Über den Wohnzimmer-Wolken

Von Michael Engel · 26.05.2010
Viele Hobbypiloten steigen nahezu täglich ins Flugzeug - ohne dabei ihre Wohnung zu verlassen. Möglich ist das durch Flugsimulatoren, die schon für 29 Euro zu haben sind. Es darf aber auch ruhig ein bisschen mehr sein: Ein pensionierter IT-Manager steckte rund 100.000 Euro in seine Anlage.
Fred Wartenberg ist Hauptmann bei der Bundeswehr. Ein kernig wirkender Mann – und voll konzentriert. Am Standort Fassberg fliegt der Berufssoldat Hubschrauber. Und nach Feierabend? Da fliegt er weiter, daheim vor dem Rechner mit einem Flugsimulator:

"Also wer wirklich mal in seinem Leben geflogen ist, der weiß, es geht nichts drüber. Aber: Die Simulatoren, das sind heute Programme, die schon so viel darstellen, dass jemand, der auch im realen Leben fliegt, zuhause völlig entspannt mal vielleicht das machen kann, was er im realen nie machen wird. Nie machen kann…"

Fred Wartenberg ist nicht der einzige Profi, der auch in der Freizeit vom Fliegen nicht lassen kann, und das für wenig Geld: Flugsimulationsprogramme gibt es schon für 29 Euro. Von der Cessna bis hin zum Airbus ist alles drin.

"Welcher Hubschrauberpilot träumt nicht mal davon, eine große 747 zu fliegen. Welcher 737-Käptain träumt nicht mal davon, mit einem Hubschrauber durch den Grand Canyon zu fliegen. Solche Sachen sind dann möglich, dass man sich auch mal vor den heimischen PC dann hinsetzt."

Flugsimulationen sind begehrt. Ein Klassiker seit vielen Jahren ist das Programm von Microsoft. Mehrere 100.000 Flugsimulationspakete verkauft das Paderborner Unternehmen Softair pro Jahr. Das mittlere Alter der Nutzer, so Geschäftsführer Winfried Diekmann, liegt bei 49,8 Jahren. Und 99,9 Prozent, so die Statistik, sind Männer:

"Ich denke, der Reiz des Hobbys ist das zu tun, was man im realen Leben nicht tun kann, aber immer vielleicht schon tun wollte. Es gibt sicherlich Millionen von Deutschen, die als Kinder in der Jugend mal davon geträumt haben, Pilot zu werden. Uns geht es darum, wirklich realistisch zu fliegen."

Wenn Manfred Hildebrandt aus Kassel ins Flugzeug steigt, passiert alles in Echtzeit. Sogar die Fahrt zum Flughafen legt der Rentner im Simulator zurück. Bei einem Flug nach Mallorca sitzt er dann zweieinhalb Stunden vor dem Rechner. So lange dauert nämlich auch der echte Flug. In Paderborn – auf dem Flugsimulator Kongress – sucht er nach Programmen, die neue Abenteuer bieten. Alljährlich treffen sich dort mehrere 1000 Fans, um die neuesten Entwicklungen zu erkunden.

"Ich fliege am liebsten in Alaska. Mit kleiner Maschine, mit kleinem Wasserflugzeug und mache Sachen, die man nicht vorher plant und Langstreckenflüge macht, sondern wo man von A nach B innerhalb von eineinhalb Stunden ist und durch Canyons fliegt. Und wirklich nur nach Sicht startet und landet."

Flugzeug: "Delta, Echo, Charly, Sierra, Sierra, Gegenanflug, Piste 24 zur Landung."
Fluglotse: "Delta, Charly, Sierra, Sierra, verstanden. Der Wind 24 bei sechs Knoten, Piste 24 frei zur Landung."
Flugzeug: "Delta, Echo, Charly, Sierra, Sierra, Piste 24 frei zur Landung."

Um die Illusion des Fliegens perfekt zu machen, wurde IVAO – die "Internationale Virtuelle Luftfahrt Organisation" - gegründet. Hier vernetzen sich Fluglotsen und Piloten online und spielen Flugverkehr. Alles virtuell und nur zum Spaß.

Stefan Zimmermann: "Man fliegt dort praktisch in einem Netzwerk. Das heißt, man fliegt mit einem Flugsimulator, verbindet sich zu einem Netzwerk, und dann sind alle anderen Piloten, die sich auch zu diesem Netzwerk verbinden, nehmen dann praktisch am eigenen Spiel teil. Man sieht sie dort. Sie fliegen dann um einen herum. Und man hat auch eine virtuelle Flugsicherung. Das heißt, Menschen, die mit einem sprechen, den Fluglotsen praktisch imitieren, und einen so über eine Sprachsoftware praktisch durch den Himmel lotsen."

Stefan Zimmermann ist auch im beruflichen Leben Fluglotse, in Maastricht. Daheim fliegt er lieber, um – wie er sagt – die Sorgen der Flugzeugpiloten besser verstehen zu können.

Den teuersten privaten Flugsimulator in Deutschland hat allerdings Horst Sobisch aus Mardorf am Steinhuder Meer:

"Wenn Sie hier so über schauen, das ist das Overhead, was voll funktionsfähig ist. Sogar bis dahin, dass wenn die Triebwerke gestartet werden, wird hier die Klimaanlage abgestellt, so wie das hier auch im Realen ist."

30 Jahre lang arbeitete der IT-Manager bei IBM. Mehrmals pro Woche musste er geschäftlich ins Ausland jetten - und die Flugangst war immer dabei. Heute lehnt sich der 62-Jährige im Cockpit einer "Boeing 737" zurück - und das völlig entspannt. Denn das Cockpit steht im Keller seines Hauses.

100.000 Euro kostete der digitale Spaß im Keller. Mittlerweile, so der High-Tech-Rentner, ist die Flugangst verschwunden. Mehr noch. Sollte der richtige Pilot in einer richtigen Maschine mal ausfallen: Er würde sich sogar ans Steuer setzen, um die mitreisenden Passagiere zu retten.