Über den Erfinder des Dynamos

27.08.2009
"Die Entdeckung des Lichts", der neue Roman von Ralf Bönt, erzählt von Michael Faraday, dem englischen Physiker und Chemiker, der 1791 geboren wurde und für einen schwerkranken Mann erstaunlich lange lebte. Am 25. August 1867 starb er fast 76-jährig.
Der gebildete Laie bekommt leuchtende Augen, wenn sein Name fällt: "Faradayscher Käfig", ruft er stolz – und dann verließen sie ihn. Es schadet also nichts, wenn ein kluger und versierter Autor sich dieses Mannes und seiner Entdeckungen annimmt, noch dazu wenn er zugleich promovierter Physiker ist. Dass missgünstige Geister ihm vorwerfen werden, er surfe auf der Kehlmann-Welle, sollte einen nicht weiter kümmern. Schließlich hat Daniel Kehlmann die Naturwissenschaften des 19. Jahrhunderts nicht gepachtet.

Michael Faraday war der Sohn eines Schmieds. Die Karriere als Wissenschaftler war ihm nicht in die Wiege gelegt, wohl aber eine ausgeprägte Wissbegier und Neugier, ein Sinn fürs Beobachten, Tüfteln und der Mut, immer wieder neu zu beginnen. Und er war bereit, aus jeder mickrigen Möglichkeit eine Chance zu machen: als Laufbursche las er die Zeitungen, die er austragen musste, als Buchbinderlehrling die Bücher, die er band, als "oberster Flaschenspüler" im Keller der Royal Institution machte er seine ersten Experimente. In seiner Freizeit besuchte er Vorträge - aus heutiger Warte eine bunte Mischung aus Naturphilosophie, Esoterik, Chemie und Physik.

Seine wesentlichen Erfindungen machte Faraday im Bereich der Elektrotechnik: Er entdeckte die elektromagnetische Induktion, deren Wirkung vor allem bei Generatoren, Elektromotoren und Transformatoren genutzt wird, und konstruierte den ersten Dynamo. Das schreibt sich so hin.

Aber wie viele Anläufe, wie viele Fehlschläge sind nötig, bis aus der Eingebung eine Versuchsanordnung wird und aus ihr ein gelungenes Experiment! Welches Material muss man nehmen, welche Stoffe, welche Temperatur wählen? Es macht den Charme des Romans aus, dass der Autor nicht mit seinem Wissen prahlt, sondern den Leser teilhaben lässt: an der ganz und gar nicht trivialen Tüftelarbeit, die den großen Erfindungen des 19. Jahrhunderts wie auch der Glühbirne und des elektrischen Stroms vorausging.

Michael Faraday zog sich beim damals üblichen sorglosen Umgang mit Chemikalien eine Quecksilbervergiftung zu, die man erst posthum aus seinen Briefen diagnostizierte. Die Szenen, in denen Bönt erzählt, wie Faraday nicht wissend, was mit ihm geschieht, die Zersetzung seines Geistes wahrnimmt, gehören zu den stärksten des Romans. Wie auch die mit seiner Ehefrau Sarah, die es klaglos hinnahm, dass sie statt der ersehnten Kinder einen Mann hatte, der im Lauf seines Lebens selbst wieder zum Kind wurde.

Ralf Bönts Sprache schmiegt sich dem warmen Ton der Faraday’schen Briefe und Aufzeichnungen an, aus denen er gelegentlich zitiert. Das sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Roman einen denkenden Leser verlangt. Wer keine Lust hat, sich ein Experiment vorzustellen, weite Gedankensprünge mitzumachen und auch hier und da mal etwas nachzulesen, der wird es schwer haben mit diesem Roman – obwohl "Die Entdeckung des Lichts" Kopf und Herz so schön zusammenbringt.

Besprochen von Meike Feßmann

Ralf Bönt: Die Entdeckung des Lichts
DuMont, Köln 2009
352 Seiten, 19,95 Euro