahren wir nach Paretz …"

Dann erzählt Newiger, wie schwierig es sei, die Leute für seine Touren in die Natur zu begeistern.

"Es ist eben heute wirklich so, dass alles irgendwie fertig sein muss. Und wenn man sich nach draußen bewegt: Man muss laufen. Man muss laufen, man muss gucken, wohin man läuft, man muss sich anstrengen, man kriegt ja gar nichts fertig vorgesetzt, das ist ja nun auch nicht etwas, was auf den ersten Blick leicht konsumierbar ist."

Am Ende eines schmalen Weges bringt Newiger den Wagen schließlich zum Stehen. Draußen lauern schon die Mücken, aber auch darauf ist der Landstreicher vorbereitet.

"Also wir sprühen uns jetzt mal mit Mückenschutzmittel ein, weil in diesem sumpfigen Gelände die Mücken natürlich zu Hause sind, also wenn wir das jetzt nicht machen würden, dann wäre das gar kein … so, sie haben schon, so, stinken tut’s ja mörderisch."

Auf einem Trampelpfad geht es weiter.

Newiger will seinen Gästen die Erdelöcher von Paretz zeigen: Hier wurde früher Ton und Lehm abgebaut. Doch das ist lange vorbei, und so sind aus den Erdelöchern kleine Seen entstanden. In einem dieser Seen liegt eine Insel mit kahlen, abgestorbenen Bäumen. Eine Kormorankolonie hat sich hier niedergelassen.

Lutz Newiger erklärt seinen Gästen das Verhalten der Tiere.

"Na, das sind geschickte Jäger unter Wasser, ja, die sind wirklich geschickt, weil das Gefieder ja nicht gefettet ist, da fliegt gerade einer – zackzackzack – und deswegen schwimmen die im Wasser fast so gut wie sie in der Luft fliegen können … man kann das erkennen, dass die mehrmals am Tag auf den Ästen sitzen und ihre Flügel ausbreiten, um das Gefieder zu trocknen, weil sonst würden die sich laufend erkälten."

Doch die Tiere sind ziemlich weit weg, und Manfred Dusin will ganz genau sehen, was auf der kleinen Insel vor sich geht.

"Kommen wir noch näher ran? – Ja wir kommen noch näher ran, und deswegen hab ich auch das Spektiv mit dabei, wir können uns die dann mal genauer angucken."

Mit wenigen Handgriffen hat Lutz Newiger sein Fernrohr auf das Stativ montiert. Nun lassen sich die Kormorane fast in Lebensgröße beobachten. Waltraud Dusin ist ganz begeistert.

"Tolles Glas, da sieht man wirklich was."

Dann greift Lutz Newiger zur Landkarte, um den Tourverlauf noch einmal zu erklären.

"So, wo sind wir jetzt etwa: Potsdam, Berlin – hier ist Ketzin, ja hier etwa müssten wir sein – hier sind wir, hier das sind die Löcher hier, nicht."

Es sind keine schroffen Felsen und keine wildromantischen Strände, die Newiger seinen Gästen vorführt. Es verschlägt einem nicht gleich den Atem. Doch das muss es auch gar nicht. Denn Newiger will etwas anderes.

"Den Blick für die Kleinheiten, für die Natur und die Freude am Draußensein. Man braucht nämlich nicht viel Geld, um in seiner Freizeit oder wer keine Arbeit hat in seinem Leben vielleicht noch ne andere sinnvolle Betätigung zu finden. Man muss nicht viel Geld für ein großes, teures Auto ausgeben, man kann mit dem Fahrrad durch die Landschaften fahren und es ist immer anders, also auch die Freude im Kleinen."

Doch warum sitzt Newiger mit seinen Gästen in einem klimatisierten Kleinbus, wenn man auch mit dem Fahrrad durch die Landschaft fahren kann? Warum verzichtet er nicht auf das Auto? Der Landstreicher hat dafür eine einfache Erklärung.

"Wenn ich das hier mit dem Fahrzeug mache, kann ich Leute erreichen, denen das viel zu aufwändig ist, mit dem Fahrrad in die Bahn zu steigen und irgendwohin zu fahren. Dann müsste man immer einen Treffpunkt vereinbaren, und die schönsten Gebiete sind nicht an Bahnlinien usw., d.h. man müsste schon ein Stückchen mit dem Fahrrad fahren, was vielleicht den einen oder anderen auch schon wieder abschrecken würde."

Deshalb verzichtet Newiger lieber auf konsequent naturnahes Reisen. Schon jetzt ist das ökologische Bewusstsein vieler Gäste begrenzt. Kaum jemand entscheidet sich bewusst für die gemeinsame Fahrt im Kleinbus. Das schont die Umwelt und führt zu interessanten Begegnungen.

