Über die Grundwerte der CDU

Von Jacqueline Boysen · 05.12.2005
Ein politisch-ethisches Amalgam prägt die CDU seit 1945, dem Jahr ihrer Gründung. Die zehn Gebote und die Menschenrechte, die Ideale der Aufklärung wie auch libertäre und wirtschaftsliberale Gedanken, die Bergpredigt und Motive des Widerstands gegen totalitäre Herrschaft sind miteinander verschmolzen.
Das Fundament der christdemokratischen Werteordnung stützt sich auf das christliche Menschenbild und will die Existenz und Entfaltung des Einzelnen in der Gemeinschaft sichern. Zugleich stellt es eine Verpflichtung dar, so jedenfalls die Interpretation der Unionsvorsitzenden Angela Merkel:

"Die Würde der Person, die in Gott verankert ist und die Berufung zur Freiheit ist der tiefste Grund… auch in der Ausprägung des modernen Sozialstaats, die Tugend der Selbstgestaltung statt der Delegation an staatliche Institutionen. "
Christlich-abendländische Werte und Grundsätze wie die Konstanten Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität, so die CDU-Vorsitzende jüngst auf einer Tagung der Katholischen Akademie in München, sollten auch das Verhältnis zu jenen, die diese Werte nicht teilen, bestimmen:

Merkel: "Wir müssen (…) christliches Menschenbild mit jeden Menschen auf dieser Erde teilen."

Das ideelle Fundament der CDU hat sich im Laufe der 60 Jahre ihres Bestehens keineswegs als statisch erwiesen: Stärker noch als das Grundgesetz unterliegt es dem Zeitgeist und zeitgeschichtlich bedingten Einflüssen. Die Sozialethik der christlichen Kirchen war in den Jahren, da die junge, prosperierende Bundesrepublik ihre Sozialgesetzgebung formulierte, von zentraler Bedeutung. Das Verständnis der Rolle von Frau und Mann hat sich gewandelt.

Dem Alleinvertretungsanspruch auf eine vermeintlich höhere Moral der damaligen jungen Grünen hielt die Union die biblisch begründete Wahrung der Schöpfung entgegen. Nach dem Fall der Mauer schließlich fand das Erbe der Bürgerrechtsbewegung der DDR seinen Weg in den Kanon der Grundwerte der CDU. Heute werden freiheitlich-bürgerliche Tugenden, aber auch caritativ-solidarisches Handeln wieder klarer eingefordert. Zugleich bleiben Fragen offen - zum Beispiel in der Gentechnik und Biotechnologie.

Merkel: "Wir wissen, dass wir Leid lindern können… wenn einmal beginnen, Kompromisse zu machen, gibt es keine Grenzen mehr."

So schillernd intellektuelle Vordenker wie Kurt Biedenkopf oder Heiner Geißler in der Vergangenheit ihre CDU auch präsentiert haben mögen, die Geschichte der Partei beweist auch, dass die praktische Politik stets ihr Primat behauptete vor der politischen Ethik.


Das Gespräch zum Thema "Was ist christlich geprägte Politik?" mit dem Historiker Erhart Neubert finden Sie bis zu sechs Wochen nach der Sendung in unserem Audio-On-Demand-Player.