Über ein Mädchen, das Zeit verschenkt

In diesem poetischen Buch für Kinder ab drei Jahre geht es um das Mädchen Dana. Ihre Eltern sind immer beschäftigt. Darum setzt sie in ihrer Werkstatt unter dem Dach wunderbare Uhren zusammen und lässt heimlich Zeit in sie einrieseln.
Man sollte meinen, das Thema Zeit sei zu abstrakt für Kinder. Aber bekanntlich sind sie ja kleine Philosophen, die auch mit großen Themen ohne Scheu umgehen. Wie Dana in "Danas Uhrwerk", deren Eltern nie Zeit haben für sie. So ist Danas Herz eine Uhr geworden. Doch das Mädchen weiß sich zu helfen. Es setzt in seiner Werkstatt unter dem Dach wunderbare Uhren zusammen und lässt heimlich Zeit in sie einrieseln. Diese Uhren schenkt Dana ihren Eltern, der Oma und dem Bruder. Dazu baut sie sich eine geheime Maschine, die den Rhythmus ihres eigenen Herzens ändern kann. So haben die Eltern eines Tages plötzlich Zeit für die kleine Tochter. Und seit diesem Abend macht Danas Herz nicht mehr "tick tack" sondern "bumm bumm bumm".
Märchenhaft wirkt diese Geschichte zuerst einmal in ihrem Ablauf: Dana, das außergewöhnliche Mädchen mit dem unglaublich dicken, schwarzen Rapunzelhaar, lebt in ihrer Werkstatt wie in einem Elfenbeinturm. Auf fast allen Bildern ist sie allein. Sie hat zauberhafte Kräfte, verschenkt Zeit und baut sich eine geheimnisvolle Maschine. Aber statt wie eine Märchenprinzessin tatenlos auf den rettenden Prinzen zu warten, nimmt sie ihr Schicksal selbst in die Hand.

Lyrisch-zarte Sprachbilder und traumhafte Illustrationen
Märchenhaft ist aber nicht nur Agnès de Lestrades Geschichte, sondern auch der Erzählton dieses Bilderbuchs. Die kurzen, knappen Sätze - auf jeder großen Doppelseite nur einer oder zwei - sind ganz klar und zugleich poetisch verschlüsselt. Alles macht Dana "auf ihre Art" – da bleibt viel Spielraum für die Interpretation. Lyrisch-zarte Sprachbilder regen dazu die Fantasie von Kindern wie Erwachsenen an.
Absolut im Vordergrund stehen damit Constanza Bravos Illustrationen. Surrealistisch im Aufbau wirken sie wie Traumbilder, in ihren mal düsteren, dann wieder leuchtenden Farben spiegeln sie Danas Gefühle unmittelbar. Großartig ist die Kombination von verwischten Hintergründen und zartesten Details im Vordergrund, von flächigen Figuren und Formen und präzisen kleinen Instrumenten, Zeigern und Zahnrädchen. Man spürt förmlich die Freude, mit der die Künstlerin sich ans Werk gemacht hat. Mit der sie Traurigkeit ebenso kunstvoll bebildert wie Spaß und Schwung.
Mitten zwischen Uhren und Bäumen, Geschenkkartons und Blumen, sitzt oder steht, liegt oder fliegt Dana. Stämmig und puppenhaft wie eine russische Matrjoschka, in bunten Kleidern wie eine Prinzessin. Geheimnisvoll, eigenartig fremd, eigensinnig wirkend, aber immer ganz bei sich. Manchmal winzig klein in eine Ecke gedrückt, dann quer gleich über zwei ganze Seiten gelehnt. Dana verzaubert nicht nur Uhren, sondern auch Menschen.

Besprochen von Sylvia Schwab

Agnès de Lestrade / Constanza Bravo: Danas Uhrwerk.
Aus dem Französischen übersetzt von Anna Taube
Verlag mixtvision, München 2013
48 Seiten, 13,90 Euro
Ab 3 Jahren