"Aber das sehen meine Gäste so gut wie gar nicht als Argument. Also dass sie sagen: Das ist ja toll, jetzt sehen wir auch mal ein paar andere, man merkt es dann, wenn die Gespräche stattfinden, dann merkt man, also die Atmosphäre hier bei mir ist doch sehr offen, so dass man nach wenigen Minuten auch ins Gespräch kommt, und dann macht das so klick, dann sagt man, jaja, aber das machen die Leute nicht bewusst, dass sie sagen: Wir wollen, wir verzichten auf unserer eigenes Auto, wir fahren zusammen mit den Herren hin, also das habe ich bis jetzt noch nicht erlebt."

So ist es Lutz Newiger, der die nötigen Anstöße gibt. Das gilt auch für die Beobachtung der Landschaft, die er seinen Gästen oft erst beibringen muss.

"Also das Gespür für den Wechsel zwischen Natur- und Industrielandschaften haben anscheinend sehr wenig Leute, muss ich sagen, das ist dann nur ein Thema, das zur Sprache kommt, wenn ich bewusst darauf zeige."

Denn Brandenburg ist nicht nur eine große Naturlandschaft, erklärt Lutz Newiger während der Fahrt.

"Man sieht eigentlich auch eine Hightech-Landschaft, man hat die Windräder, dann hat man die Rapsfelder, die ICE-Strecke, hier hat man auf kleinstem Raum viele der zukünftigen Technologien vereint."

Der Nachmittag ist schon weit fortgeschritten, und Newigers Gäste haben ziemlichen Hunger.

"In Roskow gibt es einen schönen Platz, auf dem wir uns niederlassen können? – Ja, ich denke schon, direkt an die Havel ran!"

Über einen alten Plattenweg geht es bis zum Hochwasserdeich. Dort parkt Newiger den Wagen und bereitet den Imbiss vor.

Zwei schmale Bänke und ein Tisch werden aufgestellt. Doch die Rast ist kein kleiner Imbiss, sondern ein üppiges Mahl. Es gibt dick belegte Brote und eine Torte, dazu frischen Kaffee, Saft und Landwein. Newiger findet das gerade angemessen.

"Das ist kein Edelessen – schmeckt aber prima – ja, ich mach das gerne und das ist gute Qualität, aber das ist kein Edelessen."

Für die Versorgung seiner Gäste betreibt Newiger großen Aufwand. Schon früh muss er aufstehen, um die Proviantkiste vorzubereiten. Dafür hat er am Ende oft genauso viel Spaß wie seine Gäste. Große Gewinne hingegen kann er so nicht machen.
"Also ich möchte jetzt nicht ein wohlhabender Unternehmer werden, sondern das ist für mich einfach nur die Möglichkeit, hier eine Perspektive zu schaffen, wo ich meine Brötchen in einem vernünftigen Umfang verdienen kann. Deshalb ist meine Preisgestaltung auch so, dass ich auch keinen großen Gewinn mit diesen Touren erwirtschafte."

Zwischen 45 und 60 Euro pro Person kostet eine komplette Tagestour. Doch nicht alle halten das für angemessen. Aus verschiedenen Gründen.

"Also den Brandenburgern ist das hier zu teuer, was ich mache, und die Berliner sagen mir, ich bin zu bescheiden, also, sind natürlich die wirtschaftlichen Verhältnisse, sind der Unterschied, aber natürlich auch die Mentalität, für den Brandenburger: Natur, die hat er vor der Haustür, das muss alles umsonst sein, also wenn er mal ne Führung mitmacht und vielleicht mal fünf Euro für ausgibt, das ist vielleicht viel Geld, aber das andere, das wollen die nicht bezahlen."

Und so bleibt Newigers Kleinbus manchmal halbleer. Dreimal pro Woche organisiert er eine Tour. Höchstens sieben Leute nimmt er dann mit. Doch selbst die kommen oft nicht zusammen. Denn Werbung macht er kaum, und auch andere hatten schon die Idee, Naturführungen in Brandenburg anzubieten. So muss der Landstreicher nebenbei doch noch ein paar Stunden als Ingenieur arbeiten, um seinen Lebensunterhalt zu sichern.

Nach dem Imbiss will er noch schnell runter an die Havel.

"Da vorne da sieht man schon die ersten hellen Wasserflächen durch das Grüne hindurchblinken …"

Die Dämmerung hat sich über die Havellandschaft gelegt, das Licht wird wärmer, und der Schilfgürtel am anderen Ufer des Flusses fängt an zu leuchten.
Doch auch in der trägen Abendstimmung bewegt sich die Natur.

"Oh, das war ein größerer – wat war dat – war ein Raubfisch, bestimmt ein Zander oder ein Hecht oder so was – Schöner Zander, wa!"

