Über die Neuinterpretation einer Farbe

Feminismus in Rosa

Frauen tragen am 11.03.20217 in Lübeck (Schleswig-Holstein) auf einem Women's March für Frauen- und Menschenrechte rosa Strickmützen, Pussy Hats, die zuerst von amerikanischen Frauen als Zeichen des Protests gegen das Frauenbild des amerikanischen Präsidenten Donald Trump eingesetzt wurden.
Frauen mit sogenannten "Pussyhats" beim Women's March in Lübeck 2017. © picture-alliance / dpa / Markus Scholz
Von Jürgen Stratmann · 13.01.2018
Pink dominiert vorrangig das weibliche Kinderzimmer und wird heutzutage mit einer gewissen Naivität assoziert. Spätestens seit den Anti-Trump-Protesten ist Pink aber auch die Farbe einer neuen feministischen Bewegung geworden.
"Rosa kann jetzt Feminismus?" Ist vielleicht nicht ganz korrekt: als die Rapperin Lady Bitch Ray vor fünf Jahren, im Jahr 2012, ihr – wie sie sagte – "Neofeministisches" Aufklärungs-Buch "Bitschsm" auf der Frankfurter Buchmesse vorstellte, präsentierte sie das Werk im Poesie-Album-pastellig-pinkem Cover und es ist noch kein Jahr her, dass Heerscharen wütender Feministinnen auch hierzulande mit ihren Pussyhats gegen Trump auf die Straße gingen – aber: selbstgestricktes in Pink auf dem Kopf – ein Modetrend?
"Nein! Das sollte ironisch sein! Die machen das aus Jux…"
So Sabine Bornemann, die "Wollnerin" von Schöneberg. Sie färbt Wolle nach Kundenwünschen selbst – wobei – von wegen: Rosa kann Feminismus! – Rosa? Ist nicht!
Bornemann: "Pink! Pink ist Pink – ´Hot Fuchsia` nennt sich das im Farbbereich, mit dem wir färben – was ich nicht vorrätig hatte. Das war nicht die Modefarbe, es ist vielleicht noch ´ne Kinderfarbe gewesen. Ich habe sie allerdings jetzt immer da! Weil ich glaube, dass das anhält. Es gibt Frauen, die tragen das jeden Tag – als Statement"
Aber alles nur ironisch? Das sieht die "Missy Magazin"-Autorin Lena Grehl anders. Von wegen "Kinderfarbe":
"Die Farbe wurde von vielen jungen Feministinnen als wahnsinnig ästhetisch empfunden, weil sie gewisse Nostalgie versprüht, die mich selbst auch in meine Kindheit zurückschmeißt, die hyperkommerzialisiert war, mit ganz viel rosa Hartplastik. Es hatte immer was mädchenhaftes – und Rosa war auch nur für Mädchen"

War es eben nicht – jedenfalls nicht immer! Ursprünglich war es laut Grehl so…
"…dass kleine Knaben und Buben das ´kleine Rot` getragen haben, weil das die kindliche Annäherung an die Farbe des Blutes war, ´die Farbe des Krieges`, was viel mit Mut und Kraft zu tun hatte – im Gegensatz dazu war Hellblau die Farbe für kleine Mädchen, weil es an das Gewand der Jungfrau Maria erinnert!"

Ob man Rosa nun als Jungs- oder Mädchenfarbe betrachtet, hängt also von der jeweiligen gesellschaftlichen Zuschreibung ab! Wobei, Stichwort "Gender-Diskussion": dass Designer sich in den letzten Jahren so massiv auf "Pink" konzentrierten, müsse man auch als Reaktion darauf verstehen, dass, so Grehl weiter,
"das Spektrum einfach breiter wird an Geschlechtern, die wir sehen und auch empfinden"
Wozu sicher passt – es ist nicht mehr das Baby-Barbie-Piggy-Pink, das in High-End-Modenschauen von männlichen und weiblichen Models über die Laufstege in New York und Paris getragen wird. Es sind – man könnte eher sagen dezente Uni-Sex-Mischungen. Die Trendfarbe des Jahres 2016 "Rose-Quarz" ist eben kein knalliger Pastellschock, sondern sowas wie eine:
"etwas verstaubte Version vom Barbie-Pink."
Shirts auf einer Wäscheleine
Vor 100 Jahren trugen Jungen rosa und Mädchen hellblaue Kleidungsstücke. © imago/Ute Grabowsky/photothek

