Über die Leere des Lebens
Mit ihrem experimentellen Roman von 1922 wandte sich Virgina Woolf gegen erzählerische Traditionen. „Jacobs Zimmer“ besteht aus Momentaufnahmen, Gedankenfetzen, atmosphärischen Beschreibungen, Handlung gibt es kaum. Eine Herausforderung – besonders als Hörbuch.
Jacob: „Ich bin 22, wir haben bald Ende Oktober. Das Leben ist richtig schön. Obwohl es leider auch ziemlich viele Idioten gibt.“
Arrogant, herablassend und rebellisch – das ist Virginia Woolfs Hauptfigur Jacob Flanders mit Anfang 20.
„Man muss etwas aus sich machen. Irgendwas! Eigentlich macht alles Spaß. Nur morgens aufstehen nicht und einen Frack anziehen.“
Seine Stimmung schwankt zwischen grüblerisch-depressiv und verliebt. Er verachtet und kritisiert die englische High Society, nimmt Einladungen zum Abendessen aber trotzdem gern an.
Jacob: „Wie absolut furchtbar.“
Erzählerin: „An Timmy Durrant gewandt, formuliert Jacob sein Unbehagen über die Welt, die ihm zum Essen vorgesetzt wurde. (…) Mit jugendlichem Hochmut und der Gewissheit seiner natürlichen Begabung sieht er alles messerscharf vor sich. Wie erbärmlich ihr Leben doch ist. Arme Teufel.“
Jacob studiert in Cambridge, schließt sich der Londoner Bohème an, zieht sich oft in sein Zimmer zurück und vertieft sich in die Literatur der klassischen Antike. Schließlich reist er nach Italien und Griechenland. Kurz darauf fällt er im Ersten Weltkrieg. Statt einer Todesszene beschreibt Woolf Jacobs leeres Zimmer.
Erzählerin: „Reglos ist die Luft in einem leeren Zimmer. Der Vorhang bauscht sich, kaum merklich, die Blumen im Krug bewegen sich leicht. Eine Faser des Korbsessels knarrt, obwohl niemand darin sitzt. (…) Und dann, urplötzlich, heben sich alle Blätter.“
Die Leere des Lebens, die Unfassbarkeit eines Lebens, das zu früh endet: Das sind Virginia Woolfs Themen, die sie betont handlungsarm umsetzt. Das ist auch im Hörspiel nicht anders. Jacob selbst kommt selten zu Wort – dafür umso häufiger alle ihn umgebenden Personen.
Erzählerin: „Und wenig später tratscht man wieder über Jacob. Es ist ganz zweifellos die Zeit des Tratschens vor dem Kamin.“
Frau: „Dieser junge Mann, Jacob Flanders. Der sieht so speziell aus. Ist aber so furchtbar unbeholfen.“
Mann: „Seine Mutter soll ja mit den Rockspiers verwandt sein.“
Frau: „Überarbeiten tut er sich auf jeden Fall nicht.“
In der Hörspielbearbeitung wechseln szenische Dialoge, innere Monologe und gleich vier Erzählstimmen. Eine männliche und drei weibliche. Das ist auf Dauer einfach zu viel – vor allem, weil eine Stimme auch noch als Kommentar angelegt ist und das Gesagte und Gedachte auf einer Metaebene reflektiert. Was am Anfang noch lebendig wirkt, weicht schnell dem Gefühl der Verwirrung.
Zwischen Gedankenfetzen und ausufernden Naturbeschreibungen ahnt der Hörer nur noch, wo sich die Handelnden befinden und um was es inhaltlich gerade gehen könnte. Allein der männliche Erzähler, Friedhelm Ptok, hat Wiederkennungswert und Orientierungsfunktion, so dass man sich jedes Mal freut, wenn er zu Wort kommt.
Erzähler: „Wo sie festgemacht hatten, überströmten Bäume den Fluss, so dass die höchsten Blätterspitzen durch die gekräuselten Wellen glitten und der grüne Keil im Wasser, geformt durch sich spiegelnde Blätter, sich um Blattbreite drehte, so wie sich die wirklichen Blätter drehten.“
Erzählerin: „Und während Durrant Kirschen isst, wirft er die schlechten gelben zwischen den Blätterkeil. Mal geht eine angebissene Kirsche unter. Rot im Grün.“
Auch die eindringliche, dräuende Musik von Jakob Diehl ist eine Herausforderung. Schafft sie es anfänglich noch, Atmosphäre zu verdichten, liegt sie später viel zu lang unter einzelnen Passagen. Das wirkt dann nur noch ermüdend.
Man muss schon ein ziemlicher Fan von Virginia Woolf und ihrem berühmtem Bewusstseinsstrom sein – dem „stream of conciousness“ –, um dieses Hörspiel zu mögen. Für alle anderen ist es schlicht eine Geduldsprobe.