Raubfische in der Havel, Kormorane an den Erdelöchern von Paretz:
Für viele Großstädter ein seltener Anblick.
Doch nicht jeder kommt zu seinen Touren

"Ich kriege die Leute, die schon irgendwie vorbelastet sind, meistens sind es immer Akademiker, die durch ihre Ausbildung sowieso einen anderen Horizont haben, es ist nicht der Handwerker oder der Bauarbeiter, der mit mir um die Seen läuft, die haben dafür nicht den Sinn, wenn die die ganze Woche arbeiten, dann legen die am Wochenende die Füße hoch und dann wollen die nicht noch wandern gehen. Manche allerdings können sich den Ausflug gar nicht leisten."

"Man muss natürlich sagen, dass die Leute, die hier mitfahren, die müssen nicht mit jedem Euro rechnen. Da sind auch wohlhabende Leute dabei, die einfach Freude und Lust haben und irgendwas sehen wollen, und so ist es, und ich bekomme Rückmeldungen von anderen Leuten, die sagen, also für einen Sozialhilfeempfänger ist das hier alles viel zu teurer, bloß ich kann solche Fahrten natürlich nicht auf Basis des Sozialhilfesatzes kalkulieren, geht nicht."

Ein Dilemma. Denn einerseits will Newiger seinen Gästen vermitteln, dass bewusste Freizeitgestaltung nicht immer mit Konsum zu tun haben muss. Andererseits müssen die Gäste für die Landstreicher-Touren zahlen, denn auch Newiger muss seinen Lebensunterhalt bestreiten.

So sieht sich Newiger vor allem als Ideengeber.

"Natürlich: Wenn man mit mir jetzt durch die Gegend fährt, muss man bezahlen, aber das kann man ja als Anregung, als eine neue Sichtweise nehmen und kann es dann immer wieder selber tun."

Doch zumindest das Ehepaar Dusin wird auch in Zukunft weiter mit dem Landstreicher unterwegs sein. Denn von den zahlreichen Touren, die Lutz Newiger anbietet, wollen sie noch einige kennen lernen, sagt Waltraud Dusin.

"Und dann hat er auch sehr drin zum Beispiel Pilzsammlungen mit braten und so, also auch da sieht man sicher Pilze, die man sonst nicht mit dem Hintern anguckt, also das gibt da sicher schöne Sachen, die man sich raussuchen könnte, und ich nehme an für uns war es sicher nicht das letzte Mal."

Am Ende der Havelland-Runde geht es noch einmal hoch hinaus: Auf einen Hügel mit prächtiger Sicht.

"So, und der Ausblick wird bestimmt gefallen, hier laufen wir nur ein paar Schritte nach oben."

Dann ist es endlich geschafft.

"Ja, da sieht man Brandenburg, da sieht man Brandenburg – ja, und in der Richtung, da sieht man nur Wald und Spargel."

Menschen dagegen sieht man keine. Dafür Windräder, Rapsfelder, ein paar Autos auf der Straße. Eine Havellandschaft mit leichten Hügeln, die mit ihren hohen Säulenpappeln ein bisschen an die Toskana erinnert. Lutz Newiger gefällt das. Er will nicht weg.

"Nach der Wiedervereinigung war ich auch in Frankreich, in Südfrankreich, ich war in Irland, England, meistens Radtouren, ich finde Europa sehr interessant, und wenn ich selber Urlaub mache, dann fahre ich mit Sicherheit mal ein Stückchen weit weg. Aber Tour hier … reicht Brandenburg vollkommen. Das gibt so viele Möglichkeiten, da braucht man nicht weiter weg."

Hier glaubt Newiger sein Glück gefunden zu haben. Und einen Job, der sogar globalisierungssicher ist.

"Die Landschaft ist ja immer hier, man kann den Rhin nicht nach Polen umleiten und auch die Havel nicht nach China verlegen, so wie man das natürlich mit Produktionsstandorten ganz leicht tun kann. Deswegen: die Landschaft rennt mir hier nicht weg und soweit ich genügend Kundschaft habe, die das hier gut finden und mit mir mitfahren, bin ich hier relativ unabhängig."

Dann geht die Tour zu Ende.

"Ein paar Schlenker weiter vorne geht es nach Wernitz, und dann sind wir auch schon wieder in Bredow und in Brieselang."

Und beim Anblick der untergehenden Sonne, die den Himmel blassblau einfärbt, gerät Newiger ins Schwärmen. Auch ohne Italien und die Toskana.

"Das wechselnde Licht in den wechselnden Landschaften hier in Brandenburg, da kommt man in den Bereich der Lyrik, wo man dann irgendwie sagt, man ist hier als kleiner Mensch, sitzt dann da und sieht das riesengroße Schauspiel, das ist für mich immer sehr beeindruckend."