Das nächste große Ding: "Shim"

Jüngster Höhepunkt dieser Entwicklung ist vielleicht eine Rosa-Variante mit dem Namen "Shim", "diee sich eine Colour-Marketing-Group aus den USA ausgedacht hat", sagt Grehl. "Shim soll ja ganz offensichtlich ein Wortspiel sein zwischen she und him und soll auf verschwimmende Geschlechtergrenzen hinweisen!"
Beworben wird die Farbe mit dem Slogan: "no-definition, no-problem". Eine Botschaft, die gerade in der jungen feministischen Szene und im hippen Pop-Feminismus gerne weiter getragen wird. Aber wie Lena Grehl einräumt:
"Das ist sein zugänglicher Feminismus…"
Ein Feminismus, der Engagement mit Modebewusstsein und Stil verbinde, allerdings:
"Gerade in der älteren Generation wird die Farbe eher abgelehnt, weil sie eben immer noch so stark mit Dummheit und Infantilität verknüpft wird."
"Ich erleb' da nicht so ´ne Konkurrenz..."
Sagt Lena Weiß, Leiterin des Berliner Mädchen- und Frauencafés Pink.
"Ich glaube, manchmal gibt es auch so ´ne Erleichterung, dass diese feministischen Ideale nicht mehr mit so viel Militanz und Nachdruck verteidigt werden müssen, sondern das beides möglich ist, da staunen auch ältere Feministinnen drüber, wie jüngere das ganz locker vereinbaren…"

Im Café Pink verfolgt man den Image- und Bedeutungswandel des namengebenden Farbtons natürlich seit Jahrzehnten:
"Das Café Pink ist 1990 gegründet worden – aber in den 90er-Jahren hatte die Farbe Pink ja noch ´ne andere Bedeutung, da war das so die Abgrenzung zum Blass-, Zartrosa. Das war was Knalliges, man wird sichtbar, ich glaub, die ha´m auch eher an so´n Neon-Pink gedacht. Die Pinkifizierung, das Kleidung, Spielzeug, alles für Mädchen sein sollte, kam dann ja erst etwas später. Jetzt soll es für Feminismus sein. Die Mädchen sagen dazu: Pink ist eine Farbe – und eine Farbe ist eine Farbe!"
Dagegen glaubt Lena Grehl:
Demonstration am 08.03.2014 in Berlin
Lila war und ist die Farbe des Feminismus. Hier Demonstration am 08.03.2014 in Berlin unter dem Motto "Still loving feminism".© picture alliance/dpa/Foto: Florian Schuh
"…dass in Modekontexten immer gesellschaftliche Umbrüche mitschwingen, dass das immer auch politisch ist – auch wenn die Trägerinnen sich nicht unbedingt politisch irgendwo verorten würden..."
Apropos: neue Farben installieren - das Banner der feministischen Vorgänger-Generation war ja eher Lila – und siehe da:
Grehl: "Der Trend ist in der Mode. Jetzt gerade die Frühling-, Sommer-Collection – da ist immer noch viel pastelliges Rosa dabei. Aber jetzt geht der Trend zu Lila-Tönen. Das haben auch viele Blogs geschrieben, das es jetzt ein seichter Übergang vom Millennial-Pink zum sehr hellen Lila geht, weil das ja auch für Homosexualität oder ein sehr emanzipatorisches Lieben untereinander steht. Ich glaube, das macht schon Sinn, dass es jetzt helles Lila ist.
Wie auch immer: ob Pink, Rosa, das Kleine Rot, das den Zenit als Trendfarbe überwunden hat, als Erkennungsfarbe einer "Sanften feministischen Revolution" weiter relevant bleibt? Bornemann dazu:
"Denke ich, ja. Als Statement, als feministische Protestfarbe auf jeden Fall…"
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