Über Schönheit

Von Barbara Wiegand |
Schönheit boomt, nicht nur in den Fernsehkanälen, auch in der Kunst und in der Wissenschaft. Doch was bedeutet Schönheit eigentlich in den unterschiedlichen Kulturen? Wie prägt sie unseren Alltag? Diesen Fragen geht das Haus der Kulturen der Welt mit der Veranstaltungsreihe "Über Schönheit" nach.
Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters – was wer als schön empfindet – alles ist relativ. Sind also die Wäscheständer schön, die Qin Yufen als drahtig – wacklige Konstrukte im Wasser vor dem Haus der Kulturen der Welt aufgetürmt hat?

"Der Geist der Schönheit, ihr innerer Wert ist sehr wichtig. Es sind diese ganz banalen Alltagsgegenstände, aber wenn es zusammengebaut ist, mit dieser Leichtigkeit, der Farbe..."

Schönheit – aus dem Inneren des Alltags heraus – auch bei daneben akkurat über die Wiese verteilten, zusammengerollten Bambusmatten? Oder ist eher der Flower-Power-Fußboden schön, über den man lautstarken Schrittes zu den Ausstellungsräumen gelangt, die melancholischen Fotos von Ruinen?

Augenscheinlich doch die 16 Lichtboxen von Rong Rong und Inri. Ein Liebespaar – mal miteinander, mal aufeinander zu-, mal voneinander gehend über die wunderbare Weite des gefrorenen Sees vor dem majestätischen in den Himmel ragenden Fujiyama.

"Als wir durch diese Landschaft gingen, waren wir tief berührt von der Schönheit der Natur. Wir haben uns wohl gefühlt während der Aufnahmen. Hinterher haben wir dann aber schon versucht, nicht einfach die Natur zu zeigen, sondern auch unsere Sichtweise. Aber trotzdem: die Bilder sind einfach schön geworden."

Noch schöner sei ihr im anschließenden Raum zu betrachtendes Altenballett – sagt Katarzyna Kozyra - nicht ganz im Ernst - über ihre auf ewig zum Tanzen verdammte Truppe, die nackt jenseits jeder Modelhaftigkeit ist.

"Warum ist das nicht schön? Jeder wünscht sich doch das ewige Leben oder nicht? Na ja, ewige Schönheit. Aber was ist denn ewige Schönheit?"

So wird Schönheit mal bis zur Groteske ironisiert, mal wird mit essensrestverklebten Tellern einfach das Gegenteil von ihr behauptet. Mal finden die Künstler sie im Einklang mit der Natur, mal ist sie poetische Installation – und scheint dabei meist weniger im Auge, mehr noch im Bauch des Betrachters zu liegen. Schönheit - zunächst mal Gefühlssache, bestätigt Kurator Wu Hung:

"Ich glaube, dass Gefühle dabei eine große Rolle spielen. Weil sie unsere Wahrnehmung beeinflussen. Was man sieht, was man hört und schmeckt – das bestimmt unsere Vorstellung von den Dingen. Aber die Kunst geht – im Gegensatz zur Werbung – über die einfache Betrachtung hinaus. Sie stellt Fragen."

Fragen, die in dieser Ausstellung als zentraler Teil des Festivals aber leider nicht gestellt werden – bleibt sie doch bloße Aneinanderreihung mitunter durchaus beeindruckender Werke. Doch über die Schönheit in der Kunst erfährt man darüber hinaus wenig. Warum es sie wieder gibt, nachdem ihr Picasso mit seinen Demoiselle Davignon 1907 sozusagen der Facon raubte. Und warum viele Künstler sich die schönen Bilder unserer Medienwelt zwar zunutze, aber so wenig Eigenes daraus machen.

So darf man gespannt sein auf die anderen Teile des Festivals – auf die Bejing Modern Dance Company, bei der Luo Lili als Meisterin des klassischen westchinesischen Tanzes auf die individuell moderne Körpersprache ihrer Tochter trifft. Auf Diskussionen zum Thema Schönheit in der Musik, über den Schönheitswahn, und auf die große Abschlusskonferenz zur Renaissance der Schönheit. Die hoffentlich nicht so trocken theoretisch wird wie es der Programmpunkt "Die Rolle von Schönheit im postkolonialen Diskurs" befürchten lässt.