Über den Tellerrand geschaut

Essen oder so ähnlich

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Beutel mit vakuumverpackter Astronautennahrung für die Apollo 11-Mission © picture-alliance/ dpa
Von Wolfgang Stuflesser  · 22.01.2014
Nicht alle sind Feinschmecker und schon gar nicht begeisterte Feierabendköche. Für sie und für Fans von Science Fiction hat ein junger amerikanischer Ingenieur eine Flüssignahrung entwickelt, die er für das Essen der Zukunft hält. Und um das zu beweisen, lebt er im Selbsttest fast ausschließlich von seiner Kunstnahrung.
"Das Essen der Zukunft sieht aus wie Sperma", hat eine amerikanische Webseite geschrieben. Dem Erfinder Rob Rhinehart ist der Vergleich mit einem verdünnten Milchshake lieber, ein bisschen süß, insgesamt ziemlich geschmacksneutral.
"Und das sei gewollt, sagt Rob. Denn wenn Soylent einen deutlichen Eigengeschmack hätte, würde es schnell langweilig. Für ihn sei es mehr wie Wasser."
Immerhin trinkt Rob täglich drei Becher und deckt damit, so hat er ausgerechnet, seinen kompletten Bedarf an Nährstoffen, Vitaminen und Spurenelementen.
Beim Essen Zeit und Geld sparen
Rob ist eigentlich Software-Entwickler, Single und, wie er selbst sagt, weder ein guter Koch noch vermögend. Also wollte er beim Thema Essen Zeit und Geld sparen.
Rob mixte Chemikalien: Kalk, Eisenglukonat, Malzzucker, Molkepulver. Schließlich hatte Kochen ursprünglich die Aufgabe, es dem Körper leichter zu machen, aus dem Essen das herauszulösen, was er zu Leben braucht. Soylent geht diesen Weg konsequent zu Ende und reduziert Nahrung auf die reinen Nährstoffe.
"So wie die Leute das Pferd zu Gunsten des Autos aufgegeben haben, glaube ich, dass wir bessere, effizientere Formen des Essens finden können."
Seit gut einem Jahr ernährt sich Rob fast ausschließlich davon. Ein Selbstversuch mit einigen Risiken.
"Das Schlimmste passierte am Anfang: Ich hatte die Ballaststoffe vergessen, deshalb hat mein Körper sehr schnell sehr viele Kalorien verbraucht. Ich war ständig über- oder unterzuckert."
Er fühle sich gesünder
Verschiedene Ernährungsexperten haben schon vor den möglichen Langzeitfolgen der selbstgemixten Astronautennahrung gewarnt. Rob gibt zu, dass er nicht regelmäßig von einem Arzt betreut wird – eine Krankenversicherung kann er sich nicht leisten. Aber er fühle sich viel gesünder, sagt er. Und auch den Vorwurf, dass Soylent Jahrtausende Esskultur missachte, lässt er nicht gelten.
"Ich gehe durchaus mal essen, aber eben zum Genießen, nicht um satt zu werden. Am Wochenende mal mit Freunden zu essen, das genügt mir schon."
Zusammen mit vier anderen hat Rob eine Firma gegründet, um seine Idee auf den Markt zu bringen. In den USA lässt sich Soylent schon online bestellen - für etwa drei Dollar pro Mahlzeit, umgerechnet etwa 2,20 Euro. Rob sagt, es gebe Vorbestellungen im Wert von zwei Millionen Dollar, und Ende Februar wollen er und seine Mitarbeiter die ersten Pakete ausliefern.
Merkwürdig nur, dass der Name offenbar niemanden abschreckt: Der stammt nämlich aus dem 70er-Jahre Science-Fiction-Klassiker "Jahr 2022, die überleben wollen". Der Originaltitel "Soylent Green" bezeichnet die grünen Täfelchen, von denen sich im Film die Menschen der Zukunft ernähren. Bis sich herausstellt: "Soylent Green" ist nicht aus Plankton, wie der Hersteller behauptet. Es wird aus menschlichen Überresten hergestellt.
Essen mit Science-Fiction-Bezug
Für Rob Rhinehart war der Bezug schon klar, als er seinen Nahrungsersatz "Soylent" taufte. Die Kunden hat das offenbar nicht gestört.Vielleicht hätten sie ja alle eine kannibalistische Ader, sagt er im Scherz. Aber zumindest wüssten sie den Science-Fiction-Bezug zu schätzen.
Bis Soylent nach Deutschland kommt, wird es wohl noch eine Weile dauern: Die EU sei da ziemlich hart, sagt Rob Rhinehart: Bislang sei habe er es noch nicht geschafft, eine Lizenz für den Verkauf von Soylent als Lebensmittel zu bekommen.