Besprochen von Bettina Ritter
Arrogant, herablassend und rebellisch – das ist Virginia Woolfs Hauptfigur Jacob Flanders mit Anfang 20.
„Man muss etwas aus sich machen. Irgendwas! Eigentlich macht alles Spaß. Nur morgens aufstehen nicht und einen Frack anziehen.“
Seine Stimmung schwankt zwischen grüblerisch-depressiv und verliebt. Er verachtet und kritisiert die englische High Society, nimmt Einladungen zum Abendessen aber trotzdem gern an.
Jacob: „Wie absolut furchtbar.“
Erzählerin: „An Timmy Durrant gewandt, formuliert Jacob sein Unbehagen über die Welt, die ihm zum Essen vorgesetzt wurde. (…) Mit jugendlichem Hochmut und der Gewissheit seiner natürlichen Begabung sieht er alles messerscharf vor sich. Wie erbärmlich ihr Leben doch ist. Arme Teufel.“
Jacob studiert in Cambridge, schließt sich der Londoner Bohème an, zieht sich oft in sein Zimmer zurück und vertieft sich in die Literatur der klassischen Antike. Schließlich reist er nach Italien und Griechenland. Kurz darauf fällt er im Ersten Weltkrieg. Statt einer Todesszene beschreibt Woolf Jacobs leeres Zimmer.
Erzählerin: „Reglos ist die Luft in einem leeren Zimmer. Der Vorhang bauscht sich, kaum merklich, die Blumen im Krug bewegen sich leicht. Eine Faser des Korbsessels knarrt, obwohl niemand darin sitzt. (…) Und dann, urplötzlich, heben sich alle Blätter.“
Die Leere des Lebens, die Unfassbarkeit eines Lebens, das zu früh endet: Das sind Virginia Woolfs Themen, die sie betont handlungsarm umsetzt. Das ist auch im Hörspiel nicht anders. Jacob selbst kommt selten zu Wort – dafür umso häufiger alle ihn umgebenden Personen.
Erzählerin: „Und wenig später tratscht man wieder über Jacob. Es ist ganz zweifellos die Zeit des Tratschens vor dem Kamin.“
Frau: „Dieser junge Mann, Jacob Flanders. Der sieht so speziell aus. Ist aber so furchtbar unbeholfen.“
Mann: „Seine Mutter soll ja mit den Rockspiers verwandt sein.“
Frau: „Überarbeiten tut er sich auf jeden Fall nicht.“
In der Hörspielbearbeitung wechseln szenische Dialoge, innere Monologe und gleich vier Erzählstimmen. Eine männliche und drei weibliche. Das ist auf Dauer einfach zu viel – vor allem, weil eine Stimme auch noch als Kommentar angelegt ist und das Gesagte und Gedachte auf einer Metaebene reflektiert. Was am Anfang noch lebendig wirkt, weicht schnell dem Gefühl der Verwirrung.
Zwischen Gedankenfetzen und ausufernden Naturbeschreibungen ahnt der Hörer nur noch, wo sich die Handelnden befinden und um was es inhaltlich gerade gehen könnte. Allein der männliche Erzähler, Friedhelm Ptok, hat Wiederkennungswert und Orientierungsfunktion, so dass man sich jedes Mal freut, wenn er zu Wort kommt.
Erzähler: „Wo sie festgemacht hatten, überströmten Bäume den Fluss, so dass die höchsten Blätterspitzen durch die gekräuselten Wellen glitten und der grüne Keil im Wasser, geformt durch sich spiegelnde Blätter, sich um Blattbreite drehte, so wie sich die wirklichen Blätter drehten.“
Erzählerin: „Und während Durrant Kirschen isst, wirft er die schlechten gelben zwischen den Blätterkeil. Mal geht eine angebissene Kirsche unter. Rot im Grün.“
Auch die eindringliche, dräuende Musik von Jakob Diehl ist eine Herausforderung. Schafft sie es anfänglich noch, Atmosphäre zu verdichten, liegt sie später viel zu lang unter einzelnen Passagen. Das wirkt dann nur noch ermüdend.
Man muss schon ein ziemlicher Fan von Virginia Woolf und ihrem berühmtem Bewusstseinsstrom sein – dem „stream of conciousness“ –, um dieses Hörspiel zu mögen. Für alle anderen ist es schlicht eine Geduldsprobe.
Besprochen von Bettina Ritter
Viginia Woolf: Jacobs Zimmer
Hörspielfassung: Gaby Hartel, Regie: Katja Langenbach
Der Hörverlag, Hamburg 2013
4 CDs, 19,99 Euro
Hörspielfassung: Gaby Hartel, Regie: Katja Langenbach
Der Hörverlag, Hamburg 2013
4 CDs, 19,99 Euro